Konvertierter Ex-Anglikaner Nazir-Ali sagt neue Welle von Konversionen voraus

27. Oktober 2025 in Weltkirche


Anglikanischer Ex-Bischof, heute katholischer Priester - „Die Kirche von England hat sich eindeutig für den Weg der liberalen protestantischen Konfessionen entschieden“ – Die anglikanische Kirchenspaltung in Echtzeit verfolgen. Von Petra Lorleberg


London (kath.net/pl) Michael Nazir-Ali, der ehemalige anglikanischer Bischof von Rochester (Südengland) hat die anglikanischen kirchlichen Leitungspersönlichkeiten dazu aufgefordert, sich auf eine Welle von Konversionen aus dem Anglikanismus in die volle Gemeinschaft mit der katholischen Kirche vorzubereiten. „Wir erleben bereits eine bedeutende neue Welle von Konversionen, und die [anglikanische] Kirche muss überlegen, wie sie am besten darauf reagiert“, erläuterte er gegenüber OSV News. „Die Kirche von England hat sich eindeutig für den Weg der liberalen protestantischen Konfessionen entschieden und jeglichen Anspruch auf die katholische apostolische Sukzession aufgegeben“, sagte Michael Nazir-Ali, einer von mehreren anglikanischen Bischöfen, die 2021 in die katholische Kirche aufgenommen wurden. Der Familienvater Nazir-Ali ist inzwischen katholischer Priester mit Dispens vom Zölibat, wie das bei Konversionen möglich ist. Er ist inkardiniert in das Personalordinariat Unserer Lieben Frau von Walsingham, das Christen offensteht, die aus der anglikanischen Gemeinschaft heraus in die katholische Kirche konvertieren. Der geborene Pakistani und promovierte Theologe ist Autor mehrerer Bücher und hat in vielen Länder Gastvorlesungen an Universitäten gehalten.

Nazir-Ali sprach vor dem Hintergrund, dass die Global Anglican Future Conference (GAFCON), die nach eigenen Angaben mindestens die Hälfte der 85 Millionen Anglikaner weltweit vertritt, die Verbindungen zur Church of England nach der Ernennung der ersten Erzbischöfin von Canterbury abbrach und ihr vorwarf, „unbiblische und revisionistische Lehren“ zu fördern.

In einem Interview mit OSV News führte er aus, dass er Anglikaner respektiere, die die orthodoxen christlichen Lehren hochhalten und gleichzeitig ihrer Heimatkirche treu bleiben wollten.

Er fügte jedoch hinzu, dass GAFCONs Beharren auf der Autonomie der anglikanischen Provinzen bei der Entscheidung über ihre eigene Lehre und auf der Heiligen Schrift als „einzige Grundlage der Gemeinschaft“ weitere Probleme schaffen würde – so dass für viele die Aufnahme in die katholische Kirche die einzige Option bliebe.

„Die katholische Kirche ist sich einig, dass die Heilige Schrift die höchste Autorität in Glaubensfragen ist – sich jedoch allein auf die Heilige Schrift zu verlassen, ist gefährlich“, erläuterte Nazir-Ali, der in Cambridge, Oxford, Harvard und anderen Universitäten studierte hatte. „Wenn jede Provinz frei ist, zu tun, was sie will, ist dies in der heutigen, sich schnell verändernden Welt ein Rezept für Chaos.“

Einer der Kernpunkte der aktuellen Zuspitzung der binnen-anglikanischen Konflikte ist die Ernennung von Bischöfin Sarah Mullally aus London zur 106. Erzbischöfin von Canterbury am 3. Oktober 2025. Mullally unterstützt die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare und andere liberale Reformen in der Church of England, die 1534 nach dem Bruch König Heinrichs VIII. mit Rom gegründet wurde. Sie ist die erste Frau in diesem Amt in ihrer 1400-jährigen Geschichte, erläuterte OSV News zum Hintergrund der aktuellen Entwicklung. Die GAFCON erklärte daraufhin, dass die designierte Erzbischöfin Mullally ihre Bischofsgelübde gebrochen habe, indem sie „unbiblische und revisionistische Lehren über Ehe und Sexualmoral“ verbreitet habe.

