13. Oktober 2025 in Kommentar
Gerne werden religionssoziologische Erkenntnisse unserer Tage dazu genutzt,die Hände in den Schoß zu legen und den Untergang der Kirche abzuwarten. Der Heilige Geist macht dabei nicht mit und erweckt junge Menschen - Montagskick von Peter Winnemöller
Linz (kath.net)
In der vergangenen Woche machte die seit Mai diesen Jahres veröffentlichte Studie „Was glaubt Österreich?“ der Universität Wien noch einmal Schlagzeilen durch einen bislang zu wenig beachteten Aspekt. Die Studie war von der ORF-Hauptabteilung „Religion und Ethik multimedial“ in Auftrag gegeben worden. Ziel war unter anderem die mediale Verbreitung und Aufarbeitung von Kenntnissen über verschiedene religiöse und nicht-religiöse Lebens- und Glaubenswelten in ganz Österreich mit dem Ziel, einander besser kennen und verstehen zu lernen. Eine der überraschendsten Erkenntnisse der Studie ist die Tatsache, dass die 14- bis 25-Jährigen inzwischen die Altersgruppe mit der höchsten Zustimmung zu religiöser Praxis und Glauben an Gott in Österreich sind. Es handelt sich bei der Studie um eine repräsentative Erhebung, in dessen Rahmen zwischen April und Mai 2024 insgesamt 2.160 in Österreich lebende Personen im Alter von 14 bis 75 Jahren zu ihren Glaubens- und Wertvorstellungen befragt worden sind.
Ganz grob gesagt zeigt die Erhebung deutlich, dass sich die jüngste Altersgruppe hinsichtlich religiöser Auffassungen und Praktiken von den übrigen Teilnehmern unterscheidet. In der von der Studie identifizierten Alterskohorte der 14- bis 25-Jährigen glauben 30 Prozent an Gott (oder eine göttliche Wirklichkeit). Ebenso viele glauben an ein nicht näher definiertes höheres Wesen, eine höhere Energie oder eine geistige Macht. Damit liegt diese Gruppe beim Glauben an Gott oder eine göttliche Wirklichkeit an erster Stelle im Vergleich zu allen anderen Alterskohorten. Verantwortlich für die Studie ist unter anderem die in Wien lehrende Theologin Regine Pollak. Das Projekt läuft bereits seit einiger Zeit und seit einigen Monaten stellt die Theologin, die gemeinsam mit Astrid Mattes-Zippenfenig und Patrick Rohs für die Studie verantwortlich zeichnet, diese Studie in unterschiedlichen Zusammenhängen vor. Studien, Monografien und Aufsätze zur Thematik der nachlassenden oder sterbenden Religiosität in unsere Breiten sind inzwischen an der Tagesordnung. Einer der Theologen, die mit dem Thema Schlagzeilen machte, war Jan Loffeld mit seinem Buch „Wenn nichts fehlt, wo Gott fehlt“. Loffeld hatte festgestellt, dass sich die Menschen für religiöse Fragen nicht mehr interessieren und die Kirche nichts daran ändern könne. Dem widerspricht die Studie in gewisser Weise, wenn sie insbesondere bei jüngeren Menschen ein wachsendes Interesse an Religion (der Begriff wird hier ganz allgemein benutzt) zeigen.
Etwas grob gerastert kann man sagen, dass es in kirchlichen Kontexten ein Konsens ist, dass nicht nur der Glaube der Menschen, sondern auch die Bereitschaft, sich auf den Glauben (hier dann besonders der Glaube der Kirche) einzulassen. Doch auch Jan Loffeld sieht für den Glauben und für die Kirche dort und nur dort eine Chance, wo sie authentisch verkündigt. Was das von Loffeld beschriebene Phänomen für konkrete Pastoral bedeutet, darüber streiten gerade die Gelehrten. Gemeinhin wird Loffelds These für einen Pastoralfatalismus fehlverwendet, der bis weit ins Episkopat reicht und gerne mal als Ausrede fürs Nichtstun oder phantasievolle Reformprojekte genutzt wird.
In der Praxis zeigen gerade in Westeuropa zahlreiche junge Menschen ein erstaunliches Maß an Interesse am Glauben der Kirche. Die Begegnung mit Jesus Christus in der Heiligen Schrift, im Lobpreis, in der Feier der Liturgie und nicht zuletzt in der Anbetung ziehen junge Menschen zur Kirche. In Frankreich manifestiert sich dieser Trend in fast 18.000 Erwachsenentaufen in der Osternacht. Fast 11.000 davon waren Jugendliche oder junge Erwachsene. Die Kirche in Frankreich veranstaltet seit zehn Jahren jährliche Missionskongresse. Man könnte also annehmen, dass man dort vorbereitet ist. Im Prinzip ist das auch so, dennoch stehen die Verantwortlichen staunend vor dem Phänomen. Man habe die Türen weit geöffnet, so ein französischer Bischof, doch die Jugendlichen steigen durchs Fenster ein. Das bedeutet, sie kommen nicht auf den klassischen Wegen über die Angebote der Gemeinden, sondern sie treten direkt auf die Kirche zu. Begegnungen mit dem Glauben finden durch Freundschaften, soziale Medien oder einfach durch Neugierde statt. Als gläubiger Mensch reicht es zu sagen: Der Heilige Geist wirkt. Er ruft die jungen Menschen in der Weise, in der er sie ansprechen kann.
