5. August 2024 in Kommentar
Die Ministranten haben auf ihrer Wallfahrt nach Rom gezeigt, dass die Reformthemen des Synodalen Weges nicht ihre Themen sind. Ministranten sollte man in der Pastoral besondere Aufmerksamkeit schenken. Der Montagskick von Peter Winnemöller
Linz (kath.net)
Eine interessante Erfahrung machte offensichtlich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz in Rom. Die Ministranten hätten ihm unerwartete Fragen gestellt, ließ der Bischof im Interview mit Vatikannews wissen. Nix mit Zölibat und Frauenpriestertum. Ups! Wer die Augen offen hält, kann längst kapiert haben, dass die Zukunft der Kirche nichts mit den sonderbaren Reformforderungen der linkskatholischen Boomer und deren Claqueure aus der Funktionärsblase zu tun hat. Nun reden aber viele Bischöfe gerade nur mit der Funktionärsclique und bekommen nichts von der katholischen Basis mit.
Eines ist Fakt: So schön eine Ministrantenwallfahrt nach Rom auch sein mag, sie ist ein Zerrbild. Das wissen die Ministranten im Übrigen sehr gut, denn sie erleben, dass sie eine Minderheit sind. Hier – das soll nicht geleugnet werden – setzt die DBK ihre Finanzkraft durchaus mal sinnvoll ein. Das Treffen hatte 50.000 Teilnehmer, davon kamen 35.000 aus Deutschland. Es ist wohl kaum falsch, hier von einem deutsch majorisierten und subventionierten Treffen zu sprechen. So weit, so gut. Unbeabsichtigt tut die Kirche in Deutschland hier genau das Richtige. Der Kern der Erneuerung des Glaubens findet sich dort, wo man kirchlich und sozial „unten“ verorten könnte. Es sind junge Menschen, die den Glauben an Jesus Christus, nur zu oft tastend und völlig verunsichert, für sich entdecken und leben möchten. Diese sind in ihrer Generation eine marginalisierte Minderheit. Man frage mal junge Ministranten, die über die Pubertät hinweg durchgehalten haben, was sie in der Schule und im Freundeskreis erlebt haben.
Wer als junger Mensch den Glauben heute für sich entdeckt, stellt sich gegen den Mainstream seines gesamten sozialen Umfelds. Das geht bis tief in die Familien hinein und nicht selten müssen sich Ministranten auch gegenüber den eigenen Eltern rechtfertigen. Nicht von ungefähr sagen alle, die in der Ministrantenarbeit tätig sind, dass sie die Kinder nach der Erstkommunion durchaus gut an den Dienst heranführen können. Die kleinen Minis sind oft wirklich begeistert dabei und Mamis und Papis, die bei der Ministranteneinführung noch stolz Fotos mit dem Sohn oder der Tochter im Messdienergewand machen, bringen Wochen später ihr Kind genervt zur Sonntagsmesse.
Es lohnt sich, einmal den Parkplatz vor der Sakristei am Sonntag vor dem Hochamt zu beobachten. Auto fährt vor, Vater oder Mutter im Jogginganzug lässt Kind zum Ministrantendienst aussteigen, wendet und fährt wieder los. Nun darf sich jeder selbst die Frage stellen: wie resilient muss ein Kind sein, am Sonntag aufzustehen, sich anzuziehen und zur Kirche zu gehen, wenn alle anderen ausschlafen und es sich vielleicht sogar noch einen blöden Spruch der Eltern anhören muss? Kommt der Druck der Peergroup dazu, ist der Ministrantendienst mit spätestens 12 Jahren Geschichte. Wer also 16-jährigen Ministranten gegenübersteht, die nicht aus einer gläubigen und praktizierenden Familie stammen, kann getrost davon ausgehen, dass hier jemand Standfestigkeit gezeigt hat.
Und nein, sie sind weder alle heilig, noch sind sie alle super katechismusfest und -treu. Gerade in der Jugend ist so etwas wie Kirche und Liturgie eine Frage von Gefühl und unreflektierter Faszination. In manchen Fällen kann es sogar ein mehr oder weniger stummer Protest sein oder die Suche nach einer Heimat, die die Patchworkfamilie nicht zu bieten vermag. Die Möglichkeiten sind so zahlreich wie die Persönlichkeiten und darum sollten Priester sich nicht scheuen, wirklich Zeit und Mühen in die Ministrantenpastoral zu investieren. Es ist eine ungeheure Chance, die man nicht verschenken sollte.
