Der Katechismus: Reiseinstrument der Wahrheit

30. September 2025 in Aktuelles


Orientierung in einer Zeit des Relativismus. Paideia christiana - die Schule der Wahrheit, Freiheit und Liebe. Wider Sinnverlust und Fragmentieren. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Wenn Papst Leo XVI. in seiner Predigt zur Heilig-Jahr-Feier der Katecheten am 28. September 2025 den Katechismus der Katholischen Kirche als „Reiseinstrument“ bezeichnet, so steckt darin eine doppelte Aussage: Der Katechismus ist nicht bloß eine Sammlung von Lehren, sondern er ist eine lebendige Wegweisung, die das Volk Gottes gemeinsam auf der Pilgerschaft des Glaubens begleitet. Er schützt vor Vereinzelung und Streit, weil er nicht die Meinung einzelner wiedergibt, sondern die Stimme der ganzen Kirche trägt. Damit knüpft er an das Anliegen an, das der heilige Johannes Paul II. 1992 mit der Promulgation des Katechismus verfolgte: eine organische, verlässliche und in sich geschlossene Darstellung des katholischen Glaubens, aufgebaut auf den vier Grundpfeilern - dem Bekenntnis des Glaubens, der Feier der Sakramente, dem Leben in Christus und dem Gebet. In diesem Sinn ist er ein „Kompendium der lebendigen Überlieferung“, ein Maßstab, der nicht uns gehört, sondern der uns vorausgeht und uns trägt.

Seine Bedeutung erschöpft sich nicht in der Didaktik. In einer Zeit, in der Relativismus, praktischer Materialismus und nihilistische Sinnlosigkeit das kulturelle Klima bestimmen, soll der Katechismus zu einem Bollwerk gegen die Auflösung des Menschlichen werden. Er bezeugt, dass die Wahrheit nicht ein bloßes Gefühl ist, sondern die Wirklichkeit selbst, die den Menschen trägt und ihm Sinn gibt. Die Wahrheit ist größer als wir, erklärte einmal Kardinal Joseph Ratzinger, und nur indem wir uns ihr öffnen, werden wir frei (vgl. Glaube, Wahrheit und Toleranz, 2003). Der Katechismus erinnert an die Würde des Menschen, die nicht aus Leistung oder Konsum stammt, sondern aus seiner Berufung zur Gemeinschaft mit Gott.

Hier tritt die Dimension dessen hervor, was  paideia christiana genannt werden kann, jener christlichen Bildungsidee, die die abendländische Kultur tief geprägt hat. Schon die antike paideia zielte auf die Formung des ganzen Menschen. Im Christentum jedoch vollendet sie sich, weil sie den Menschen nicht nur intellektuell und ethisch, sondern geistlich und aus Gott herausin der neuen Schöpfung erneuert. Der Katechismus ist Ausdruck dieser „paideia theologica“: Er erzieht zur Wahrheit, befreit zur Liebe und führt zur inneren Einheit des Lebens. Der Katechismus ist das bevorzugte Werkzeug für eine solche Einführung in die Realität des Glaubens.

Deshalb ist er nicht ein Relikt aus der Vergangenheit, sondern eine lebendige Stimme für die Gegenwart. Er stellt den Glauben dar als eine Wahrheit, die die Vernunft erleuchtet und die Freiheit leitet. Der Glaube ist kein Gepäck, sondern Flügel, so Benedikt XVI. im Jahr 2005. Wer den Katechismus liest und nutzt, findet keine abstrakten Theorien, sondern Antworten auf die Fragen nach dem Sinn, nach der Gerechtigkeit, schließlich nach dem Glück. Er ist verständlich sowohl für Theologen als auch für Laien, für Suchende ebenso wie für Glaubende. In einer Welt, in der der Sinn des Heiligen und die Wahrnehmung des Transzendenten immer schwerer und flüssiger geworden zu sein scheint, wird der Katechismus zur Kompassnadel. Er ist kein von außen auferlegtes Gesetzbuch, sondern eine kohärente Erzählung der christlichen Wahrheit, die das Leben erhellt. So wird wahr, was Johannes Paul II. 1998 in Fides et Ratio formuliert hatte: „Glaube und Vernunft (Fides et ratio) sind wie die beiden Flügel, mit denen sich der menschliche Geist zur Betrachtung der Wahrheit erhebt“. Benedikt XVI. erweiterte diesen Gedanken  später: Wenn Gott fehlt, fehlt der Kompass, der das Ganze zeigt. Dann bleibt nur die Technik, die Macht des Machbaren, am Ende der Absturz. Der Katechismus ist in diesem Bild das Instrument, das hilft, den Flug in der Weite der Wahrheit zu wagen - gegen den Strom einer Kultur, die den Menschen immer wieder zur Erdenschwere zurückziehen will.

Rückkehr zum Katechismus bedeutet deshalb nicht Rückschritt, sondern Heimkehr zur Quelle. Er ist eine Einladung, die Wurzeln neu zu entdecken: die Wahrheit, in der der Mensch sich selbst findet, und die Berufung, die über das bloß Irdische hinausführt. Denn nur wer die  Wahrheit kennt, kennt auch das Gute, und nur wer das Gute kennt, ist wirklich frei. Der Katechismus ist kein „Gefängnis“, sondern eine Öffnung in die Weite der Wahrheit. Tradition ist der lebendige Strom, in dem die Ursprünge immer neu gegenwärtig werden.

In jeder Zeit und besonders in einer Zeit der Verwirrung und Orientierungslosigkeit ist der Katechismus also, wie Papst Leo XIV. zusammen mit dem heiligen Augustinus sagt („Halte deinen Vortrag so, dass dein Schüler durch Hören zum Glauben, durch den Glauben zur Hoffnung, durch die Hoffnung aber zur Liebe gelange“ (De catechizandis rudibus, 4, 8),  das „Reiseinstrument“, nicht irgendein Handbuch, sondern das Zeugnis des Glaubens der Kirche, das die Herzen weitet und den Weg zur Wahrheit weist.

 


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