Soziologen, Theologen und die Welt stehen dem Phänomen ratlos gegenüber. Das sicher geglaubte Dogma der stetig fortschreitenden Säkularisierung der Gesellschaft zerschellt an der Lebenswirklichkeit junger Menschen. Allen Träumern vom Erwachen einer Volkskirche sei gleich ein Dämpfer verpasst. Es bleibt bei einigen inzwischen vielfältig beschriebenen Phänomenen. Da ist die Zurückhaltung bei Bindung oder die starke Virtualisierung der Wirklichkeit. Zugleich aber wächst die Suche nach Transzendenz, eine Suche, die nur wenig gerichtet ist. In der Studie aus Österreich sagen 30 Prozent der Jugendlichen, sie glaubten an eine höhere Macht oder Energie. darin steckt natürlich auch sehr viel Neigung zu Esoterik und Aberglaube.
Nachdenklich machen sollte die Tatsache, dass es trotz der fast vollkommen unterlassenen Glaubensunterweisung seit Jahrzehnten an dem Punkt zu einer Trendwende kommt, wo etwas brutal gesagt kein Erwachsener sich mehr an die zehn Gebote Gottes, die fünf Gebote der Kirche oder die Grundgebete erinnert. Der nahezu absolut gewordene religiöse Analphabetismus ist genau der Punkt, an dem die Kurve einen Wendepunkt hat und junge, vom Glauben völlig unberührte Menschen in eine religiöse Suchbewegung führt. Man ahnt schon, wie in der deutschen Kirchensteuerkirche als nächstes überlegt wird, wie man – sollte der Trend nach Deutschland schwappen – das in klingende Münze verwandeln kann. Noch immer ist man – auch in Kreisen von Soziologen – davon überzeugt, dass man nur genug Reformen machen muss, um die Kirche wieder interessant zu machen. Es ist genau das Gegenteil. Besonders konservative, oftmals evangelikale Gruppen oder in der katholischen Kirche die traditionellen Gruppen und Charismatiker (das ist kein Widerspruch) wirken auf junge Menschen anziehend, weil ihr Auftreten und ihre Botschaft kongruent sind. Das macht sie glaubhaft. Die verfasste Kirche hat nicht nur durch den Missbrauchsskandal an Glaubwürdigkeit verloren. Ihre Weigerung offen und offensiv für ihren Glauben – und zwar in ganzer Fülle – einzutreten, lässt sie unattraktiv wirken. Und das gilt von einem Episkopat, das unnahbar abgehoben im wohldotierten und beamteten Elfenbeinturm lebt, bis hin zu verwalteten, versorgten Gemeinden. Wie einladend sind wir wirklich?
Wer – vor allem in größeren Städten – bestimmte Kirchen an Werktagen besucht trifft dort genau zwei Generationen an. Die einen sind über 80, die anderen sind unter 25. Tatsächlich wird es wenig bringen, zu versuchen, diese jungen Menschen in die vorhandenen kirchlichen Strukturen zu integrieren. Das wird mangels Interesse nicht gelingen. Die jungen Menschen, die diese Suchbewegungen auf Jesus Christus zu machen, haben Fragen für ihr Leben. Existenzielle Fragen! Der Weg der Neuevangelisierung – auch unseres Landes – ist jung und hat ein Gesicht, dass wir noch nicht erkennen können. Soziologen mögen sich noch so viel Mühe geben, das zu beschreiben. Es wird nicht gelingen, weil es noch keine fassbaren Kategorien für das Phänomen gibt. Gegenwärtig sehen wir den zarten Beginn. Wir können nicht wissen, wie groß es wird. Wird es eine Massenbewegung oder wird es ein Sauerteig, der in einer ganz eigenen Weise die säkulare Gesellschaft durchgehen wird. „Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Licht der Welt.“ Beides ist nicht zwingend ein Massenphänomen, aber beides ist von unglaublicher Kraft. Nur wenige Körner Salz machen eine ungenießbare Speise zu einem Genuss. Kein Licht, egal wie klein es auch sei, kann von einer Dunkelheit, egal wie finster sie auch sei überdeckt werden. Im Gegenteil ein winziges, fast unendlich kleines Licht kann die Dunkelheit erhellen und den Menschen zum Sehen bringen.
Egal ob eine Studie wie die 6. KMU oder „Was glaubt Österreich?“ oder ein Buch von Jan Loffeld die Zukunft der Kirche eher finster zeichnet oder ein Licht am Horizont erkennt: Wir müssen anerkennen und akzeptieren, dass wir Gottes Pläne erstens nie kennen und zweitens immer unterschätzen werden. Doch da, wie der Heilige Thomas von Aquin lehrt, die Gnade mit der Natur wirkt, ist es unsere Aufgabe, egal in welcher Dunkelheit, authentische Zeugen des Evangeliums zu sein. Wegducken gilt einfach nicht.
Studie „Was glaubt Österreich?“ hier herunterladen: https://wasglaubtoe.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/p_wasglaubtoe/Was_glaubt_OEsterreich_Erste_Tendenzen_Thesen.pdf
Bild oben: Junge Menschen sind besser als ihr Ruf. Jedenfalls sind sie die gläubigste Kohorte in sozialen Studien. Was fehlt, ist die Unterweisung im Glauben. Foto: Pixabay
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