Verschwörungstheorien im „Monitor“: „Gotteskrieger: AfD und radikale Christen“

18. August 2025 in Kommentar


Das ARD-Magazin hat versucht, den Schriftsteller Dan Brown zu kopieren. Was dabei rauskam, war weniger als eine politische Schmierenkomödie - Analyse einer misslungenen öffentlich-rechtlichen Sendung - Montagskick von Peter Winnemöller


Berlin (kath.net/pw) Ein Beitrag des Magazins Monitor unter dem sonderbaren Titel „Gotteskrieger: AfD und radikale Christen“ bewegt gerade die Gemüter. Die Story: Mächtige, milliardenschwere, supervernetzte, ultrarechte Christen haben durch eine fiese Kampagne die Wahl einer hehren Lichtgestalt zur Bundesverfassungsrichterin verhindert. Im Narrativ des Monitorbeitrages hat es so was noch nie gegeben. Wahlen zu Verfassungsrichtern seien doch in der Vergangenheit immer ruhig und ohne Widerstände verlaufen. Damit belügen die Macher dieses Beitrags ihre eigene Klientel. Der Doktorvater von Frauke Brosius-Gersdorf, Horst Dreier, fiel im Jahr 2008 aus demselben Grund – Relativierung der Menschenwürde – als Kandidat für das Bundesverfassungsgericht durch. Schon allein mit diesem Faktum ist der Beitrag von Monitor maximal unglaubwürdig. Insgesamt kommt alles wie eine wilde Verschwörungstheorie daher.

Der Anfang des Beitrags, düstere Bilder mit Kerze, Kreuz und Kreuzwegdarstellung, bieten Anmutungen an finsterste Dan Brown-Romane. Es folgt eine Erzählung in vier Kapiteln, die alle Verdächtigen in einen Topf rührt: Lebensrechtler, katholische Medien, die AfD und natürlich Donald Trump. Der Gegner ist eine arme Frau, die versucht, Verfassungsrichterin zu werden. 

Es gehört zum verlogenen Narrativ des Monitorbeitrages, die Konfliktlinie, die äußerst problematische Relativierung der Menschenwürde aus Artikel 1 des deutschen Grundgesetzes nicht einmal anzureißen. Stattdessen sind es böseböseböse konservative Medien, die eine Kampagne gegen die Juristin reiten. 

Die Story ist klar. Die ethischen Konfliktlinien werden von Monitor verschwiegen, und damit wird der Zuschauer über den Kern des Konflikts glatt belogen. In einem Screenshot taucht übrigens auch kath.net auf, welches damit ganz offensichtlich zu den Treibern der Kampagne gezählt wird.

Auftritt: Die Spinne im Netz. Vorsichtig wird angedeutet, dass es ein mächtiges, konservativ-christliches Netzwerk gibt, in deren Mitte die stellvertretende Vorsitzende der AfD-Fraktion, Beatrix von Storch, sitzt. Um der Absurdität nun einen weiteren Spin zu geben, werden christliche Meinungsmacher mit willkürlichen Auszügen aus ihren Statements eingeblendet, darunter die Chefredakteurin der Tagespost, Franziska Harter, oder der Leiter des Augsburger Gebetshauses, Johannes Hartl. Auch Matthias von Gersdorff, katholischer Publizist und YouTuber, wird eingeblendet. Ebenfalls kommt Tobias Riemenschneider von der Evangelisch-Reformierte Baptistengemeinde Frankfurt zu Wort. Natürlich dienen die Einblendungen nicht dazu, die Argumente der Protagonisten zu beleuchten, es geht nur darum, Effekte zu erzielen. Klarer Fall, diese rechten Christen stecken alle unter einer Decke. 

Ein Kompliment macht der Leipziger Religionssoziologe Gert Pickel dem vermeintlichen Netzwerk: Die Kampagnefähigkeit sei gewachsen. Das ist immerhin die ermutigende Nachricht, auch wenn Monitor sie als bedrohlich framt. Wenn es inzwischen möglich ist, liberale, konservative, christliche und bürgerliche Gruppierungen dazu zu bringen, gemeinsam ein politisches Ziel zu verfolgen und damit erfolgreich zu sein, dann ist das ein Grund zur Hoffnung. Doch Monitor zieht den nächsten Vorhang auf und zeigt den reichlich fantasievoll interpretierten Zusammenhang zwischen Beatrix von Storch und den USA. Vermutlich wird man Donald Trump demnächst die Ehrenmitgliedschaft in der AfD anbieten. 

