Brauchen wir zum Erkennen von Menschenwürde Juristen?

5. August 2025 in Prolife


Was sagen die Fakten? - Gastkommentar von Dr.rer.nat. Christina Agerer-Kirchhoff - Biologin und Mitarbeiterin der Arbeitsgemeinschaft Lebensrecht München


München (kath.net)

Lebensrecht und Menschenwürde sind zwei Begriffe, die in letzter Zeit zu Recht alle politisch und religiös Interessierten beschäftigten. Einige Juristen wollen uns weismachen, dass Menschenwürdegarantie etwas anderes sei als Menschenwürde, dass mit der Verneinung von Menschenwürde das Lebensrecht nicht angetastet sei, dass die Abstufung von Lebensrecht und vorgeburtlichem Schutz jedoch etwas völlig Eigenes und demokratisch Abstimmbares sei.

Sie, die Juristen, hätten das sichere Werkzeug, um aus den Dilemmata des Abtreibungsstreites  mit den richtigen Formeln eine „zeitgemäße und moderne“ Gesetzgebung zu machen und diese  auch „unkonventionell“ voranzutreiben.

Hier müssen wir Engagierten, auch wir Naturwissenschaftler, aufhorchen.

Ziel dieser – meistens - Juristinnen: Abtreibung „entkriminalisieren“, zur normalen Kassenleistung machen,  wohnortnah und flächendeckend vorzuhalten, völlig in die behauptete „Selbstbestimmung“ der Frau zu verlagern. Möglichst bis in die weit fortgeschrittene Schwangerschaft hinein.

Wie soll das zu unserem im GG festgeschriebenen Recht auf Leben passen? Klare Sache: Man lässt die Menschenwürde und damit das Menschsein erst mit der Geburt  beginnen! Das wollten auch Harris und ihr Running Mate Walz so. Man unterschied dort einfach  in real human beeings und not real human beeings. So einfach ist das.

Aber geht das so? In Amerika wenigstens hat man dieses Denken abgestraft!

Blicken wir auf die biologischen Fakten:

Jeder Mensch  hat 44 Chromosomen pro Zelle, dazu als Geschlechtschromosomen entweder zwei x-Chromosomen oder ein x- und ein y-Chromosom.  Diese Ausstattung liegt dann in allen Zellen des Körpers zu Abertausenden, auch im Gehirn vor, kann also durch Genitaloperationen  – auch durch Hormone - niemals verändert werden. Transitionen sind schwerste Eingriffe in Hormonhaushalt, langfristige Gesundheit und medizinische Versorgung des Menschen.

Bei der Entstehung der männlichen wie der weiblichen Keimzellen teilen sich diese Zellen in je einen halben Chromosomensatz. Bei der Befruchtung dringt dieser halbe Erbinformationssatz des Mannes in die Eizelle mit ihrem ebenfalls halben Satz ein. Jetzt sind wieder eine diploide Zelle vorhanden, die sich in rasender Schnelle und wenige Stunden noch omnipotent teilt.  In diesen wenigen ersten Stunden kann es noch zur eineiigen Zwillingsbildung kommen. Soll deswegen diese befruchtete Eizelle weniger schutzwürdig sein – weil oder obwohl  vielleicht sogar zwei Menschen daraus wachsen? Einer aber ganz sicher?

Bei zweieiigenen Zwillingen sind ohnehin zwei Eizellen zugleich oder im Abstand von einigen Stunden oder sogar Tagen zur Befruchtung gekommen: Sie entwickeln sich ebenfalls zielgerichtet und höchstorganisiert sofort weiter. Warum so schnell? Antwort eines engagierten Schülers im Biologieunterricht: Der eben entstandene Mensch hat nur neun Monate Zeit, um als das Wunder eines vollausgebildeten Babies zur Welt zu kommen! Auch auf die Frage, warum das ungeborene Kind einen doppelt so schnellen Herzschlag hat in den ersten Monaten wie wir, antwortete ein Jugendlicher mit folgender Berechnung: Das Herz pumpt ja das Blut, und das Blut ist das Transportmittel für die Entwicklung! Wenn das vorgeburtliche Herz so langsam schlüge wie unseres, dann bräuchte das Kind vielleicht fast zwei Jahre, bis es auf die Welt kommen kann. Alle in der Klasse nickten und schmunzelten.  Hochinteressante Einsichten von Jugendlichen, die bereit waren, sich mit der vorgeburtlichen Entwicklung des Kindes zu befassen.

