„Am Synodeneröffnungstag erhielten wir … alle per E-Mail die Unterlagen des deutsch-Synodalen Weges“

15. November 2023 in Weltkirche


Präsident der Polnischen Bischofskonferenz, Gądecki: „Fast alle der dort aufgeführten Forderungen geben mir Anlass zu ernsthaften Bedenken. Ich glaube, dass sich die Kirche in Deutschland in der größten Krise seit der Reformation befindet.“


Vatikan-Warschau (kath.net/pl) „Am Eröffnungstag der Synode erhielten wir … alle per E-Mail die Unterlagen des Deutschen Synodalen Weges. Fast alle der dort aufgeführten Forderungen geben mir Anlass zu ernsthaften Bedenken. Ich glaube, dass sich die Kirche in Deutschland in der größten Krise seit der Reformation befindet. Im Gegenzug lese ich den Versand der oben genannten Dokumente als einen Versuch, die deutschen Probleme in der Kirche zu verbreiten. Die Dokumente stützen sich in hohem Maße auf die protestantische Theologie und die Sprache der modernen Politik.“ Das schildert der Präsident der Polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Stanislaw Gądecki (siehe Link), spürbar irritiert im Interview mit dem US-Portal „Catholic World Report“ (siehe Link unten). Er sagt weiter: „Daraus ergibt sich die Überzeugung, dass sich die Kirche der Welt anpassen sollte, indem sie ein demokratisches System und die Standards einer liberalen Bürokratie übernimmt. Wir haben in Deutschland grundsätzlich eine Kirche mit einer ausgebauten Bürokratie. Daraus ergibt sich der Wunsch, die Macht der Bischöfe einzuschränken und die Absicht, parallel zur hierarchischen eine weltliche Machtstruktur aufzubauen und eine weltliche Aufsicht über die Bischöfe einzuführen.“

Der Erzbischof von Posen war selbst Delegierter bei der Bischofskonferenz, die im Oktober im Vatikan stattgefunden hatte. Dabei hatte sich die Synode selbst „mit der Frage der Synodalität befassen“ wollen, erläuterte er, „also mit der Suche nach Lösungen für die Gestaltung der Beziehungen zwischen den verschiedenen Lebensbereichen innerhalb der Kirche, wie Bischöfen, Priestern, Ordensfrauen und -männern sowie Laien, damit dies der Evangelisierungsarbeit bestmöglich dient“. „Die meisten Laien in Polen“ hielten „dies für äußerst wichtig. Sie haben auch deutlich gemacht, dass sie von der Kirche erwarten, dass sie neue Wege findet, das Evangelium zu verkünden, ohne Kompromisse bei der Lehre einzugehen und Christus und dem Evangelium treu zu bleiben.“

Gądecki führte später im Interview aus, dass „Deutschland stark auf die Einführung des Diakonats für Frauen“ dränge, „allerdings berufen sie sich nicht auf theologische Argumente, sondern auf das Verbot von Geschlechterdiskriminierung und Frauenförderung. Diese Argumentation legt nahe, dass es hier nicht um den Diakonat geht, sondern um die Stellung der Frau in der Kirche. Folglich wäre die Einführung des Frauendiakonats keine Lösung des Problems, sondern würde den Streit um die Priesterweihe von Frauen nur weiter anheizen.“ Der Erzbischof verwies außerdem auf einen Satz von Papst Franziskus. Der Papst sagte, dass eine Frau „keinen Anspruch auf das Petrusprinzip, sondern auf das Marienprinzip hat, was wichtiger ist“. Gądecki betonte: „Die Tatsache, dass eine Frau keinen Zugang zum Weiheamt hat, ist also keine Benachteiligung, denn ihr Platz ist viel wichtiger. In unserer Katechese machen wir einen Fehler bei der Erklärung dieser Dinge und kehren am Ende zu einem Verwaltungskriterium zurück, das auf lange Sicht nicht funktioniert.“

