Kardinal Müller: „Man könnte sich fragen: Was ist das Wesentliche dieser Verklärung Jesu Christi?“

18. September 2025 in Spirituelles


Emeritierter Präfekt der Glaubenskongregation: „Die ‚Verklärung‘ Jesu war so radikal, dass sie bei den Aposteln intensive spirituelle Erfahrungen hervorrief.“


Krasnopol (kath.net) kath.net dokumentiert die Predigt von Gerhard Ludwig Kardinal Müller (Archivfoto) zum Fest der Verklärung des Herrn in Krasnopol (Nordostpolen), 10. August 2025 in voller Länge in eigener Übersetzung – Arbeitsübersetzung © kath.net

Lieber Pfr. Jan! Liebe Priester! Geliebte Schwestern und Brüder in Christus, dem Herrn!

Ich freue mich sehr, die Verklärung des Herrn mit Ihnen hier in Krasnopol zu feiern. Letzten Mittwoch war das liturgische Fest dieses Ereignisses, an dem wir von der Verklärung Jesu Christi auf dem Berg Tabor lasen. Der fast 600 Meter hohe Berg Tabor liegt im Norden Israels, in der Nähe von Nazareth. Der Überlieferung nach wurde Jesus hier vor den Augen seiner drei Jünger verklärt. Seine „Verklärung“ war so radikal, dass sie bei den Aposteln intensive spirituelle Erfahrungen hervorrief. Petrus drückte dies mit folgenden Worten aus: „Meister, es ist gut, dass wir hier sind. Wir wollen drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elija. (Lukas 9,33)

Man könnte sich fragen: Warum wird die Passage aus dem Evangelium über die Verklärung Jesu auch am zweiten Fastensonntag gelesen? Die einfachste Antwort lautet: Weil die Fastenzeit eine Zeit besonderer Wandlung für die Menschheit ist. Es sind Tage der „Metanoia“, eines radikalen Wandels im Denken, einer Wandlung des menschlichen Herzens. Diese Wandlung verbindet diese beiden Abschnitte des Kirchenjahres.

Man könnte sich daher fragen: Was ist das Wesentliche dieser Verklärung?

Erstens: ein Glaube, der keine Grenzen setzt. Ein Glaube an das Bild und Maß Abrahams. „Abram glaubte das rechnete er [der Herr] ihm als Gerechtigkeit an.“ Gott wendet dasselbe Prinzip auf jeden Menschen an, der den Mut aufbringt und vollkommen glaubt. Er schließt mit jedem einen Bund. Abram erhielt die Verheißung „dieses Land vom Strom Ägyptens bis zum großen Strom, dem Eufrat-Strom“. Dem Christen wird eine noch größere Verheißung versprochen – das Reich Gottes. Welche größere Verheißung kann Gott geben?

Auf Erden sind wir nur Pilger. Das Ziel unserer Reise ist nicht hier. Alles Irdische wird vergehen. Sowohl das Gute, das Freude, Zufriedenheit und Erfüllung bringt, als auch das Böse, Unangenehme, Gefährliche oder Schwierige.

Die Verklärung Jesu auf dem Berg Tabor war eine Vorwegnahme der Auferstehung. Sie kündigte die Verwandlung Christi an. Nach der Auferstehung unterschied sich sein Körper von dem eines Menschen. Jesus trat trotz verschlossener Türen ein, er erscheint und verschwindet und er gibt sich mal zu erkennen, ein andermal nicht. Eines der Zeichen seiner Verklärung war ein weißes Gewand, genau wie nach der Auferstehung. Weiß wird mit Reinheit und Unschuld assoziiert. Die Taufe reinigt den Menschen. Sie löscht die Erbsünde aus und, wenn ein Erwachsener sie empfängt, auch alle anderen Sünden, die er in seinem Leben begangen hat.

Der Text selbst spricht von Verklärung: „Transfiguratio Domini“. Das bedeutet, dass etwas unverändert bleibt und sich gleichzeitig verändert. Es handelt sich nicht um einen anderen, fremden Jesus, sondern um die Offenbarung einer „erweiterten Gestalt Jesu“ – so könnte man es beschreiben. Das Vertraute und Alltägliche wird erhöht, erweitert. Etwas, das im Grunde schon immer da war, scheint durch und strahlt in diesem Moment so kraftvoll, dass alles andere davon in den Schatten gestellt und dadurch sogar inhaltlich verändert wird.

Die Verklärung Jesu beginnt im Inneren – in der Tiefe seiner Seele. Er zieht sich auf einen Berg zurück, um zu beten. Dort vollzieht sich die Verklärung. Die Gestalt Jesu wird so transparent, dass die andere Seite der Welt durchscheint: seine himmlischen Ursprünge: Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen. Es klingt die Geschichte Israels an: Mose, der das Gesetz bringt, und Elija, der größte der Propheten – diejenigen, die Gott sahen, ohne zu sterben – erscheinen.

Das heutige Evangelium steht zwischen zwei Ankündigungen des Leidens Jesu. „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“ In seinem Bericht von der Verklärung berichtet Lukas, dass auch hier die Jünger einschliefen, während Jesus betete. Dies erinnert an die bewegende Szene auf dem Ölberg.

Vielleicht ist dies die Verklärung: ein innerlich strahlendes Leben im Schatten der göttlichen Wirklichkeit. Gott ist uns in der Dunkelheit nahe – was nicht unbedingt bedeutet, dass wir seine Gegenwart wahrnehmen. Er drängt sich nie auf und offenbart seine Göttlichkeit nur im Licht der Liebe, das sich erst in der Spannung eines flüchtigen und verletzlichen Lebens öffnet. Was bleibt, ist der Glaube: anmutig praktiziert in Licht und Freude, schmerzlich geläutert und verwirklicht in Dunkelheit und Leid.

In Verwandlung und Herrlichkeit sind wir Menschen nach dem Bild Gottes. Manchmal ist dies bei manchen Menschen erkennbar. Die Wolke ist dann die Ursache des Lichts, das von innen kommt. In diesem Zusammenhang ist Ostern das wahre Passah, das heißt der Übergang des Herrn, ein Übergang in die Liebe.

Die zentrale Botschaft des heutigen Festes lautet daher: Die Jünger erfahren, dass Christus der Sohn Gottes ist. Während der „Verklärung Jesu“ erhalten sie Einblick in seine verborgene Identität: Er strahlt wie die Sonne, ein Zeichen seiner Göttlichkeit. Und das Licht, das von ihm ausgeht, ist stärker als die Finsternis. Das bedeutet, dass Jesus von den Toten auferstehen und in der Herrlichkeit Gottes leben wird.

Die Verklärung erinnert uns an die wichtigste menschliche Frage: Warum leben wir? Nur um Glück in Gott zu erlangen.

Lasst uns heute besonders zum verklärten Christus beten, dass er uns die Kraft zur Verwandlung schenkt, uns Kraft für unsere täglichen Bemühungen gibt und uns auf dem Weg führt, der zu dieser endgültigen Verwandlung im Himmel führt. AMEN


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