"Der Priester fungiert als Ikone Christi"

6. August 2025 in Interview


Priestertum der Frau? kath.net-Interview mit P. Dominikus Kraschl OFM


Wien (kath.net) „Die Frage nach dem Priestertum der Frau können wir, wenn wir nicht eine andere Diskussion führen wollen, nur im Rahmen der katholischen Sakramenten- und Amtstheologie beantworten. Akzeptieren wir diesen Diskursrahmen, wird der argumentative Spielraum für Befürworter des Priestertums der Frau allerding sehr eng.“ Das erläutert der Franziskanerpater DDr. habil. Dominikus Kraschl im KATH.NET-Interview.

kath.net: Sie haben kürzlich eine Abhandlung zur theologischen Kontroversfrage des Priestertums der Frau verfasst. Liegen nicht bereits alle Argumente auf dem Tisch?

P. Dr. habil. Dominikus Kraschl: Nun ja, lässt sich diese Frage angesichts einer 2000-jährigen Theologietradition nicht fast immer stellen? Der christliche Theologe muss das Rad nicht neu erfinden. Und doch holt er aus seinem Schatz Altes und Neues hervor. So auch meine Abhandlung: sie enthält Altbekanntes, aber auch neuartige Beobachtungen und Argumente.

Jedenfalls bedarf die Frage nach dem Priestertum der Frau immer wieder neu der Vergewisserung. Es scheint übrigens ein breiteres Bedürfnis danach zu geben. Keine andere meiner Publikationen hat in kurzer Zeit mehrere tausend Aufrufe erhalten. 

kath.net: Möchten Sie die lehramtliche Position für unsere Leser kurz zusammenfassen?

P. Kraschl: Das kirchliche Lehramt beruft sich vorrangig auf Autoritäts- und Traditionsargumente. Das unter Johannes Paul II. veröffentlichte Schreiben Ordinatio sacerdotalis (1994) verweist für die Männern vorbehaltene Priesterweihe vor allem auf: 

-  „das Vorbild Christi, der nur Männer zu Aposteln wählte“,
-  „die konstante Praxis der Kirche, die in der ausschließlichen Wahl von Männern Christus nach-ahmte“, und 
-  „ihr lebendiges Lehramt, das beharrlich daran festhält, dass der Ausschluss von Frauen aus dem Priesteramt in Übereinstimmung steht mit Gottes Plan für seine Kirche.“ 

kath.net: Welche Rolle spielen theologische Sachargumente für das Lehramt der Kirche? 

P. Kraschl: Sachargumente stützen sich nicht auf autoritative Größen (wie z. B. Jesus Christus oder die apostolische Überlieferung). Sachargumente stützen sich auf Gründe, die das Bestehen eines Sachverhalts wahrscheinlich machen. Das Lehramt entwickelt eine Reihe theologischer Sachargumente für die kirchliche Lehre. Sie sollen die Autoritäts- und Traditionsargumente, die das Hauptgewicht der Begründungslast tragen, in spekulativer Art und Weise erhellen. Die fraglichen Sachargumente sind Konvenienzargumente, d. h. sie zeigen Übereinstimmungen und Zusammenhänge auf. Im Bündel können solche Konvenienzargumente, selbst wenn sie für sich genommen vergleichsweise schwach sind, eine starke Erklärungs- und Begründungskraft entfalten.

kath.net: In der Debatte werde Ihrer Einschätzung nach zu wenig gefragt, was theologische Argumente eigentlich leisten können?

P. Kraschl: Ja genau. In der aktuellen Diskussion fordern Befürworter des Priestertums der Frau „überzeugende Argumente“. Doch was ist ein überzeugendes Argument? Mutmaßlich werden Argumente erwartet, die auch unter ihresgleichen mehrheitsfähig sind. Ein Blick in die Geschichte theologischer Kontroversen zeigt freilich, dass es selten bis nie gelungen ist, sie allein durch gute Argumente auszuräumen. So ist es etwa nicht gelungen, um nur ein Beispiel zu nennen, protestantische Theologen vom katholischen Sakramenten- und Amtsverständnis zu überzeugen. Aber dürfen oder sollen wir deshalb unsere eigene Tradition aufgeben?

kath.net: Inzwischen gibt es ja auch in der katholischen Kirche Stimmen, die das sakramentale Priestertum in Frage stellen oder sogar für eine Fehlentwicklung halten…

P. Kraschl: Ja. Man denke etwa an den emeritierten Bonner Neutestamentler Martin Ebner – ironischerweise selbst Priester. Oder: Auf der zweiten Synodalversammlung des Synodalen Wegs wurde ernsthaft diskutiert, ob es das Priestertum künftig überhaupt brauche. 

