Wenn der Papst die Kardinäle ruft

14. November 2025 in Kommentar


„Kaum jemandem ist bekannt, dass jährlich zumindest ein Ordentliches Konsistorium ohne Kardinalskreierungen im Apostolischen Palast des Vatikans abgehalten wird.“ Von Ulrich Nersinger


Vatikan (kath.net) Für den 7. bis 8. Jänner 2026 beabsichtigt der Heilige Vater die Kardinäle zu einer Außerordentlichen Versammlung in den Vatikan einzuberufen. 

Von dem Kirchenlehrer Petrus Damiani (1006–1072) stammt die Forderung, die katholische Kirche müsse in ihrer Verwaltung die antike Kurie der Römer nachahmen. Sie hat dies getan – und tut es noch heute. So wie das römische Recht die Senatoren des kaiserlichen Rom als „pars corporis imperatoris – Teil des kaiserlichen Leibes“ ansah, so werden die Kardinäle als „pars corporis papae – Teil des päpstlichen Leibes“ betrachtet. In antiken Gesetzestexten findet sich für den kaiserlichen Senat eine Bezeichnung, die in den Sprachgebrauch der Kirche überging: „consistorium“. 

Im 12. Jahrhundert trat das Kardinalskollegium als Senat des Papstes in Erscheinung. Ursprünglich waren die wichtigsten kirchlichen Belange nur bei den Konzilien beraten und entschieden worden. Im Pontifikat Papst Innozenz' II. (1130–1143) trat jedoch eine Änderung ein. In der Auseinandersetzung um die Lehre des Kanonikers Abaelard legte der Papst die Prüfung, Diskussion und Entscheidung hierüber in die Kompetenz eines Konsistoriums. Mit Papst Alexander III. (1159–1181) begann dann die Zeit, in der für die Kirche bedeutsame Beschlüsse immer mehr in Konsistorien gefasst wurden. Vor jeder wichtigen Entscheidung stellte der Papst die Frage: „Quid vobis videtur – Was meint Ihr hierzu?“ 

Mit der im 16. Jahrhundert erfolgten großen Kurienreform Papst Sixtus' V. (1585–1590), die zur Verwaltung der Gesamtkirche die Kongregationen einrichtete, wurde das Konsistorium „nur noch ein feierlicher zeremonieller Akt, welcher beibehalten wurde, um das Bild des früheren kurialen Lebens vor den Augen der Gegenwart lebendig darzustellen“ (Nikolaus Hilling). Was früher von den Kardinälen in dieser Versammlung debattiert und beschlossen wurde, wurde jetzt an anderer Stelle entschieden und erfuhr in einem Konsistorium nur noch seine feierliche Promulgation. Allein die Erwählung neuer Mitglieder des Kollegiums der Kardinäle und die Heiligsprechungen blieben in gewissem Sinne in die Entscheidung dieser Versammlung gelegt, wenn auch zunehmend nur mehr mit beratendem Charakter. 

Die bis in die jüngere Zeit übliche Einteilung der Konsistorien in „Geheime“, „Halböffentliche“ und „Öffentliche“ wurde nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) aufgegeben. Mit dem Erscheinen des Codex Iuris Canonici von 1983 erhielten die Konsistorien eine neue rechtliche Ordnung, die im Canon 353 formuliert wird. So setzt das kirchliche Gesetzbuch fest: „Die Kardinäle helfen dem obersten Hirten der Kirche auf kollegiale Weise hauptsächlich in den Konsistorien, zu denen sie sich auf Anordnung des Papstes und unter seinem Vorsitz versammeln; Konsistorien gibt es als Ordentliche oder Außerordentliche“ (§ 1). Ein Ordentliches Konsistorium findet „zur Beratung gewisser schwerwiegender Angelegenheiten, die jedoch regelmäßiger anstehen, oder zur Durchführung gewisser besonders feierlicher Akte“ (§ 2); zur Teilnahme an ihm sind alle in Rom anwesenden Kardinäle angehalten. 

Zu einem Außerordentlichen Konsistorium wird das gesamte Kardinalskollegium eingeladen, und zwar dann, „wenn besondere Erfordernisse der Kirche oder die Behandlung schwerwiegenderer Angelegenheiten dies ratsam erscheinen lassen“ (§ 3)

Die meisten Katholiken verbinden das Konsistorium mit der Kreierung von Kardinälen, der Berufung neuer Purpurträger in den Senat des Papstes, was aber nicht zwingend gegeben sein muss. Kaum jemandem ist bekannt, dass jährlich zumindest ein Ordentliches Konsistorium ohne Kardinalskreierungen im Apostolischen Palast des Vatikans abgehalten wird. Es behandelt in der Regel anstehende Heiligsprechungen und findet im Rahmen einer Hore des Stundengebetes, der mittäglichen Sext, statt. 

 


© 2025 www.kath.net