Der nächste Fokus richtet sich auf die internationale Bewegung ADF, die weltweit zahlreichen Christen in Bedrängnis geholfen hat. Man lausche auf das Framing: eine erzreligiöse Organisation für angeblich christliche Interessen. Tenor auch hier: Ganz, ganz böse fundamentalistische Organisation, die natürlich Seite an Seite mit erzkonservativen Predigern und – wie sollte es anderes sein – Donald Trump einherschreitet. Gar grausam kippten US-Richter das – frei erfundene – Recht auf Abtreibung. Unnötig zu erwähnen, dass es niemals ein Recht geben kann, einen Menschen zu töten. 

Es geht im nächsten Schritt gegen den Marsch für das Leben. International ist dies eine der bedeutendsten Menschenrechtsinitiativen, die natürlich der linken Abtreibungslobby ein Dorn im Auge ist. Der böseböse Donald Trump geht da ebenso mit wie Beatrix von Storch. Und mehr noch, das Ehepaar Beatrix und Sven von Storch stehen, wie die Grafik oben zeigt, im Mittelpunkt eines ultrasupermächtigen Netzwerkes aus Medien, ultrareichen Stiftungen und natürlich den heftig-supermächtigen Lebensschutzbewegungen. 

Allein die von Monitor dilettantisch zusammengeschusterte Grafik ist so ein Unfug, dass der Verfasser dieser Zeilen beim Betrachten vor Lachen vom Stuhl fiel. Wer sich nur rudimentär in der Szene auskennt, kapiert spätestens hier: Die Monitorredaktion verbreitet krude Verschwörungstheorien. Die eingezeichneten Beziehungslinien sind zum größten Teil blanke Fantasie von unwissenden Fantasten. Recherche sieht anders aus. Aber – das wird spätestens hier klar – darum geht es gar nicht. 

Auftritt Neil Datta! Der Abtreibungsaktivist machte erst jüngst mit einem EU-Bericht von sich reden. Dieser sogenannte Bericht deckt angeblich rechte christliche Netzwerke auf und zeigt deren angebliche oder wirkliche (so genau nimmt man es damit nicht) Beziehungen zu rechten politischen Bewegungen und (Tusch!) der Lebensschutzbewegung. Diese, so Datta, habe in den Jahren 2019 bis 2023 mindestens 1,18 Milliarden Euro erhalten. Datta verschweigt natürlich die Milliardenfinanzierung seiner eigenen Organisation, Europäisches Parlamentarisches Forum (EPF), die die Tagespost in einem umfassenden Artikel erst jüngst offen gelegt hatte. Hier geben sich UN, EU und weltweite Abtreibungslobbyisten finanziell die Klinke in die Hand. Hier geht es echt um Milliarden, die Pro Abtreibung eingesetzt werden. 

Es folgt das Crescendo des verschwörungstheoretischen Beitrages: Beatrix von Storch wird dem unbedarften Zuschauer als Mittelpunkt der Lebensrechtsbewegung präsentiert. Und nun wird es wirklich lustig! Monitor macht Beatrix von Storch nicht nur zu einer zentralen Figur im Netzwerk selbsternannter Lebensschützer. Nein, nicht Beatrix von Storch geht mit Tausenden Demonstranten auf die Straße, es ist umgekehrt. Tausende gehen mit Frau von Storch. Datta darf in dem Beitrag von Monitor seine auch schon im EPF-Bericht aufgebaute Szenerie mächtiger und bedrohlicher rechter Christen, Lebensschützer und rechter Parteien ausfalten. Das Ende bildet der vierte und letzte Akt des Monitor-Dramas. Die AfD will an die Macht und veranstaltet dazu eine Strategieklausur. Federführend hier: Beatrix von Storch. Das Abschlussszenario liefert wieder der Leipziger Religionssoziologe, der seine These von der gewachsenen Kampagnefähigkeit wiederholt und darüber fantasiert, dies könne die Protagonisten der Kampagne ermutigen. Düstere Bilder von sonderbaren Glocken und einer erlöschenden Kerze runden das Dan-Brown-Feeling der Sendung ab. 

