4. August 2025 in Kommentar
"Wie in jedem Jahr hat die Deutsche Bischofskonferenz vergangene Woche ihr Zahlenwerk 2024/2025 in einer Hochglanzbroschüre veröffentlicht. Die Zahlen mögen spannend sein, weitaus spannender ist, was im Text steht." Montagskick von Peter Winnemöller
Bonn (kath.net)
Beim ersten Blick auf die Broschüre „Katholische Kirche in Deutschland. Zahlen und Fakten 2024/25“ sieht man ein Bild von Besuchern beim Katholikentag in Erfurt hinter der „WIR“-Installation. Schon allein bei diesem „WIR“ entsteht ein ungutes Gefühl, da das gegenwärtige Klima in der Kirche doch eher ein „Wir und die“ ist. Die vorgegaukelte Harmonie und Einheit entsprechen dem Grunde nach keiner Wirklichkeit. Selektive Kommunikation (vgl. Montagskick v. 28.7.2025), Abschied von christlicher Anthropologie, Abschied vom christlichen Familienbild zu Gunsten einer Lehre der Vielfalt (vgl. Montagskick v. 30.6.2025) und vieles anderes mehr ziehen derzeit tiefe Gräben durch die Kirche. Die Probleme der Kirche sind mit wenigen Worten beschrieben: Austritte, Glaubensschwund, Relevanzverlust. Weniger Priester, weniger Taufen, weniger christliche Bestattungen, weniger Gläubige. Liest man das Vorwort des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, so versucht dieser den Eindruck einer Einsicht zu vermitteln, wenn er schreibt: „Wir mochten hier nichts beschönigen und nennen deshalb alle Zahlen, auch die für uns kritischen.“ So weit, so gut. Trotzdem bescheinigt er „den Kirchen“, auch wenn ihnen nun nur noch unter 50 Prozent der Bevölkerung angehören, eine starke Stimme zu sein. Er nennt dazu die Attribute „pastoral, politisch und gesellschaftlich“, mit denen sich diese Stimme manifestiere. Nun ist es kein Geheimnis, dass die Kirche in Fragen von Lebensrecht und Bioethik besonders in jüngster Zeit – von wenigen bischöflichen Ausnahmen abgesehen – einen Totalausfall darstellt. Man erinnere sich an die Debatte um die Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht Frauke Brosius-Gersdorf und deren Verständnis selektiver Menschenwürde. Der Vorsitzende beschied sich damals mit einer freundlichen Note: Die Kandidatenauswahl sei Sache der Politiker. Nein! Es ist Sache der Bischöfe auch in diesen Fragen eine ethische und moralische Orientierung (vgl. Montagskick v. 21.7.2025) zu geben, denn diese kann sich der säkulare Staat nicht selbst geben.
Nebenbei bemerkt ist die Verwendung des Wortes Kirche im Plural, ohne dies sachgerecht zu begründen, ein Zeichen äußerst prekärer Ekklesiologie (vgl. Erklärung Dominus Jesus Nr. 17). In fünf Punkten erklärt der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, wofür sich die Kirche in Deutschland einsetzt. Als Erstes nennt Bätzing den Einsatz für die Demokratie, es folgt der Einsatz für das Leben, ferner Seelsorge und Sozialwesen, Einsatz für die Welt (gemeint ist der Einsatz für Flüchtlinge) und last not least, für die Weltkirche. Unter dem letzten Punkt wiederholt der Vorsitzende der deutschen Bischöfe sein Mantra, er widerspreche der Behauptung, man ginge mit dem Synodalen Weg separate Wege, die nicht im Einklang mit der weltweiten Kirche stünden. Wenn man es sich selbst nur oft genug sagt, glaubt man es irgendwann. Die zahlreichen Stoppschilder aus Rom, die man ohne Zögern und Zaudern überfahren hat, sind natürlich nur dem Umstand geschuldet, dass man in der Weltkirche die Genialität der anderskatholischen Teutonen nicht versteht. Sehr bedauerlich. Wer sich die Wirklichkeit der Kirche in Deutschland ansieht, kommt nicht umhin, von einem schmutzigen Schisma zu reden. Schaut man sich die skandalösen Vorgänge rund um die Verleihung des Josef-Pieper-Preises an Bischof Robert Emmet Barron am vergangenen Sonntag in Münster an, kann man einfach nicht übersehen, wie tief der Graben ist, der die kirchlichen Lager in Deutschland voneinander trennt.
Die Broschüre der Deutschen Bischofskonferenz framt natürlich die große harmonische Einheit herbei. Keine Frage, die Caritas leistet in den allermeisten Fällen gute und professionelle Arbeit. Mit ihren 740.000 hauptberuflichen Mitarbeitern. Dazu kommen rund 500.000 Freiwillige. Der Verband betreibt über 25.000 Einrichtungen. Die Caritas ist ein Megaplayer unter den deutschen Sozialkonzernen. Allein diese Zahlen zeigen, dass eine Kirche mit schwindender Bedeutung in der Gesellschaft eine solche Zahl von Mitarbeitern nicht aus den Kreisen gläubiger, praktizierender Katholiken rekrutieren kann. Es ist immer spannend, Zahlen querzubürsten. Die Zahl der sonntäglichen Gottesdienstbesucher beträgt im Durchschnitt 1,3 Millionen. Leider wird hier kein Durchschnittsalter erhoben. Die erdrückende Mehrheit der Messbesucher ist im Rentenalter. Insofern lässt sich leicht zeigen, dass die Kirche ihre Caritas dichtmachen könnte, wäre sie auf bekennende und praktizierende Gläubige angewiesen. Wer sich fragt, warum die Kirche ständig an ihrem Arbeitsrecht bastelt und inzwischen keinen Wert mehr auf katholische Lebensführung ihrer Mitarbeiter legt, findet hier die Antwort. Zahlen können eben auch verräterisch sein. Verräterisch ist auch, welche Zahlen man nicht nennt. Der Umsatz der Caritas Deutschland betrug im Jahr 2023 beachtliche 244 Millionen Euro. Die Bilanzsumme im selben Jahr belief sich auf 337 Millionen Euro. Eine ältere Zahl ist die Schätzung des Gesamtumsatzes aller Caritaswerke, die sich dem Kirchenkritiker Carsten Frerk zufolge im Jahr 2002 auf 25 Milliarden Euro belief. Hinsichtlich der Betonung der Bedeutung der Hilfe für Migranten, die zum großen Teil auch den Werken der Caritas obliegt, ahnt man hier das Ausmaß, in dem die Kirche an der Migration wirtschaftlich profitiert.
