29. April 2025 in Interview
Er hat es ein für allemal besiegt. Und Er hat uns alle Gnadenmittel geschenkt, um uns auf sicherem Weg in den Himmel zu führen. kath.net-Interview mit P. Marco Piranty, Propst vom Institut St. Philipp Neri aus Berlin - Von Roland Noé
Linz-Berlin (kath.net/rn)
kath.net: Ihr Institut wurde vor über 20 Jahren mit maßgeblicher Unterstützung durch den damaligen Kardinal Josef Ratzinger, den späteren Benedikt XVI., vom Hl. Stuhl errichtet. Wie wichtig war diese Unterstützung für das Entstehen und wie sehr hat Benedikt XVI. das Institut geprägt?
P. Marco Piranty: Diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten: Während der Verhandlungen mit Rom im Jahr 2004 hat Kardinal Ratzinger mehrfach deutlich gemacht, dass ihm die Gründung unseres Instituts ein echtes Herzensanliegen sei. Wir wissen nicht genau, wie und an welchen Stellen er sein Gewicht für uns in die Waagschale geworfen hat, aber wir wurden von Rom so schnell, mit vollem päpstlichen Recht, errichtet wie kaum je eine andere Gemeinschaft. Das ist ganz ohne Zweifel auf seine Unterstützung zurückzuführen.
Ich glaube nicht, dass Kardinal Ratzinger überhaupt den Anspruch hatte, das Institut zu prägen oder ihm gar auf Biegen und Brechen seinen Stempel aufdrücken zu müssen. Das passte auch gar nicht zu seiner liebenswürdigen und zurückhaltenden Art. Er wusste: Jede geistliche Gemeinschaft hat ihr eigenes Charisma. Und ich glaube, dass die Grundidee des Instituts, die Feier der überlieferten Liturgie mit der Glaubensfreude und der Fröhlichkeit, mit der Gelassenheit und dem Humor des hl. Philipp Neri zu verbinden, es ihm sehr angetan hatte. Auch dem Standort Berlin maß er eine große Bedeutung bei: Eine solche Gründung in der Hauptstadt hat immer eine Leuchtturmfunktion und kann eine große Strahlkraft entwickeln.
kath.net: Sie feiern die hl. Messe im überlieferten Ritus, der durch Papst Franziskus ja eine Einschränkung erfahren hat. Betrifft dies auch irgendwie Ihr Institut?
P. Marco Piranty: Ich habe mit mehreren Kirchenrechtlern gesprochen, die mir alle versichert haben, dass sich für die Ecclesia-Dei-Gemeinschaften nichts geändert hat. Das hat auch Papst Franziskus selbst in einer der Petrusbruderschaft gewährten Audienz bestätigt. Laut Kommuniqué stellte er klar – ich zitiere das mal –, „dass Institute wie die Priesterbruderschaft St. Petrus nicht von den allgemeinen Bestimmungen des Motu Proprio Traditionis Custodes betroffen sind, da der Gebrauch der alten liturgischen Bücher an ihrem Ursprung stand und in ihren Konstitutionen verankert ist“. Es gibt allerdings auch Kreise in Rom, die das genaue Gegenteil behaupten und sagen, dass die Verwendung des alten Pontificale Romanum nun grundsätzlich untersagt sein soll. Davon ausgenommen ist nur die Priesterbruderschaft St. Petrus, weil Franziskus deren Eigenrecht explizit per Dekret bestätigt hat. Bei uns wirkt sich die aktuelle Situation vor allem auf die Spendung des Firmsakraments aus. Es ist mittlerweile fast unmöglich, Bischöfe zu finden, die angesichts der unsicheren Rechtslage noch bereit sind, die Firmung im alten Ritus zu spenden. Ich habe den Eindruck, dass hier ein kirchenpolitischer Streit auf dem Rücken der – zumeist jugendlichen – Firmbewerber ausgetragen wird. Man kann nur darauf hoffen, dass bald eine Lösung gefunden wird, die den geistlichen Bedürfnissen der Gläubigen mehr Beachtung schenkt.
kath.net: Sie leben mitten in Berlin in einer katholischen Diaspora. Beim dortigen Marsch für das Leben gibt es immer eine unglaubliche Aggressivität gegenüber Christen. Wie geht es Ihnen dort? Wie ist das Verhältnis zu den Berlinern?