Der binnen-anglikanische Streit brach im Vorfeld eines versöhnlichen, historischen Staatsbesuchs von König Charles, dem obersten Leiter der Church of England, am 23. Oktober im Vatikan aus. Dieser Besuch beinhaltete ein beispielloses ökumenisches Gebetstreffen in der Sixtinischen Kapelle, das gemeinsam von Papst Leo XIV. und dem anglikanischen Erzbischof Stephen Cottrell von York geleitet wurde, erläuterte OSV News. In seinem Interview mit OSV stellte Nazir-Ali fest, König Charles habe die Ernennung des designierten Erzbischofs Mullally wie verfassungsmäßig vorgeschrieben genehmigt, sei aber nicht „persönlich in die jüngsten Entscheidungen der Church of England verwickelt“. 

„Während einige ältere Differenzen während dieses Vatikanbesuchs beigelegt zu sein schienen, sind nun neue Differenzen aufgetaucht“, bemerkte der ehemalige anglikanische Insider gegenüber OSV News. „Orthodoxe Anglikaner werden wahrscheinlich nicht mit dem liberalen protestantischen Überrest, zu dem die Church of England wird, zusammenhalten. Wenn es einmal zu Spaltungen kommt, werden diese meist schwerwiegender.“

Nazir-Ali vertritt außerdem, dass eine „zukünftige Versöhnung“ nun unmöglich erscheine, und dass frühere anglikanisch-katholische Vereinbarungen über Eucharistie, Amt und andere Fragen ebenfalls gefährdet seien.

„Wir können weiterhin freundlich miteinander reden, wie wir es mit Menschen anderer Glaubensrichtungen tun – aber jede Hoffnung auf die Wiederherstellung der organischen Einheit zwischen unseren kirchlichen Traditionen ist, sofern nicht ein Wunder geschieht, dahin“, sagte der katholische Priester, der in zwei internationalen katholisch-anglikanischen Kommissionen tätig war, gegenüber OSV News.

„Wir können sogar zusammenarbeiten, aber nicht in Fragen der Ehe und Familie“, fügte er hinzu. „In der Zwischenzeit sollte die katholische Kirche auf neue Gruppen von Anglikanern vorbereitet sein, die eine Einheit mit ihr anstreben, wie während früherer Konversionswellen.“Was Nazir-Ali in seinem Interview mit OSV News nicht erwähnt, was aber dennoch bemerkenswert ist, ist die Tatsache, dass dieser binnen-anglikanischen Konflikte in (zumindest zufälliger) Zeitgleichheit mit der Ankündigung von Papst Leo XIV. zusammenfallen, dass er den hl. John Henry Kardinal Newman (1801-1890) zum Kirchenlehrer und (neben Thomas von Aquin) zum Patron für das katholische Bildungswesen erheben wird. Die feierliche Erhebung des berühmten und durch seine Schriften einflussreichen Konvertiten aus dem Anglikanismus ist für den 1. November anberaumt, steht also unmittelbar bevor.

Archivfoto: Nazir-Ali in seiner Zeit als anglikanischer Bischof (c) Pressefoto Michael Nazir-Ali/Website

Link zum OSV-Originalbeitrag: Former Anglican bishop predicts new wave of conversions to Catholic Church. Written by Jonathan Luxmoore

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- über Nazir-Ali: siehe Link
- zum Beitrag: Die Kirchenspaltung in Echtzeit verfolgen: Die Anglikaner zersplittern weiter - Mitgliederstarke GAFCON gibt Einheit mit Anglikanischer Gemeinschaft auf – Letzter Stein des Anstoßes: Designierung von Sarah Mullally zum Erzbischof von Canterbury und damit zum Primas der Anglikanischen Gemeinschaft weltweit

 


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