Katholikentage schrumpfen weiter

3. Juni 2024 in Kommentar


Nicht nur hinsichtlich der Teilnehmerzahlen auch im Hinblick auf die Bedeutung für die Gesellschaft werden diese Tage immer kleiner. Der Montagskick von Peter Winnemöller


Erfurt-Linz (kath.net)

Dann wäre es mal wieder geschafft. „103. Deutscher Katholikentag in Erfurt beendet“ war die Überschrift einer Pressemeldung und der begleitende Gedanke dazu ein spontanes: „Püh!“ Geschrumpft ist dieses bundesweite Katholikentreffen, das von Jahr zu Jahr mehr einer leicht protestantisierenden rot-grünen Werbeveranstaltung ähnelt. Im Abschlussgottesdienst, der nur mit Mühe als katholische Messfeier zu erkennen war, gab es eine Dialogpredigt vor dem Evangelium und Zeugnisse danach. Der eucharistische Wäschekorb im dem hunderte von Hostienschalen vor dem Altar und damit vermutlich nicht Sichtweite des Zelebranten standen, hat schon Tradition. Besser wird es dadurch nicht. Optisch und musikalisch mag es beeindruckend gewesen sein. Der Inhalt war bestenfalls ein „Naja“. Nun ist es geschafft und es mag Zeit für ein Fazit sein, denn schon in zwei Jahren folgt der nächste, der 104. Katholikentag in Würzburg.

Nach dem Schock von Stuttgart, wo völlig überraschend nur 19.000 Dauerkarten verkauft wurden, von denen auch noch 7000 an Mitwirkende gingen, hat man in Erfurt konsolidiert. Derzeit kursiert die Zahl von 20.000 Teilnehmern. Genauere Zahlen wird man in den nächsten Tagen erfahren. Klein war es, das kann man sagen. Deutlich weniger Veranstaltungen waren es, das konnte man im Programm sehen. In der Tendenz kann man erwarten, dass die MEHR-Konferenz teilnehmerstärker wird als der Katholikentag. Schon jetzt sind die gesamten Teilnehmer an den jährlichen immer zahlreicher werdenden Glaubensfestivals deutlich mehr als sich zum Katholikentag auf den Weg machen. Doch Menge allein macht es nicht. Es geht um mehr. Und es gilt ehrlich zu sagen, dass man das eine kaum mit dem anderen vergleichen kann.

Der Bischof von Passau lobte die Konsolidierung und äußerte den verständlichen Wunsch nach einem geistlichen Katholikentag. Ein nachvollziehbarer Wunsch angesichts der berechtigten Kritik, dass diese Tage – sowohl die Katholikentage als auch die evangelischen Kirchentage – immer mehr zu rein politischen Tagen werden. Die Dominanz rot-grüner politischer Positionen, die zum Teil in erheblicher Spannung zum Glauben der Kirche stehen, kommt noch hinzu. Bezeichnend dafür ist, dass man es fertig bringt, ein Podium zum unter politischem Beschuss stehenden §218 zu veranstalten, auf dem niemand die Position der Kirche vertrat, was zur irrigen Ansicht führte, es gäbe da wohl einen kirchlichen Spielraum. Keine Frage ist, dass es auch um ein Versagen der Bischöfe handelt, an dieser Stelle nicht zu intervenieren.

Diese eine Veranstaltung ist aber nichts als ein Symptom in einem weiten Systemzusammenhang. Eine Kirche, die nur noch um sich selber kreist, kann nicht heilend und heiligend in eine säkulare Gesellschaft hinein wirken. Im Gegenteil, eine solche Kirche säkularisiert sich selbst in immer größerem Maße. Wir beobachten es gerade. So bleibt der Wunsch nach einem geistlichen Katholikentag ein ebenso frommer wie auch vergeblicher Wunsch, solange sich diese Eigenrotation und damit Eigensäkularisation immer weiter beschleunigt.

Keine Frage, ein Katholikentag kann und darf, ja er soll politisch sein. Das veranstaltende Zentralkomitee ist eigens gegründet worden, um katholische Positionen in den gesellschaftlichen Diskurs hineinzutragen. Je mehr sich der Staat politisch demokratisierte, was von Seiten der Kirche zunächst nicht positiv beurteilt wurde, umso nötiger wurde es, katholisch Positionen in den politischen Diskurs zu tragen. Dies ist Laiendienst, dass haben damals – lange vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil – Bischöfe und Laien richtig erkannt. Der Kulturkampf ist nicht etwa eine Schande, er ist in bester Weise katholisches Programm in einer säkularen Gesellschaft. Kampf ist dabei nicht negativ konnotiert, sondern durchaus positiv zu sehen, denn es ist der Kampf „für“: für den Glauben, für den Menschen, für die Schöpfung und für das Leben. Wer wissen will, wie sich katholische Politik anhört, führe sich noch einmal die Bundestagsrede von Papst Benedikt XVI. zu Gemüte. Das könnte man unmittelbar zu einem politischen Katholikentagsprogramm ausbauen und wäre damit noch weitaus geistlicher alle vergangenen Katholikentag der letzten 30 Jahre.