Drei Wochen nach der Befruchtung, dh. bereits ca. 1-2 Wochen nach der Einnistung in den Uterus beginnt ein winziges Herz eigenes Blut durch winzige Äderchen zu pumpen.  Dieser Herzschlag ist bereits 6 Wochen nach der Befruchtung mit neuesten Geräten für uns hörbar – und auch sichtbar - zu machen.

In einigen Bundesstaaten der USA wird dies seit einiger Zeit den Schwangeren zugänglich gemacht, teils ist es neuerdings vorgeschrieben dort. Was schlägt denn da, das ist die Frage! Wessen Herz ist das? Es ist eindeutig und durch die menschliche DNA aus der Hälfte Mutter und der Hälfte Vater als menschliches Lebewesen und zugehörig zur Spezies Mensch klassifizierbar. Sein SEIN ist ein menschliches und das SEIN des Menschen gibt es nur als personales SEIN. Im Unterschied zu den Tieren sind wir eben Personen. Systeme, die dies nicht anerkennen  oder nicht anerkennen wollen, müssen dem Menschen das Personsein insgesamt absprechen, denn es gibt keinerlei Zäsur und keinerlei Kriterium für nichtpersonales SEIN des Menschen. Dieses Absprechen eines eigenständigen Personseins des Menschen kann dann aber unermessliche und auch unmenschliche Folgen bis ans Lebensende zeitigen und für totalitäre Systeme  eröffnen!

Es gibt keine Fakten, die ein not real human beeing von einem real human beeing unterscheiden. Es gibt nur echte Menschen – und das wird auch für im künstlichen Uterus gezüchtete Menschen gelten. Auch sie haben Menschenwürde und könnten keine Ersatzteillager  werden!

Es gibt folglich keine zweierlei Menschen, das ist ein biologisches Faktum.

Und niemand hat das Recht – auch keine Juristen haben es – Kriterien für Lebensrecht und Menschenwürde aufzustellen. Der Mensch ist Mensch von Anfang an – so lautet der Titel einer alten Broschüre der deutschen Bischöfe. Warum ist dann der öffentliche Widerstand in der Causa Brosius-Gersdorf von den meisten  Bischöfen und Laiengremien nicht vernehmbar?  Wenn der Mensch von Anfang an Mensch ist, dann hat er Menschenwürde von Anfang an! Zweifel daran oder Agitationen gegen eine solche Menschenwürde haben im Bundesverfassungsgericht nichts verloren. Denn das Verneinen von Menschenwürde von Anfang an ist interessegeleitetes Denken von Juristen: Sie möchten Abtreibung weitestgehend ermöglichen!

Das Meerschweinchenbaby im Bauch der Meerschweinchenmutter hat von Anfang an das Sein und die DNA eines Meerschweinchens. Es kommt sogar frisch und munter mit buntem Fell und beschwingten Beinchen zur Welt und läuft hinter der Mutter her.

Wahrheit erkennen wir durch Betrachten der unstrittigen Fakten.

Die Fakten, die Sache, die „res“, die hier in Rede steht, ist eindeutig: Von Anfang an ist jedes Lebewesen zugehörig zu einer biologischen Spezies. So auch der Mensch. Es gibt Lebewesen und Leben nur in Zugehörigkeit zu einer klar DNA-festgelegten Spezies! Und wer zur Spezies Mensch gehört, der hat die DIGNITAS INFINITA, die unveräußerliche und nicht einschränkbare Menschenwürde und ist Person. Sein Personsein unterscheidet ihn vom Tier. Wer von den anderen Menschen sollte  je das Recht haben, die Menschenwürde und damit sein Recht auf Leben zu begrenzen? Nicht das Votum von „UnsereDemokratie“, nicht ein Höchstgericht, kein Erzeuger und keine Schwangere haben dieses Recht.

