Kardinal: Weihnachts-Massaker in Nigeria war präzise vorbereitet

10. Jänner 2024 in Weltkirche


Abujas Alterzbischof Onaiyekan drängt in Interview auf rasche Aufklärung der Gräueltaten, denen 200 Menschen zum Opfer fielen - "Es geht definitiv um islamischen Terrorismus und bei Angriffen hört man islamistische Parolen"


Abuja (kath.net/KAP) Zwei Wochen nach dem verheerenden Massaker zu Weihnachten mit 200 Ermordeten hat sich der nigerianische Kardinal John Onaiyekan mit scharfer Kritik an den Behörden seines Heimatlandes zu Wort gemeldet. Die Anschlagsserie, bei denen 37 Dörfer dem Erdboden gleich gemacht wurden, sei genauestens vorbereitet und koordiniert gewesen, was nur durch die "ernste Sicherheitskrise" Nigerias möglich sei, sagte der emeritierte Erzbischof von Abuja am Wochenende im Interview mit "Vatican News". Nötig sei eine Reaktion auf den "Horror" in Afrikas bevölkerungsreichster Nation, in der derzeit keine Region mehr sicher sei und jeder in Angst lebe.

Rund um Weihnachten hatten Angreifer im zentral-nigerianischen Bundesstaat Plateau rund 200 Menschen getötet und 500 weitere verletzt. Hunderte Familien verließen ihre Häuser und suchten in Flüchtlingslagern Zuflucht. Augenzeugen hätten berichtet, dass der Angriff in allen Dörfern gleichzeitig erfolgt sei, sagte Kardinal Onaiyekan. "Das bedeutet, dass es sich um einen koordinierten, gut vorbereiteten und präzise ausgeführten Massenmord handelte."

Dass die Regierung seit Jahren behaupte, sie habe die Situation durch den Einsatz vieler Sicherheitskräfte im Griff, bezweifelte der Kardinal stark, ebenso wie er auf die Ankündigung, man werde die Morde untersuchen, mit Skepsis reagierte. Es sei mehr als fraglich, wie man derart umfangreiche Gräueltaten vorbereiten und ausführen haben könne, ohne dass dies bemerkt worden sei, betonte Onaiyekan. Auch die Fragen, woher die Waffen der Angreifer stammten, wer sie trainiert habe und was mit den Morden bezweckt werden solle, gelte es zu stellen.

Hinsichtlich der Identität der Täter gibt es derzeit noch keine gesicherten Erkenntnisse. Laut dem emeritierten Erzbischof gibt es Hinweise, es handle sich auch um Bewohner der Region, "Nachbarn, die mit den Ermordeten Streit hatten". Besonders würden Fulani-Viehhirten verdächtigt, die sich in den vergangenen Jahren "stark bewaffnet" hätten. Einiges deute darauf, dass diese halbnomadische Gruppe in den vergangenen Jahren von Terroristen unterwandert worden sei, sagte Onaiyekan. Klar sei hingegen das Profil der Opfer, nämlich christliche Bauern, die schon seit vielen Generationen in der Region lebten.

Nachdem Nigerias Vorgänger-Regierung unter Präsident Muhammadu Buhari hinsichtlich der Verfolgung von Christen "völlig verantwortungslos" gewesen sei und manche ihm vorhielten, einige seiner Leute wären an den ständigen Fulani-Überfällen sogar beteiligt gewesen, dürfe nicht "das Gleiche mit einer neuen Regierung und einem neuen Präsidenten weitergehen", mahnte der Kardinal. Damit die Gräueltaten "nicht erneut unter den Teppich gekehrt werden", müssten die Schuldigen wie auch die Hintermänner ausgeforscht und bestraft werden.
Religiöse Dimension im Konflikt

Das Phänomen ständiger Fulani-Angriffe auf Dörfer in Nigeria habe vor rund zehn Jahren begonnen, erklärte der 80-jährige Kirchenmann. Der Konflikt habe eine ethnische und wirtschaftliche Dimension, jedoch auch eine religiöse, die zu benennen man lange zurückgeschreckt habe. Nun führe aber kein Weg daran vorbei - "denn es geht definitiv auch um islamischen Terrorismus und Fanatismus, und bei den Angriffen hört man islamistische Parolen", so Onaiyekan. Auch die muslimischen Führer seien zu belangen: Statt sich hinter Aussagen zu verstecken, die Kriminellen seien "keine Muslime", sollten sie den Imamen klare Vorgaben für die Predigten in den Moscheen geben.

Überaus dankbar zeigte sich der Kardinal für die Erwähnung des Massakers durch den Papst am Silvestertag. Franziskus habe die Welt auf den "Horror" und die Unsicherheit in Nigeria aufmerksam gemacht und sei von den dortigen Zeitungen auch rezipiert worden - teils mit Kritik daran, dass sich das Kirchenoberhaupt in innere Angelegenheiten einmische. Fakt sei jedoch, dass man bisher "nichts von der Verhaftung bedeutender Personen gehört" habe und auch keine klare Erklärung über den Tathergang oder die Motive der Angreifer. "Die Hinterbliebenen haben nur Hilfe suchend zum Himmel geschaut", so Onaiyekan.

Land der schlimmsten Christenverfolgung

Nigeria gilt als das Land mit der meisten Christenverfolgung weltweit. Nach den neuesten Statistiken des Vatikans wurden vier der neun im Jahr 2023 in Afrika getöteten Missionare in Nigeria registriert. Dem Hilfswerk Open Doors zufolge stammen 90 Prozent der mehr als 5.600 im vergangenen Jahr wegen ihres Glaubens getöteten Christen. Die päpstliche Stiftung "Kirche in Not" verzeichnet im jüngsten Jahresbericht mehr als 7.600 nigerianische Christen, die zwischen Jänner 2021 und Juni 2022 getötet wurden.

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Archivfoto Kardinal Onaiyekan (c) gemeinfrei


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