Auch in der Aufzählung des Vorsitzenden der Bischofskonferenz zu den Einsatzfeldern der Kirche vermag zu beeindrucken, was nicht gesagt wird. Der Einsatz der Kirche für Demokratie ist im Wesentlichen die Teilnahme der Kirche am sogenannten „Kampf gegen Rechts“, und damit eigentlich ein Einsatz für „UnsereDemokratie“ zu Lasten der freiheitlich-demokratischen Grundordnung unseres Landes. Hier entpuppt sich ein Teil der Körperschaft Kirche als eine linke NGO unter vielen. Das gilt nicht für alle Glieder der Kirche und erst recht nicht für alle Seelsorger. Man kann die Bestrebungen allerdings nicht vollends ausblenden. Hinsichtlich des Einsatzes für das Leben erweisen sich Teile des deutschen Episkopats leider als ein peinlicher Totalausfall. Dass dem Vorsitzenden der deutschen Bischöfe dazu in seinem Vorwort nur die „ökumenische christliche Patientenvorsorge“ einfällt, ist sprechend. So wichtig diese sein mag, gesellschaftlich wird währenddessen sehr ernsthaft der Paragraf 218 in Frage gestellt und mit ihm die Würde und der Schutz des ungeborenen menschlichen Lebens.
Was wird nicht gesagt? In Deutschland verlassen Jahr für Jahr Hunderttausende die Kirche. Macht man sich Gedanken, wie man diese ansprechen und zur Umkehr bewegen kann? Die Zahl der Trauungen, Taufen und Beerdigungen geht massiv zurück. Zwar betont der Vorsitzende die Seelsorge, doch diese zieht sich bundesweit aus der Fläche zurück. Macht man sich Gedanken zu dieser Entwicklung? Papst Franziskus hatte den Deutschen in seinem Schreiben an das pilgernde Volk Gottes aus dem Jahr 2019 auferlegt, einen Fokus auf die Neuevangelisierung zu legen. Es gibt, vor allem im süddeutschen Raum und in Österreich, zahlreiche Bewegungen, die sich diesen Aspekt auf die Fahnen geschrieben haben. Auf Seite 73 der Broschüre widmet sich ein winziger, schmallippig formulierter Absatz den geistlichen Gemeinschaften, Bewegungen und Initiativen. Kein einziger Satz zur Neuevangelisierung. Obwohl so viel Wert auf Ökumene gelegt wird, ignoriert man ökumenische Projekte, wie das Gebetshaus Augsburg, das mit seinem MEHR-Festival alle zwei Jahre eine fünfstellige Teilnehmerzahl auf die Beine bringt, ebenso wie die UNUM-Konferenz in München, an der auch ein katholischer Bischof teilnahm. Auch Ereignisse wie die Adoratio oder die sagenhafte, inzwischen bundesweite Pfingstaktion von Loretto finden in keiner Zeile Erwähnung. Das Nichtgesagte, das Ausgegrenzte, das Ausgeklammerte – oder kurz gesagt alles, was die verfasste Kirche in Deutschland cancelt, das ist das, was für einen gläubigen Katholiken interessant ist. All das, was die millionenschwere Medienarbeit der deutschen Bischöfe nicht beachtet, ist für Gläubige beachtlich. Denn dort macht man sich Gedanken darum, wie man das Evangelium verkündet, also letztlich um das, was tatsächlich der Auftrag des Herrn an seine Kirche war und ist.
Mag die jährlich von der DBK verbreitete statistische Langeweile für politische Beobachter und Kolumnisten von Bedeutung sein. Der gewöhnliche Katholik kann sie locker links liegen lassen. Dass wir Jahr für Jahr rund 200 Pfarreien in Deutschland verlieren, ist kaum noch eine Notiz wert. Es sei hier einmal erwähnt. Im Jahr 1990 hatten wir in Deutschland 13.000 Pfarreien, 20 Jahre später waren es noch 11.000 und im Jahr 2024 hatten wir noch 9.200 Pfarreien. Seit 2010 hat sich die Zahl der Firmungen fast halbiert. Interessiert es einen der deutschen Bischöfe? Scheinbar nicht. Für Katholiken ist das statistische Werk der deutschen Bischöfe nichts als ein trauriges Dokument einer ganzen Reihe untergehender Bistümer. Eines nicht allzu fernen Tages wird womöglich ein afrikanischer Weihbischof seinen Firmlingen auf einer Karte zeigen, wo sein Titularbistum liegt: „Hier, im deutschen Bundesland Hessen, da wo die Bankenstadt Frankfurt ist, ganz in der Nähe, da liegt die einstmals blühende Bischofsstadt Limburg.“
Bild oben: Auch ein Bischof traut keiner Statistik, die nicht selbst gefälscht hat, wie das berühmte Bonmot andeutet. Foto: Peter Winnemöller mit AI hergestellt.
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