Wir sind alle Brüder! Wollen wir hinter diese Wahrheit der Aufklärung zurück? Keiner kann einem anderen das Lebensrecht absprechen!

Auf das haben mehrere Bischöfe rechtzeitig hingewiesen in der aktuellen Diskussion um neue Richterinnen für unser Höchstgericht.

Ein kleines Mädchen kam in Deutschland kürzlich mit etwas mehr als 300 Gramm auf die Welt: War das etwa kein kleiner Mensch? Was ist mit seinem Lebensrecht und seiner „Menschenwürdegarantie“?  Dieses Wort  kommt wir vor wie eine juristische Formel, eine Hülse, in die man alles hineininterpretieren kann und könnte, was man gerade möchte. Trefflich kann man dann vielleicht Menschenwürde trennen von Menschenwürdegarantie. Solch ein Denken sollte in unserem Höchstgericht keine Plattform bekommen.  Staat und Gesetzgebung könnten sich zurückziehen und die Leute „selbstbestimmt“ und „freiverantwortlich“ entscheiden lassen , ob ein Kind geboren wird oder nicht. Nach dem Motto: Für das Gesetz und die Juristen gilt die „Menschenwürdegarantie“ erst ab der Geburt. Was vorher passiert ist privat und „selbstbestimmt“.

Nach Thomas von Aquin, dem grandiosen Denker , ist Wahrheit zu finden durch hörende und suchende Annäherung des Verstandes an die Fakten, die Sache, an die „res“: veritas est adaequatio intellectus ad rem!

Schauen wir also auf die naturwissenschaftlichen Fakten ohne ideologische Scheuklappen (und wenn gläubig, dann zusätzlich  mit dem Licht des Glaubens an einen Gott),  dann kann Töten eines ungeborenen Kindes – auch nicht in den ersten Schwangerschaftsmonaten -  niemals legalisiert und kassenfinanziert werden. Töten eines Unschuldigen und Wehrlosen ist Mord.

Dabei ist  die Funktion des Glaubens die eines Lichtes, das uns die Annäherung an die Wahrheit erleichtert. Es ist in der Tat wunderbar und erhellend, dh. heller-machend, einen lebendigen christlichen  Glauben zu haben. Der Gläubige sieht schneller und tiefer.

Um die biologische Wahrheit aber, dass das ungeborene Kind von Anfang an Mensch ist, zu erkennen, benötigt man, meine ich, keinen Glauben.

Wie die Bischöfe Voderholzer und Oster so treffend darlegten, gibt es keine zweierlei Klassen von Menschen. Es gibt keine Vorpersonen oder Unpersonen, die man töten kann, keine Un-Menschen, Nichtmenschen oder Untermenschen, deren Lebensrecht und Menschenwürde von „UnsererDemokratie“  beschnitten und festgelegt werden könnte.

Dieser Kulturkampf muss geführt werden und es müssen sich die Verantwortungsträger in Kirche und Gesellschaft, ja wir alle,  einmischen!  Aussitzen geht nicht. Feigheit zahlt sich niemals aus. Uns alle betrifft dieser Kampf, niemand ist davon dispensiert.

Wer die für das Lebensrecht der Ungeborenen engagierten Leute im Regen stehen lässt, für den wird wohl am Ende seiner Tage gelten:

Hast du mich damals nicht vor den Menschen verleugnet? Ich hatte das mosaische Gebot „Du sollst nicht töten“ bestätigt, und du hast es relativiert?

Du hast dich arrangiert mit brutalen Tötungs-Gesetzen?

Du bist Lebensrechtlern in den Rücken gefallen?

Dir waren völlig andere Dinge viel wichtiger? Ich hatte dir, Bischof, viel anvertraut, deshalb fordere ich viel von dir!

Die Menschen erbaten, beschworen, forderten, erwarteten Einsatz von dir für die ungeborenen Kinder, wo war dieser öffentliche und hörbare Einsatz  - kraftvoll, mutig und widerständig?

Es ging um Leben und Tod von Menschen!

Was hast du, gerade du,  in dieser brennenden Frage öffentlichkeitswirksam geleistet?


© 2025 www.kath.net