
11. November 2025 in Chronik
„Wie Papst Benedikt, so suchte auch er nach dem menschlichen Antlitz Gottes und fand es.“ Ein Nachruf auf Paul Badde. Von Michael Hesemann
Rom (kath.net) Dante, in seiner göttlichen Komödie, beschreibt in köstlichen Versen die Geschichte eines Pilgers aus Kroatien, der zum Heiligen Jahr nach Rom kommt und sich dort nicht sattsehen kann am Anblick des legendären Schweißtuch der Veronika mit dem Abdruck des Antlitzes Jesu. Immer wieder ruft er staunend aus: „O du mein Jesus Christus, Gott, wahrhaft'ger, so also war dein Antlitz einst beschaffen!“. Für ihn war die Begegnung mit dem Christusbild die wunderbare Gelegenheit, schon hier auf Erden jenen kennenzulernen, der eines Tages, im Himmel, sein Richter sein würde.
Ein solcher Pilger, wenn auch aus Deutschland statt aus Kroatien, war Paul Badde. Pilger ein Leben lang und Gottsucher, aber einer, der durchaus fündig wurde, ein Mystiker der heiligen Bilder, von denen er zwei wiederentdeckte und damit weltweit Aufsehen erregte, ein „Jäger der verlorenen Schätze“ unserer katholischen Kirche. Dabei kein Sensationalist, kein „Indiana Jones“, auch wenn der Hut sein Markenzeichen war, sondern, im Gegenteil, ein tieffrommer Mann, mehr Poet als Journalist, dessen Bücher Hymnen sind zur Verherrlichung Gottes und der seligen Jungfrau, unserer Fürsprecherin („Advocata“). Wie Papst Benedikt, so suchte auch er nach dem menschlichen Antlitz Gottes und fand es; mehr noch, er überzeugte den Theologen-Papst, in das Bergdorf Manoppello zu pilgern, um dort dem Gesuchten tief bewegt zu begegnen, so tief, dass noch im Alterswohnsitz des „Papa emerito“ im Monastero Mater Ecclesiae eine Kopie des Volto Santo, des Heiligen Antlitzes, auf dem Wohnzimmertisch stand, das sogar posthum an Badde vererbt wurde; so wurde aus dem „Welt“-Reporter nicht nur ein Chronist, sondern auch ein Wegweiser des so segensreichen deutschen Pontifikats.
Wer Paul Badde kannte, wer lange Abende mit ihm in seinem Stammlokal „La Vittoria“ verbrachte, weiß um die Herzlichkeit, Menschlichkeit, Lebensfreude und tiefe Frömmigkeit dieses Mannes, der so ganz anders war als die kalten, kritischen Journalistenkollegen der auf ihn folgenden Generation. Doch das letzte Mal auf dieser Erde begegnete ich ihm nicht bei seinem geliebten Weißwein, sondern tief versunken in der Anbetung, zusammen mit seiner Frau Ellen, in der Sakramentskapelle des Petersdomes, die zu seiner Hauskapelle geworden war; er besuchte nicht nur täglich die Heilige Messe in St. Anna, der Pfarrkirche des Vatikans, sondern verbrachte jeden Abend auch eine gute Stunde vor dem eucharistischen Herrn.
Was für ein Leben hat dieser Ausnahmejournalist gelebt, was für ein Werk hat er uns hinterlassen! Der 1948 in Breyell am Niederrhein als Sohn eines Friseurs geborene Paul Badde studierte Philosophie, Soziologie und Kunstgeschichte in Freiburg und Frankfurt – mitten in der Zeit der Studentenrevolte, als alles Etablierte infrage gestellt wurde, auch von ihm. „Wer in der Jugend nicht links ist, hat kein Herz, wer es im Alter immer noch ist, kein Hirn“, müsste man auch über ihn sagen. Seine berufliche Laufbahn begann er zunächst als Lehrer und freier Mitarbeiter verschiedener Zeitungen, darunter dem linken Satiremagazin „pardon“; dessen Logo war ein knallroter Teufelskopf, der den Hut lüftete. Doch sein literarisches Talent fiel auf und er wechselte bald das Sujet. Ab Februar 1988 war er als Reporter und Redakteur für das Magazin der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ tätig, 2000 wechselte er ganz zum Springer-Verlag, für dessen „Welt“ er zuvor schon als Freelancer gearbeitet hatte. Er war jetzt zu einem Starreporter, zu einer der Edelfedern des deutschen Journalismus geworden. Von 2000 bis 2013 war er Auslandskorrespondent der „Welt“, zunächst in Jerusalem, anschließend in Rom und beim Vatikan. In diesen Jahren in den beiden heiligsten Städten der Christenheit blühte er regelrecht auf, mehr noch, er wurde fromm.