P. Marco Piranty: Da muss ich die Berliner nun wirklich in Schutz nehmen: Das unwürdige Spektakel, das die Antifa und andere steuerfinanzierte linke Gruppen jedes Jahr beim Marsch für das Leben inszenieren, hat nichts mit „den Berlinern“ zu tun. Ich habe die Berliner sehr schnell schätzen gelernt. Sie gelten ja als ein bisschen schnoddrig, aber sie können auf ihre Weise sehr tolerant und sogar diskret sein: Hier wird man als Priester in der U-Bahn nicht, wie anderswo, angegafft. Gleichzeitig sind sie sehr offen und interessiert. Die Soutane ist ein echter „Hingucker“, auf den die Leute reagieren, und somit oft auch der Aufhänger für ein Gespräch. Man muss natürlich auch sehen, dass wir Katholiken hier in Berlin Minderheitenschutz genießen. Hier ist die Kirche nicht die große gesellschaftliche Kraft, an der man sich auch reiben kann. Manchmal denke ich, die Leute haben auch ein bisschen Mitleid mit uns und sagen sich: „Die Katholiken haben es schon schwer genug. Da muss ich nicht auch noch draufhauen!“ Kurzum: Die Leute sind in der Regel sehr nett zu uns. Und bei uns im Kiez sind wir sowieso bestens integriert und so bekannt wie der sprichwörtliche „bunte Hund“.
kath.net: Wie ist Ihre Einschätzung zur Lage der katholischen Kirche in Deutschland? Gibt es hier noch Hoffnung?
P. Marco Piranty: Wenn man nur die Kirche der Ausschüsse und Gremien sieht, kann einem wirklich angst und bange werden. Aber ich lebe ja hier in St. Afra. Und hier ist es unmöglich, keine Hoffnung zu haben. Als ich aus München nach Berlin ins Institut St. Philipp Neri gegangen bin, hat mir Kardinal Marx entgegengehalten: „Ihr macht es euch leicht: Zu euch kommen die Leute freiwillig.“ Und das ist tatsächlich ein ganz großes Geschenk: Wir haben hier zu 100 % Gläubige, die aus voller Überzeugung zu uns kommen. Der unverfälschte katholische Glaube, wenn er nicht bis zur Unkenntlichkeit weichgespült wird, hat eine unheimliche Anziehungskraft gerade auf junge Leute. Und das potenziert sich noch einmal durch die radikale Theozentrik der lateinischen Liturgie. Die Jugendlichen spüren: Hier wird nichts für mich inszeniert, hier versucht niemand, mir zu gefallen oder mir nach dem Mund zu reden, sondern hier geht es um Jesus und Seinen Plan für mein Leben.
Natürlich sind die rund 500 Leute, die regelmäßig nach St. Afra kommen, eine vergleichsweise kleine Gruppe. Aber ich vertraue da ganz auf die Gleichnisse vom Sauerteig und vom Senfkorn, auch wenn Gottes Handeln mir auch manchmal rätselhaft bleibt: Kommenden Samstag müssen wir unseren Mitbruder, Pater Marcin Góral, zu Grabe tragen. Das ist bereits der zweite Priester des Instituts, der mit noch nicht einmal 50 Jahren aus dem Leben gerissen wurde. Gott hat offensichtlich andere Kriterien als die Welt. Und wir wissen ja, dass Er mit Vorliebe das Kleine und Schwache erwählt. Es gibt kleine Aufbrüche, und ich glaube langfristig an eine Renaissance des Glaubens und der Kirche in unserem Land.
kath.net: In diesen Tagen feiert die katholische Kirche das Osterfest. Haben Sie hier einen wichtigen Gedanken zum Osterfest für unsere Leser?
P. Marco Piranty: Viele Menschen blicken in diesen Wochen mit Sorge auf die politischen Entwicklungen – national und international. Da gibt es viele Unsicherheiten, auch bei manchen unserer Gläubigen. Einige verwenden viel Zeit darauf, jeden Tag im Internet zu recherchieren, um auf dem neuesten Stand zu sein. Das gibt vorübergehend die Illusion, die Unsicherheit unter Kontrolle zu bringen. Aber am Ende steht doch nur die Ohnmacht, die ernüchternde Erkenntnis, dass ich selbst eh nichts ändern kann, selbst wenn ich die zuverlässigsten Quellen und die geheimsten Hintergrundinformationen habe. Gerade da ist die Botschaft von Ostern so unendlich befreiend. Allein sind wir dem Bösen hilflos ausgeliefert, aber Jesus hält das Böse nicht nur im Zaum, Er hat es ein für allemal besiegt. Und Er hat uns alle Gnadenmittel geschenkt, um uns auf sicherem Weg in den Himmel zu führen. Darauf sollten wir uns gerade angesichts der unsicheren Zukunft konzentrieren: regelmäßig beichten, zur hl. Messe gehen, die Kommunion empfangen und mit Gottes Hilfe im Stand der heiligmachenden Gnade bleiben. Jesus, der Auferstandene, ist die einzig wahre Sicherheit – im Leben und im Sterben.
kath.net: Herzlichen Dank für das Interview!
© 2025 www.kath.net