Es ist wichtig zu sehen: Die Frage nach dem Priestertum der Frau können wir, wenn wir nicht eine andere Diskussion führen wollen, nur im Rahmen der katholischen Sakramenten- und Amtstheologie beantworten. Akzeptieren wir diesen Diskursrahmen, wird der argumentative Spielraum für Befürworter des Priestertums der Frau allerding sehr eng. Vielleicht ist das mit ein Grund dafür, dass einige Kollegen inzwischen für einen radikalen Umbau der katholischen Theologie, insbesondere der Ekklesiologie, plädieren.

kath.net: Warum braucht es das sakramentale Priestertum?

P. Kraschl: Jesus, der Herr, hat Apostel eingesetzt. Sie setzen seine Sendung fort. Sie vergegenwärtigen sein Heilswirken. Dabei lässt sich etwa an das Herrenwort denken: „Wer euch hört, hört mich“ (Lk 10,16). Der Glaube kommt vom Hören: von Christus, dem Wort, das Gott und Mensch ist. Der Priester des Neuen Bundes, der in der Nachfolge der Apostel und ihrer Mitarbeiter steht, vertritt und vergegenwärtigt Christus, den einzigen Mittler zwischen Gott und den Menschen: Er macht ihn hörbar, wenn er in seinem Namen das Evangelium verkündet; er macht ihn sichtbar, wenn er die Sakramente spendet, wenn er das Volk Gottes segnet und sofort. Das sakramentale Priestertum ermöglicht lebendige Begegnung mit Christus. Das ist sein Sinn und sein Zweck. 

Der Sinn für die sakramentale Dimension des Priestertums scheint mir vielerorts geschwunden zu sein. Es bedürfte wohl einer Neubesinnung auf die Rolle des Priesters in der Liturgie, besonders in der Feier der Eucharistie. Die liturgische Ausbildung müsste hier neu ansetzen. Doch das wäre ein anderes Thema.

kath.net: Warum aber spielt das Geschlecht für das sakramentale Priestertum eine Rolle? 

P. Kraschl: Das Bekenntnis zur Menschwerdung Gottes besagt, dass der Logos in Jesus Christus eine konkrete Menschennatur angenommen hat. Christus war ganz Mensch und als solcher auch Mann. Die Frage ist nun: Kommt Christi Mannsein eine offenbarungs- und sakramententheologische Bedeutung zu? 

Paul VI. argumentiert in Inter Insigniores (1976), dass der Priester, wo er in persona Christi capitis handelt, Christus sakramental vertritt und vergegenwärtigt. Der Priester fungiere, vor allem in der Feier der Eucharistie, als Ikone Christi. Deshalb müsse zwischen dem Priester als sakramentalem Zeichen und Jesus Christus als bezeichneter Wirklichkeit eine natürliche Ähnlichkeit bestehen – und dabei spiele das Geschlecht eine Rolle. 

In meiner Abhandlung erörtere ich verschiedene Argumente, die dieses sakramententheologische Argument aus unterschiedlichen Perspektiven erläutern, ergänzen oder stützen. Zur Sprache kommen dabei: 
(1.) die liturgietheologische Bedeutung der biblischen Geschlechtersymbolik, 
(2.) die Bildlogik der christlichen Offenbarung 
(3.) ein eucharistietheologisches Analogieargument, 
(4.) Überlegungen zur liturgischen Rollenästhetik sowie zur 
(5.) Geschlechtsspezifität der Sprache des Leibes.

kath.net: Was sagen Sie zum Einwand: Jesu Motiv, zwölf männliche Apostel zu erwählen, war eine israel-bezogene Zeichenhandlung mit der er weibliche Apostel nicht für immer ausschließen wollte?

P. Kraschl: Die Apostel stehen als Kollegium für das endzeitliche Israel: die Kirche. Darüber hinaus repräsentiert der Apostel aber auch Jesus Christus, das Haupt und den Bräutigam der Kirche. 

Wer sagt: Weibliche Apostel hätten die Stammväter Israels nicht repräsentieren können, der muss sich fragen lassen, warum diese Logik nicht auch für die Repräsentation Jesu Christi gilt, der nun einmal als Mensch auch Mann war und den wir als Sohn des Vaters und Bräutigam der Kirche bekennen? Der Einwand beruht auf Voraussetzungen, die er im nächsten Moment bestreitet. 