In Jerusalem begegnete er dem damaligen Abt der Dormitio-Abtei, in der deutsche Benediktiner den Ort der Entschlafung der Gottesmutter hüten, Bernhard Maria Alter, OSB. Der ausgewiesene Ikonenexperte gewann Badde nicht nur als Oblaten (weltlichen Helfer) für seine Abtei, sondern führte ihn auf die Spur seiner beiden größten Entdeckungen. Er erzählte von der Ur-Ikone Mariens, von Lukas gemalt, die in Rom verwahrt würde, der Advocata, die Badde später auf dem Monte Mario im Rosenkranzkloster der Dominikanerinnen fand, und deren faszinierende Geschichte seine letzte große Reportage, das Buch „Die Lukas-Ikone – Roms verborgenes Weltwunder“ erzählt. Auf der Suche nach ihr stieß Badde wiederum über den Jesuitenpater Pfeiffer auf das Schleierbild von Manoppello, das der Kunsthistoriker längst als das ursprüngliche römische „Veronika“-Bild identifiziert hatte. Badde folgte seiner Spur, untersuchte Pfeiffers Thesen und schrieb den Weltbestseller „Das Muschelseidentuch“. Es war sein größtes Werk, gelesen auf allen Kontinenten, das ihm zum „Missionar des Heiligen Antlitzes“ werden ließ; nicht nur tausende Pilger, sondern auch Bischöfe und Kardinäle (u.a. Meisner, Sarah, Koch) führte er in das Abruzzenheiligtum, das Benedikt XVI. nach seinem Besuch zur „Basilica Minor“, zur Papstkirche erhoben hatte. Zuvor hatte er „ganz nebenbei“ auf der Suche nach dem authentischen Marienbild noch die Tilma von Guadalupe dem deutschsprachigen Leserpublikum präsentiert.
Zur „deutschen Stunde der Weltkirche“ unter Benedikt XVI. ging auch Baddes Stern vollends auf. Inspiriert durch den Ratzinger-Papst, gründete Badde zusammen mit seinem Kollegen Guido Horst und dem Verleger Bernhard Müller (FE-Medien) das „Vatican-Magazin“, das nicht nur durch seine literarischen Geniestücke glänzte, sondern auch durch „Baddes Bilder“, seine prägnante Fotokunst. Als ihn der Springer-Verlag in die wohlverdiente Rente schickte, war bei ihm noch lange nicht Schluss: Jetzt schrieb er zudem für das Nachrichtenportal CNA, stand vor der Kamera und produzierte für den katholische TV-Sender EWTN, bei dem er eine ganze Generation junger, katholischer Journalisten unter seine väterlichen Fittiche nahm.
Auch sie gehören zu dem reichen Erbe, das er uns hinterlässt. Vor allem aber sind es seine Bücher, Werke voller Poesie und Glauben, deren Schönheit auch Benedikt XVI. inspirierte, und die, davon bin ich überzeugt, noch in hundert Jahren begeisterte Leser finden werden. Sie sind ein Schatz für jeden, der sie besitzt. In ihnen lebt er fort, dieser vielleicht manchmal unbequeme, immer leidenschaftliche und grundgute Kollege, der seinen eigenen Kreuzweg gehen musste in den Jahren nach seiner Pensionierung. Zwei Schlaganfälle und lange Krankheit ließen seine Frau Ellen, seine fünf Kinder und seine vielen Freunde schon lange um ihn bangen, und tatsächlich ahnte auch er, dass der Himmel ihn ruft. Als 2024 sein Buch „Die Lukas-Ikone“ erschien, kündigte er es selbst als seine „letzte Reportage“ an, seine beiden Beiträge in meinem Pilgerführer „Rom im Heiligen Jahr“ als die letzten aus seiner Feder. Auch sie gehören zu seinem Vermächtnis, in dem er, wie in unseren Herzen, weiterlebt. Als ich im September erfuhr, dass er Rom verlassen und ganz in sein geliebtes Manoppello ziehen würde, wo er ein Haus besaß und dessen Ehrenbürger er war, da wusste ich, dass er aufgebrochen war zur letzten Station seiner irdischen Pilgerreise. Dass er seinem himmlischen Richter so nahe sein wollte wie sonst nirgends hier auf Erden: dort, wo er Ihm nicht „nur“ in der Anbetung begegnen, sondern Ihm direkt ins Antlitz schauen konnte!
„Der Tod ist ein Geschenk an den Sterbenden, erkauft mit den Tränen der Hinterbliebenen“ – das gilt bei ihm mehr denn je. Denn Paul Badde hat jetzt, davon bin ich überzeugt, sein Ziel erreicht. Er schaut das Antlitz Seines und Unseres Herren, das er zeitlebens gesucht hat. Während sich das Heilige Jahr dem Ende zuneigt, endete auch seine irdische Pilgerreise und hat sich ihm der, dessen Abbild das Muschelseidentuch zeigt, in seiner ganzen Herrlichkeit offenbart.
Paul Badde wird am Samstag, 15. November, auf dem Friedhof seiner Wahlheimat Manoppello beigesetzt.
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