13. August 2025 in Familie
Priester nach Erstkommunion des schon schwerkranken Kindes: „Ich habe noch nie jemanden so die hl. Kommunion empfangen sehen. Für mein priesterliches Herz bleibt dies ein bewegender Moment“. Gastbeitrag von Elmar Lübbers-Paal
Linz (kath.net) „Es wird heilige Kinder geben“, diese prophetischen Worte benutzte der heilige Papst Pius X., um seinen Einsatz für die frühere Erstkommunion (1910) zu untermauern.
Ohne einer kirchlichen Entscheidung vorgreifen zu wollen, kann wohl das 8-jährige Mädchen Anne-Gabrielle Caron als eines dieser heiligen Kinder bezeichnet werden. Diese junge Freundin Jesu und Mariens ist ein Kind unserer Tage. Sie kann auch uns heutigen Erwachsenen eine Lehrerin auf dem Weg zum Himmel sein, wenn wir bereit sind, uns auch kindlich (nicht kindisch) auf die Gottesbegegnungen in unserem Leben einzulassen.
Was aber kann das leidgeprüfte und doch anscheinend immer fröhliche Kind uns sagen, dessen Seligsprechungsprozess am Festtag Mariä Namen, dem 12. September 2020, in Toulon von Bischof Rey eröffnet wurde?
Zwei Dinge sind es wohl, die die kleine Anne-Gabrielle zu einer wahren Dienerin Gottes hat werden lassen: das fromme Elternhaus, welches stets bemüht war, den Glauben als festen Bestandteil ins Alltagsleben zu integrieren; und das freiwillige Mitwirken mit der göttlichen Gnade.
Anne-Gabrielle Caron wird als erstes Kind des Marineoffiziers und U-Bootfahrers Alexandre und seiner Frau Marie-Dauphine Caron am 29. Januar 2002 in Toulon/Frankreich geboren. Sie wächst in einer liebevollen, vom katholischen Glauben geprägten Umgebung auf. Das Mädchen mit dem stets fröhlichen Gesichtsausdruck, dem brünett-gelocktem Haar und den dunklen Augensternen ist vom Charakter eher ruhig-bedächtig und hat ein großzügiges und mitfühlendes Wesen. Als ihr Bruder Francois-Xavier am 9. Juni 2004 geboren wird, kann man kurzzeitig ein eifersüchtiges Mädchen wahrnehmen. Diese Eigenschaft wandelt sich aber schon bald darauf in große Liebe und Fürsorge für ihren Bruder. Mit nicht einmal drei Jahren kristallisiert sich bei Anne-Gabrielle eine starke Aufmerksamkeit für das Leid anderer Personen oder religiöser Darstellungen heraus. Beispielsweise als sie das Kreuz betrachtet: „JESUS. Er ist verletzt. Ich werde ihn trösten“, äußert sie mitfühlend gegenüber Verwandten.
In der Vorschule zeigt sie sich interessiert, schelmisch und stets fröhlich. Das Wohlergehen anderer ist ihr wichtiger als das ihrige. Sie entwickelt ein erstaunliches Verantwortungsbewusstsein! Wird ein Kind beispielsweise auf dem Pausenhof gemobbt und ausgegrenzt, geht sie zu diesem einsamen Kind und baut es auf. Anne-Gabrielle spielt mit Kindern, mit denen sonst niemand spielen möchte. Werden Kinder von Freundeskreisen ausgeschlossen, versucht sie, diese Kinder wieder in die Gruppe zu integrieren. 2005 rettet sie ihren Bruder vor dem Tod durch Ertrinken, in dem sie geistesgewärtig einen Erwachsenen alarmiert.
Ab Januar 2006 fragt sie öfters ihre Eltern, ob sie bald sterben werde. Sie begründet ihre Nachfrage damit, dass sie „den guten HERRN (Jesus) wirklich sehen“ wolle. Menschlich ist es kaum vorstellbar, dass sie zu diesem Zeitpunkt schon eine Vorahnung von ihrem knapp drei Jahre später eintretenden Leidensweg gehabt haben konnte.
