
27. November 2025 in Aktuelles
„Welches Bild von Kirche, Theologie, Philosophie zeichnen Sie, wenn nicht einmal mehr ein Vortrag über klassische Gottesbeweise möglich ist?“ Brief an Präsident Prof. Wallacher/Hochschule für Philosophie München. Gastbeitrag von Prof. Riccardo Wagner
München-Würzburg (kath.net) Den nachfolgenden Brief versandte Prof. Dr. Riccardo Wagner an Prof. Dr. Johannes Wallacher, den Präsidenten der Hochschule für Philosophie München. Vorausgegangen war die Absage der Hochschule an den Philosophen und „Tagespost“-Mitarbeiter Dr. habil. Sebastian Ostritsch, sein neustes Buch „Serpentinen. Die Gottesbeweise des Thomas von Aquin nach dem Zeitalter der Aufklärung“ an der Hochschule mit einem Vortrag vorzustellen.
Sehr geehrter Herr Prof. Wallacher,
mit großer Verwunderung und nicht geringer Bestürzung habe ich von der Absage des geplanten Vortrags von Herrn Dr. Sebastian Ostritsch an der Hochschule für Philosophie in München erfahren.
Nach allem, was öffentlich darüber zu hören und zu lesen war, wurde Herr Ostritsch im Zusammenhang mit dieser Absage als „fundamentalistisch“ und sogar als „rechtsextrem“ bezeichnet – und das, obwohl er nichts anderes ist als ein lehramtstreuer katholischer Philosoph, der sich in bester akademischer Tradition mit den Gottesbeweisen und der Argumentation Kants und des hl. Thomas von Aquin auseinandersetzen wollte.
Dass eine jesuitische Hochschule ausgerechnet bei einem solchen Thema und einem solchen Referenten einknickt, weil von bestimmter Seite Protest angekündigt wird, empfinde ich als beschämend. Es ist peinlich – im wörtlichen Sinn: es tut weh und beschämt nicht nur Herrn Ostritsch, sondern es beschädigt auch die Glaubwürdigkeit Ihrer Institution und zu allererst die Integrität, des menschlich wie fachlich hervorragenden Kollegen, gegenüber der Kirche. Eine Hochschule, die sich der philosophischen Wahrheitssuche verpflichtet weiß, sollte doch gerade dort standhaft bleiben, wo Druck aufgebaut wird und wo Meinungs- und Glaubensfreiheit zur Disposition gestellt werden.
Die Tradition der Gesellschaft Jesu und der katholischen Geisteswelt steht für intellektuelle Redlichkeit, Mut zum Streit der Argumente und die Freiheit, Fragen zu stellen – auch und gerade dann, wenn sie dem Zeitgeist nicht gefallen. Eine katholische Philosophische Hochschule, die einen ausgewiesenen, lehramtstreuen Katholiken unter dem Druck lautstarker Gruppen auslädt, sendet das Gegenteil dieses Zeugnisses: Sie vermittelt den Eindruck, dass orthodoxer Glaube verdächtig sei, dass man sich seiner schämen müsse und dass letztlich nur noch Positionen geduldet werden, die sich reibungslos in das aktuelle Klima der kirchlichen und gesellschaftlichen Debatten einfügen.
Ich frage Sie offen: Welches Signal geben Sie damit Ihren Studierenden? Welches Bild von Kirche, Theologie und Philosophie zeichnen Sie, wenn nicht einmal mehr ein Vortrag über klassische Gottesbeweise möglich ist, weil der Referent öffentlich als „Fundamentalist“ denunziert wird? Wollen Sie wirklich zulassen, dass Verleumdungen und Schlagworte wichtiger werden als Argumente und wissenschaftliche Qualität?
Als katholischer Christ und als Hochschullehrer macht mich dieser Vorgang tief traurig – und ehrlich gesagt auch wütend. Nicht, weil ich oder sonst jemand jede Position von Herrn Ostritsch im Detail teilen müsste, sondern weil hier ein Bruder im Glauben und Kollege in der akademischen Arbeit in Schutz genommen gehört und nicht fallen gelassen werden darf.
Wer in Treue zum Lehramt steht, gehört in einer katholischen, jesuitischen Hochschule nicht auf die schwarze Liste, sondern an den Tisch des Diskurses.
Ich möchte Sie daher eindringlich bitten, diesen Vorgang intern selbstkritisch zu reflektieren und, wo möglich, zu korrigieren – sei es durch eine öffentliche Klarstellung und idealerweise auch Entschuldigung, sei es durch eine erneute Einladung oder durch ein deutliches Signal, dass lehramtstreue Positionen an Ihrer Hochschule ausdrücklich willkommen sind. Die Hochschule für Philosophie München hat das Potenzial, ein Ort wirklicher Freiheit im Denken und Glauben zu sein. Mit Entscheidungen wie der Absage des Vortrags von Sebastian Ostritsch verspielen Sie genau dieses Kapital.
Ich schreibe Ihnen in allem Ernst, aber nicht aus Feindseligkeit. Gerade weil mir die Kirche, die katholische Geistestradition und auch Ihre Hochschule am Herzen liegen, kann ich zu einem solchen Vorgang nicht schweigen.
Mit bestem Gruß und der Hoffnung auf eine klare, glaubwürdige Korrektur.
Prof. Dr. Riccardo Wagner
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