Drei Aspekte sind hier zu beachten. Junge Menschen kommen heute zu meist nur in homöopathischen Dosierungen mit dem Glauben in Berührung. Sowohl die zumeist agnostischen Elternhäuser als auch die Schulen fallen aus. Die Sakramentenpastoral ist oft der erste Ort, an dem Kinder dem Glauben begegnen und auch hier darf man getrost Fragen stellen, wie sinnvoll klassenweise Erstkommunion noch ist. Last not least ist ausgerechnet der Ministrantendienst die Begegnung mit dem Glauben an der Quelle und auf den Höhepunkt des christlichen Lebens. Ministranten sind der Eucharistie näher als alle anderen Laien. Der Ministrantendienst führt dazu, dass die Minis – auch wenn sie nur zum Dienst zur Kirche erscheinen – auch die eine oder andere Werktagsmesse erleben dürfen. Sie sind bei Beerdigungen dabei, sie erleben Taufen und Trauungen. Nicht von Ungefähr war für lange Zeit der Dienst des Ministranten ein wichtiger Teil der Berufungspastoral. Ältere Männer, die vor der Liturgiereform den Dienst am Altar machten, berichten davon, dass der Gedanke, "eines Tages der Große da“ zu sein, wohl die meisten Minis bewegt hat.
Es geht hier in der Tat um ein Herausholen der kirchlichen Jugendarbeit aus den synodalen Filterbubbles, in denen gerade die Jugendfunktionäre noch immer gefangen sind. Im Synodalismus deutschkatholischer Art liegt keine Zukunft. Attraktiv für Jugendliche ist das schon mal gar nicht. Da die Verbände auf lange Zeit hier nicht herauskommen werden, gilt es katholische Nachwuchsarbeit sozusagen zu erden und von Verbänden unabhängig zu machen. Hat man eine starke Ministrantengruppe in der Pfarrei, dann sollte man sich die Zeit nehmen, sie zu unterweisen, Anbetung und Beichte fördern, gute Katechese machen, jugendgerechte Angebote etablieren. Die Youcat Foundation hat gute Literatur und Hilfe dazu im Angebot. Es gibt vieles, was man an Hilfen abrufen kann. Die YouTube Kanäle von Heiligenkreuz oder auch von Gebetshaus in Augsburg können hilfreich sein. Selbst einen Social-Media-Kanal einrichten, um mit den jungen Leuten in Kontakt zu bleiben und zum richtigen Zeitpunkt auch Verantwortung an junge Menschen zu übertragen sind weitere Bausteine.
Wichtig ist: Scheuklappen ab! Junge Menschen sind für den Glauben an Christus zu interessieren und zu begeistern. Nicht jeder Jugendliche wird auf den Rosenkranz abfahren, aber einige schon. Nicht jeder Jugendliche wird ad hoc den Wert der Beichte erkennen, aber einige schon. Jeder Jugendliche lässt sich einfangen, wenn er Freude an seinem Tun findet. Und da gehört ein wenig Einfühlungsvermögen dazu. Wichtig ist das authentische Zeugnis. Junge Menschen haben eine unglaubliche Antenne dafür, sie merken aber umgekehrt auch sofort, wenn man ihnen etwas vormachen will.
Große Pastorale Räume machen diese Arbeit sicher nicht leichter, aber auch junge Menschen sind heute mobil und können Entfernungen für die Dinge überwinden, die ihnen wichtig sind.
Unterm Strich muss man einfach sagen, dass der Dienst der Ministranten ganz sicher einer der bedeutenderen Bausteine der Neuevangelisierung sein kann, wenn man sich der jungen Menschen annimmt. Eines sind Ministranten nicht und sollten es auch auf keinen Fall sein: temporäres liturgisches Verbrauchsmaterial. Leider – und das muss man so sehen – sind sie das in zu vielen Pfarreien. Man ködert sie, lernt sie an und wenn die keinen Bock mehr haben, lässt man sie ziehen. Die nächsten Kommunionkinder sind ja schon in Sicht. Gemeinden, die so mit den Kindern umgehen, werden in zehn Jahren keine Ministranten mehr haben.
Priester, die sich der Ministranten mit Sorgfalt und Zuneigung annehmen, werden in wenigen Jahren gläubige junge Erwachsene und noch etwas später gläubige junge Familien haben. Wenn wir über so etwas wie Divine Renovation reden, also der Wiederherstellung der Pfarrei aus dem Glauben, aus der Eucharistie und aus der Glaubensunterweisung, dann sollte die Ministrantenpastoral – selbst wenn man nur eine Handvoll Ministranten hat – einen prominenten Platz darin einnehmen. Man kann es nicht oft genug sagen, sie machen ihren Dienst gegen einen enormen Widerstand.
Wenn die Ministrantenwallfahrt nach Rom den Messdienern Mut macht und Bischöfe aufwecken kann, sind die Subventionen dafür sicher gut und richtig angelegt. Und als Vorsatz für einen selbst: Man kann den Kids ja auch mal Danke sagen für ihren Dienst und eine Spende für die Messdienerkasse in der Sakristei vorbeibringen oder im kommenden Jahr einem den Kids die Fahrt nach Rom bezuschussen. Und wer das nicht kann, eine Dose selbstgebackene Kekse trifft jedes Kinderherz.
Foto oben: Der Messdiener, Gemälde von Franz Meyerheim, 1874 – Ausschnitt. Lizenz: Gemeinfrei.
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