Zunächst weist das zarte Mädchen ihre Eltern auf starke Schmerzen im rechten Bein hin. Dies wird aber zunächst auf die ausgedehnten Spaziergänge in den Alpen geschoben. Doch die Beschwerden verschlimmern sich derart, dass sie mehrfach nachts aufwacht und über heftige Schmerzen klagt. Schließlich wird am 24.2.2009 eine Knochenbiopsie durchgeführt. Das furchtbare Ergebnis: Ewing-Sarkom; ein sehr virulenter Knochenkrebs. Im Timone-Krankenhaus in Marseille versucht man liebevoll, alles menschenmögliche für das Mädchen zu unternehmen. Leider zeigt sich, dass sich zahlreiche Metastasen gebildet haben und eine Heilung für das gerade siebenjährige Mädchen ausgeschlossen ist. Es beginnt eine schwere Chemotherapie, die allein auf eine Remission (vorübergehendes Nachlassen von Krankheitssymptomen) abzielt. Am 3. März 2009 muss Anne-Gabrielle ohne ihre geliebte Mutter die strapaziöse Chemotherapie beginnen, da diese gerade ihre zweite Tochter Alix zur Welt bringt. Ein Pater erwähnt Anne-Gabrielle gegenüber, dass man Leid auch für andere aufopfern könne. Dies macht sie mutiger und willensstärker. Die aufkommenden Krebsgeschwüre im Mund, die so schmerzhaft und hinderlich sind, dass ihr durch Übelkeit und Erbrechen kaum mehr Medikamente über den Mund verabreicht werden können, bereiten ihr große Pein. Wer das fröhliche Mädchen nun sieht, kann sich kaum vorstellen, wie sie gerade bereitwillig für andere leidet. Im Blick auf den gekreuzigten Heiland und durch die mehrfachen täglichen Gebetsverbindung zur Gottesmutter, die sie besonders gern im „Memorare“ („Gedenke, o gütigste Jungfrau“) und im „Ave Maria“ grüßt, schöpft sie ihre Kraft. Anne-Gabrielle beschwert sich nicht über die Leiden und zeigt sich zufrieden mit den Worten: „Ich bin glücklich. Ich habe meinen Vater und meine Mutter: Ich bin glücklich. Ich brauche nichts“. Am 14. März verliert die Kleine ihre Haare durch die Chemotherapie, was sie sehr betrübt. Anne-Gabrielle opfert auch diesen Kummer auf. Durch einen vorbildlichen Erstkommunionunterricht entsteht ihr sehnlichster Wunsch, alsbald den HERRN nicht nur geistig, sondern auch leibhaftig zu empfangen: IHN, den sie unendlich liebt. Das fröhlich-fromme Kind erlebt ausgerechnet einen Tag vor dem herbeigesehnten Erstkommuniontag einen starken Rückschlag. Es sieht so aus, als ob dieser „Tag der Tage“ für sie ausfallen muss. Der außerordentlichen Gnade Gottes muss es wohl zugeschrieben werden, dass sich am darauffolgenden Tag plötzlich eine Besserung einstellt. Diese Fügung läßt es zu, dass Anne-Gabrielle das Krankenhaus für dieses Sakrament verlassen darf. Es wird zu einem Wettlauf mit der Zeit, da die Hl. Messe für die Erstkommunionkinder bereits begonnen hat. Als das außergewöhnliche Mädchen in ihrem blütenweißen Kleid in die Kirche eintritt, ist die Messe gerade zu Ende und alle anderen Kinder haben bereits den eucharistischen Heiland empfangen. Anne-Gabrielle schreitet zum Altar und Pater Dubrule erfüllt ihren sehnlichsten Wunsch: Sie darf den HERRN empfangen, allein und doch in der Gemeinschaft der ganzen Festgemeinde. Gläubige berichten später, dass, als Anne-Gabrielle zum Altar schritt, sie glaubten, sie würde auf den Himmel zugehen. Der zelebrierende Pater bezeugt später: „Ich habe noch nie jemanden so die hl. Kommunion empfangen sehen. Für mein priesterliches Herz bleibt dies ein bewegender Moment“.
Nach der belastenden Weiterbehandlung zeigen sich am 7. Januar 2010 die tödlichen Schatten der Krankheit sehr deutlich. Auch die Zweifel und die Frage nach dem „Warum?“ bleiben dem liebenswürdigen Geschöpf nicht fremd. Die Mutter und der betreuende Seelsorger, Pater Arnauld, können ihr große Teile der Angst vor dem Sterben nehmen, indem sie beteuern, dass der HERR alles zu einem guten Ende führen wird.
Stolz kann sie noch am 12.2.2010 bei den Pfadfindern als „Wolf“ aufgenommen werden. Nur einige Tage später ist Anne-Gabrielle bettlägerig und kann nicht mehr an der Sonntagsmesse teilnehmen. Die Mutter findet ihre Tochter völlig darnieder vor und erfährt, dass die Kleine den HERRN gebeten hat, ihr auch die Leiden der anderen Kinder aus dem Krankenhaus aufzuladen. Das tapfere Kind hat eine weitere Passion für sich erwählt: Sie möchte für andere fürbittend leiden.
Es folgen tägliche Krankenhausaufenthalte mit stetig steigenden Morphiumdosen. Anne-Gabrielle wird auch noch Opfer eines Schlaganfalls mit heftigsten Kopfschmerzen und Erstickungsanfällen. Manchmal scheint ihr Zustand komatös zu sein.
Sie leidet noch viel und stirbt am Freitag, den 23. Juli 2010 um 23.50 Uhr.
Viele glauben, dass hier eine Seele sofort in den Himmel aufgenommen wurde. Seit ihrem Tod erreichen massenhaft Zeugnisse von Gnadenerweisen auf die Fürsprache der kleinen Anne-Gabrielle hin die Familie und den Ortsbischof. Dieser sieht die Aufnahme des Seligsprechungsverfahrens als geboten an.
Anne-Gabrielle, du kleine und doch große Dienerin Gottes, bitte für alle Kinder, besonders jene, die erkrankt sind!
Archivfoto Anne-Gabrielle Caron (c) Familie Caron/gemeinfrei
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