Genug gegruselt. Gehen wir zurück ins wirkliche Leben jenseits irrelevanter öffentlich-rechtlicher Verschwörungstheoretiker und deren blühender Phantasie. Da ist zum einen die Personalie Beatrix von Storch. Egal, welche Ansichten die AfD-Politikerin im Einzelnen vertritt und wie diese zu beurteilen sind, das ist hier nicht das Thema. Uneitel und bescheiden nimmt Frau von Storch Jahr für Jahr am Marsch für das Leben teil. Sie steht dort weder im Mittelpunkt noch auf dem Podium noch an der Spitze beim Schweigemarsch. Sie hat dort keine Funktion und keinen Einfluss. Das in der Grafik des Beitrags gezeigte familien-politische Netzwerk der von Storchs existiert zwar, hat aber mit dem Thema des Beitrags gar nicht zu tun. 

Für die öffentlich-rechtlichen Märchenerzähler war es gut genug, ihr Narrativ zu untermauern. Veranstalter des Marschs für das Leben ist der Bundesverband Lebensrecht, der Dachverband der Lebensrechtsbewegungen. Weder der Dachverband noch einzelne der teilnehmenden Verbände stehen in einer Beziehung zur AfD oder einer anderen politischen Partei. Einzige Ausnahme: Die Christdemokraten für das Leben (CDL) stehen (verständlicherweise) der CDU nahe. Zu der im Beitrag erwähnten üppigen Finanzierung äußerten mehrere Vertreter der einschlägigen Verbände die Frage, wo dieses Geld denn sei. Es dürfte klar sein: Verfügte die Lebensrechtsbewegung in Deutschland über so viel Geld wie im Beitrag behauptet, dann hätten wir das Elend der Abtreibung aus der deutschen Wirklichkeit längst verbannt. 

Was Monitor tunlichst verschweigt, ist der eigentliche Kern der Debatte, nämlich die Frage nach der untrennbaren Menschenwürde. Hier haben sich verschiedene Verbände und Organisationen aus dem christlichen, liberalen und bürgerlichen Spektrum in der Tat kampagnefähig gezeigt und es ist gelungen, die Debatte in alle relevanten Bereiche der Öffentlichkeit zu tragen. Im Feuilleton wie auch im Boulevard, in der Kirche wie auch im Parlament, in der Politik aber auch in der Wissenschaft wurde die Debatte geführt und mit erst jüngst erschienenen Beiträgen, darunter auch der Theologe Thomas Söding, der in seinem Beitrag unter anderem die frühe und klare Festlegung des ZdK gegen die Position von Brosius-Gersdorf in der FAZ verteidigt hat, zeigt sich nur zu deutlich, dass die Debatte noch nicht zu Ende ist. 

Das ist, neben der verhinderten Wahl der Rechtswissenschaftlerin Brosius-Gersdorf zur Bundesverfassungsrichterin, die gute Nachricht: Es kann noch oder wieder gelingen, bürgerlichen und christlichen Positionen in der Öffentlichkeit Gehör und Geltung zu verschaffen. Dass dies der lange Zeit schmerzlich dominanten gesellschaftlichen Linken Bauchschmerzen bereitet, vermag bei Bürgerlichen ein angenehmes Gefühl auszulösen. Bedauerlich ist lediglich, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen sich an einer unterirdisch schlechten Dan Brown-Kopie versucht hat. Bei einer Körperschaft des öffentlichen Rechts mit einem Budget von über 9 Millionen Euro könnte man erwarten, dass diese das Original für einen abendfüllenden Film zu verpflichten in der Lage wären. Das hätte zwar keinen höheren Wahrheitsgehalt gehabt, aber deutlich mehr Unterhaltungswert.

Bild oben: Die sachlich und inhaltlich falsche Skizze zeigt nicht nur ziemlich erfundenes Beziehungsgeflecht, sie ist zudem ein Beleg für dramatisch schlechte Recherche. Foto zur Dokumentation (c) Monitor/Screenshot YouTube


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