Es geht doch am Ende nicht darum, wie es derzeit zumeist läuft, dass Katholiken sich von roten und grünen Politikern die Welt erklären lassen und alle anderen in mehr oder weniger großem Maße gecancelt halten. Ein Blick auf die Gästeliste zeigt die Dominanz roter und grüner Politiker und ein politisch denkender katholischer Mensch muss sich angesichts des Lobes von Kevin Kühnert zwingend fragen, was falsch gemacht wurde. Man setzte glaubensfeindlichen roten und grünen Politikern keine starken katholischen Bekenntnisse entgegen, sondern applaudierte brav. Die CDU war schon fast vogelfrei in Erfurt und die AfD durfte gar nicht mitspielen. Hätte man die Wirtschaftspolitik der AfD mal mit der katholischen Soziallehre konfrontiert, wüsste man, dass deren Ideen kaum besser sind als grüne Wirtschaftspolitik. Würde man die AfD mit der christlichen Anthropologie konfrontieren, könnte man den völkischen Rassismus dieser Partei leicht entlarven. Und wo man vielleicht etwas Gutes hätte finden können, so wäre es erlaubt, dies zu sagen. Menschen sind nie ganz gut und nie ganz böse. Das ist erlaubt festzustellen. Die Angst vor der AfD ist nichts als Feigheit. Es wäre ein rechter politischer Katholikentag, wo der Gesellschaft und eben auch der Politik die katholische Position offensiv aber einladend erklärt würde.

Am Ende der Veranstaltung durfte zum evangelischen Kirchentag eingeladen werden und zum nächsten Katholikentag in Würzburg. Die immer größer werdenden Ähnlichkeit und die bei beiden Formaten schwindenden Teilnehmerzahlen lassen eine komplette Fusion zu einem alle zwei Jahre stattfindenden ökumenischen Kirchentag immer wahrscheinlicher werden. Es wäre nicht einmal ein großes Problem. Man kann sowas – ist man nicht gerade Journalist und muss berichten – dem Grunde nach ignorieren. Europawahl und Landtagswahlen im Osten machten den Katholikentag in Erfurt interessant für Politiker. Da immer irgendwelche Wahlen sind und die katholischen und evangelischen Christen in Deutschland nominell immer noch die Hälfte der Bevölkerung stellen, sind die Tage für Wahlkampfstrategen immer noch relevant. Es werden also immer Politiker bereit sein, diese Veranstaltungen zu besuchen. Das ist keine Aussage über Sympathien für das Christentum, dem ja die meisten linken und grünen Politiker feindlich gegenüber stehen. Es geht hier nicht um das Kreuz, es geht um Kreuze auf Wahlzetteln. Auch das sollte man wissen.

Angesichts der Tatsache, dass das nach wie vor umstrittene „ZdK“ für den Katholikentag verantwortlich zeichnet, kann man ungefähr ahnen, wie reformfähig das Format ist. Die Konsolidierung war wirtschaftlich erzwungen. Vielleicht wird die Teilnehmerzahl in Würzburg etwas größer sein als in Erfurt, doch in der Tendenz geht es abwärts. Auch ist eine Zunahme geistlicher Angebote in Würzburg nicht zu erwarten. Zwar mag es in zwei Jahren keine bundespolitische grüne Regierungsbeteiligung mehr geben, die führenden Köpfe des Katholikentages werden bis dahin ihre Sympathien nicht geändert haben. Auch für den 104. Katholikentag ist also nicht zu erwarten, dass von dort aus ein heilender oder gar ein heiligender Impuls auf eine immer weiter und tiefer gespaltene Gesellschaft ausgeht. Das erstaunlicherweise auch auf dem Katholikentag das Narrativ von der angeblich bedrohten Demokratie gepflegt wurde und sich niemand Gedanken über tatsächlich bedrohte Freiheitsrechte machte, zeigt doch überdeutlich, wie sehr das Zentralkomitee doch von diesen freiheitsbedrohenden politischen Kräften dominiert wird. Nehmen wir nur zwei Projekte der gegenwärtigen Regierung, gegen die ein Katholikentag Sturm laufen müsste: Das geplante Gesetz gegen die sogenannte „Gehsteigbelästigung“ und das brandgefährliche Demokratiefördergesetz. Beide Gesetze sind massive Angriffe auf die Meinungsfreiheit. Statt die katholische Position zu erklären lauschte man devot den Feinden des Glaubens. Feindesliebe ist zwar geboten, aber sie sollte schon etwas ehrlicher sein. So endet der Katholikentag und alle haben sich lieb. Nunja, fast alle.

Schon diese oberflächliche Analyse zeigt, dass es gut ist, wenn die Katholikentage weiter schrumpfen und in der absoluten Irrelevanz versinken. Aus dieser Unsichtbarkeit könnte sich dann durch geistliche Übernahme vielleicht später einmal ein fröhliches Katholikenfest entwickeln. So in 20 bis 30 Jahren etwa.

 

 

Bild: Vor der wunderbaren Kulisse des Erfurter Domberges fand der 103. Katholikentag statt. Das Wetter zeigte sich allerdings nicht von so schöner Seite wie in unserem Bild. -- Foto: Pixabay.


© 2024 www.kath.net