Botschafter beim Vatikan: Zwischen Weltkirche und Weltpolitik

7. Jänner 2024 in Chronik


Die für Montag geplante Papstrede vor den beim Heiligen Stuhl akkreditierten Diplomatinnen und Diplomaten ist eine der wichtigsten des Jahres - Von Kathpress-Korrespondentin Severina Bartonitschek


Rom/Vatikanstadt (kath.net/KAP) Es gibt sie in riesigen Palazzi rund um den Vatikan und in der Altstadt, in kleinen Wohnungen nahe des Hauptbahnhofs oder in eher gediegenen Wohnvierteln Roms: Insgesamt 92 Botschaften beim Heiligen Stuhl befinden sich physisch in der Ewigen Stadt - darunter auch die der EU. Ganz frisch ist die Schweizer Vertretung dabei. Zu insgesamt 184 Staaten sowie der EU und dem Souveränen Malteserorden unterhält der Vatikan diplomatische Beziehungen.

Oft sind die Vatikan-Botschaften kleiner und etwas unscheinbarer als die jeweiligen Vertretungen für die Republik Italien. Dennoch spielen sie immer wieder eine wichtige Rolle - nicht zuletzt in der öffentlichen Wahrnehmung. Das liegt nicht nur an der traditionellen Rede des Papstes an das diplomatische Corps Anfang Jänner. Mit ihrer vatikanischen Perspektive zur Weltlage gilt sie als eine der wichtigsten Papst-Ansprachen des Jahres. Am kommenden Montag (8. Jänner) wird Franziskus erneut vor den Botschaftern sprechen.

Große Aufmerksamkeit

Ein weiterer Grund für Aufmerksamkeit ist der ungewöhnliche wie persönliche Weg der Kontaktaufnahme des Papstes zu den jeweiligen Botschaften. Zu einem der bekanntesten Fälle zählt der spontane Besuch von Franziskus beim russischen Vertreter beim Heiligen Stuhl im Februar 2022. Am ersten Tag nach dem Angriff auf die Ukraine ließ sich das katholische Kirchenoberhaupt in einem Fiat 500 zu Moskaus Botschafter Alexander Awdejew fahren. In dem halbstündigen Gespräch brachte der Papst seine Sorge über Russlands Vorgehen zum Ausdruck. Auch danach blieben er und der mittlerweile abberufene Diplomat in Kontakt.

Die Nähe zum Vatikan bietet den jeweiligen Staaten einen gewissen Einfluss auf das Kirchenoberhaupt und seine diplomatischen Mitarbeiter. Besonders relevant ist das derzeit für den Botschafter der Ukraine, ebenso für die Vertreter von Israel und Palästina. Über sie kamen etwa die Treffen des Papstes mit Angehörigen von Hamas-Geiseln sowie Verwandten von Menschen im Gazastreifen zustande. Solche Treffen haben durchaus politisches Gewicht. Denn wer im Vatikan vorsprechen darf, erhält zugleich internationale (mediale) Aufmerksamkeit für sein Anliegen.

Aufbau eines Netzwerks

In erster Linie sind Vatikanbotschafter aber eines: Übersetzer. Sie übersetzen die Vorgänge im Vatikan und besonders dessen außenpolitisches Handeln für ihre jeweiligen Regierungen. Andersherum verhält es sich ebenso. Dafür braucht es vor allem Kontakte. Der Aufbau eines Netzwerks ist Hauptaufgabe eines jeden Botschafters. Nur in vielen Gesprächen mit unterschiedlichen Personen lässt sich ein zuverlässiges Gesamtbild schaffen. Dazu zählen nicht nur Kontakte zu Mitarbeitern der Kurie, sondern ebenso zu anderen Diplomaten und Journalisten.

Die Botschafter arbeiten mit dem Heiligen Stuhl zusammen - dem völkerrechtlichen Arm der katholischen Weltkirche. Der ist ähnlich aufgebaut wie andere Regierungen: Der Papst ist Staatsoberhaupt, Regierungschef ist Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin. Und dessen Staatssekretariat ist mit dem Bundeskanzleramt vergleichbar.

So etwas wie Ministerien gibt es auch - die sogenannten Dikasterien. Sie unterscheiden sich aber in ihren Schwerpunkten mitunter stark von gewöhnlichen Regierungen. Weltliche Anknüpfungspunkte finden sich gewiss mit Blick auf die vatikanische Entwicklungsbehörde, thematisch eher ausgefallen wirkt jene für die Ordensleute.

Auch Österreich vertreten

Die ersten ständigen diplomatischen Vertretungen beim Heiligen Stuhl gab es Anfang des 16. Jahrhunderts. Die lange Zeit bestehende österreichische Gesandtschaft wurde Mitte des 19. Jahrhunderts zur Botschaft aufgewertet.

Heute befindet sich die österreichische Auslandsvertretung beim Heiligen Stuhl in der römischen Via Reno. Hier arbeitet und residiert seit Mitte 2022 der Diplomat Marcus Bergmann als Botschafter. Der gebürtige Oberösterreicher war zuvor unter anderem stellvertretender Sektionsleiter für internationale Kulturangelegenheiten im Wiener Außenministerium und leitete die Außenamts-Abteilung für Dialog der Kulturen und Religionen. Neben den diplomatischen Beziehungen Wiens zum Heiligen Stuhl betreut Bergmann auch jene zum Souveränen Malteser-Ritter-Orden und zur Republik San Marino.

Der Vatikan unterhält auch eigene Botschaften in vielen Ländern dieser Welt. Die sogenannten Nuntiaturen stehen nicht nur mit politischen Vertretern, sondern ebenso mit der lokalen katholischen Kirche im engen Austausch. Das verschafft dem Vatikan einen tiefen Einblick in soziale und gesellschaftliche Strukturen - und damit ein beispielloses diplomatisches Netzwerk.

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