Darüber hinaus wäre zu bedenken: Die Apostel und ihre Nachfolger haben Jesu Wahl nicht im Sinn des obigen Einwands verstanden. Nachdem sich die Sendung der Apostel nachösterlich für alle Völker öffnete, wurde bald die Zwölfzahl und das Judesein als Bedingung des Aposteldienstes hin-fällig, nicht aber das Geschlecht. Und daran hat sich bis heute nichts geändert.

kath.net: Das Lehramt beruft sich auf das Vorbild Jesu und die beständige Praxis der Kirche. Was ist mit der oft ins Feld geführten Apostelin Junia?

P. Kraschl: Röm 16,7 bezeichnet Andronikus und Junia (gemäß neuer EÜ; vorher: Junias) als „angesehen unter den Aposteln“. Zu dieser Stelle ist zu sagen: 

-    Die Lesart Junia kann nicht als gesichert gelten. Der Akkusativ Junian könnte eine Form von Junias darstellen, so wie Silvanus in der Apostelgeschichte zu Silas verkürzt wird. Darüber hinaus könnte Junia auch eine Kurzform von Junianus sein. 
-    Die Wendung „angesehen unter den Aposteln“ ist mehrdeutig: Gemäß einer Lesart sind Andronikus und Junia angesehene Apostel, während „angesehen unter den Aposteln“ gemäß einer anderen Lesart lediglich besagt, dass sie bei den Aposteln hohes Ansehen genießen. Welche Lesart ursprünglich intendiert war, lässt sich nicht mehr entscheiden. 
-    Der Ausdruck „Apostel“ bezieht sich nicht immer auf das apostolische Amt. Mitunter bezeichnet er im Neuen Testament auch den Kreis derer, die Zeugen der Auferstehung geworden waren. Dazu gehört unter anderem auch Maria Magdalena, die vom Herrn den Auftrag empfing, zu den Jüngern zu gehen und ihnen die Nachricht zu überbringen, dass er lebe und ihnen er-scheinen werde. Das ist jedoch keine Einsetzung in das Apostelamt, weshalb der Titel „Apostelin der Apostel“ nicht mehr als ein Ehrentitel ist. Auf Apostelinnen kann man sich im Licht dieser und anderer Überlegungen nicht mit gutem Gewissen berufen. 

kath.net: Sie erwähnten weniger bekannte Argumente. Können Sie uns abschließend ein Beispiel geben?

P. Kraschl: Als Jesus die Eucharistie einsetzte, wählte er Brot und Wein als sakramentale Zeichen seiner Lebenshingabe. Im Prinzip hätte er aber auch andere Zeichen wählen können. Lässt sich daraus ableiten, es gehe genau besehen gar nicht um Brot und Wein, sondern nur um Speise und Trank, die je nach kulturellem Kontext frei wählbar seien (z. B. Bananen und Kokosmilch)? 

Die Kirche hat eine gewisse Vollmacht, die Gestalt der Sakramente festzulegen. Aber diese Vollmacht hat Grenzen, wie die Diskussion um die Taufformel oder die Eucharistie verdeutlicht. Warum? Es würde die natürliche Ähnlichkeit zwischen dem von Jesus Christus ursprünglich eingesetzten und dem von der Kirche später gebrauchten Zeichen verdunkeln. Dieses würde nur mehr mit Mühe und mit Hilfe zusätzlicher Erklärungen verstanden werden. 

Dieses Argument lässt sich per Analogieschluss auf die Berufung männlicher Apostel durch Jesus Christus übertragen. Demnach hat die Kirche keine Vollmacht, die letztlich auf Jesus Christus zurückgehende Gestalt des sakramentalen Priestertums abzuändern, indem sie weibliche Priester einführt, da dies die Beziehung des sakramentalen Zeichens zu seinem historischen Ursprung verdunkeln würde. Dieses Argument sollte nicht isoliert betrachtet und erörtert werden. Es steht in einem Verweisungszusammenhang mit anderen Beobachtungen und Argumenten, die in eine Richtung weisen und die Begründungslast nur gemeinsam zu tragen vermögen. Für eine eingehendere Erörterung verweise ich auf meine Abhandlung (siehe Link unten)!

kath.net: Herzlichen Dank für das Gespräch!

P. DDr. habil. Dominikus Kraschl OFM lehrt an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Bene-dikt XVI. Heiligenkreuz und am Internationalen Theologischen Institut Trumau
Link zur Abhandlung: https://www.researchgate.net/publication/390310403_Katholische_Priesterinnen_Eine_Vergewisserung_In_Forum_katholische_Theologie_Jg_41_12015_S_11-32 (Katholische Priester:innen? Eine Vergewisserung. In: Forum katholische Theologie Jg. 41 (1/2025), S. 11-32)

Archivfoto Pater Kraschl (c) Martin Barmettler


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