„Das zweite Thema“ aus Deutschland sei „die Frage des Priesterzölibats. In dem Bericht heißt es, dass zu diesem Thema ‚unterschiedliche Einschätzungen‘ geäußert worden seien. Was das Zölibat betrifft, müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass diejenigen, die von der ‚Freiwilligkeit‘ des Zölibats sprechen, in Wirklichkeit seine Abschaffung befürworten.“ Gądecki betonte, dass der Zölibat „eines der bedeutendsten Zeichen dafür“ sei, „dass man wirklich an die Realität und Wahrheit Gottes glaubt. Es ist der wahre Schatz unserer Kirche. Vielleicht nannten die alten christlichen Schriftsteller deshalb der Zölibat ‚weißes Märtyrertum‘. Der Zölibat ist – wie das Martyrium – ein eindrückliches Zeichen des Glaubens an den absoluten Vorrang Gottes im Leben. Das Leben eines Zölibats ist ein klares Zeichen dafür, dass Gott die kostbare Perle ist – der Eine, der Allereinzige. Der Einzige, ohne den es unmöglich ist zu leben. Die wahre und ultimative Behinderung im Leben ist nicht das Zölibat, sondern die Gottlosigkeit, ein Leben ohne Gott, A-Theismus. Gott ist alles, was wir brauchen. Der radikale Verzicht auf die schönste Form der menschlichen Liebe – Ehe und Familie – ist das Zeichen dafür, dass Gott für uns alle eine absolute Notwendigkeit ist, um unser menschliches Schicksal zu erfüllen. Wer soll diese Wahrheit zeigen, wenn nicht die Pfarrer der Gemeinde? Die Tatsache, dass einige Priester in den letzten Jahren ein Skandal waren, macht es für manche Menschen schwieriger, die Größe und den Sinn eines zölibatären Lebens zu verstehen. Dies ist jedoch kein ausreichender Grund für die Kirche, den Priesterzölibat aufzugeben.“ Denn weiterhin „gehen junge Menschen auf der ganzen Welt diese Verpflichtung großzügig ein. Tausende Priester sehen Christus selbst, den Hohepriester, der keine Familie gründete, als Vorbild für ihren Dienst an anderen.“

Gądecki kritisierte, dass der Begriff „Inklusion“ zwar im Synodensaal oft gefallen war, sich aber dennoch „nur wenige Menschen“ fragen, was er bedeutet. Schon bevor der Begriff „Inklusion“ den Synodensaal erreichte, sei er „in der Sprache der säkularen Politik klar definiert“ worden. Man solle ihn „nicht nur mit ‚All-Inclusive‘-Urlauben in Verbindung bringen, sondern auch mit der International Planned Parenthood Federation und der UN-Frauenagenda. Die Dokumente dieser Institutionen untergraben eindeutig die binäre Geschlechtertrennung und erkennen alle Formen des Geschlechtsausdrucks als gleichwertig an. Dabei geht es auch darum, die bestehenden Kriterien für den Beitritt verschiedener Gruppen, darunter auch der Kirche, abzuschaffen oder zu lockern. Als die lutherische Kirche in Schweden [noch] eine Staatskirche war, forderte ein Atheist die Aufnahme in die Kirchengemeinschaft ohne Taufe. Er gewann das Gerichtsverfahren: Es wurde entschieden, dass die Forderung nach einer Taufe eine Diskriminierung darstelle.“

Abschließend formulierte Gądecki: „Die Aufgabe der Synode bestand darin, das Charisma der Evangelisierung sowohl unter den Laien als auch unter den Geistlichen wiederzubeleben. Die Wertschätzung der Laien in der Kirche ist von entscheidender Bedeutung, darf jedoch nicht zur Zerstörung der hierarchischen und apostolischen Struktur der Kirche führen.“ Dann verwies er auf den hl. John Henry Newman. Newman war „dankbar dafür, dass das Licht des Glaubens trotz vieler turbulenter Ereignisse seine Generation unbefleckt erreichte“ und „erklärt, dass manchmal in der Geschichte die Fackel des orthodoxen [rechtgläubigen] Glaubens nur von einem Mann getragen wurde, da alle anderen in die Irre gegangen waren, einschließlich der Bischöfe. Ich denke, dass er in diesem Bild unser Vertrauen in den Heiligen Geist wirkungsvoll zum Ausdruck bringt, der nicht zulässt, dass das von Christus entzündete Licht ausgelöscht oder durch ein anderes Licht ersetzt wird.“

Brief von Erzbischof Gądecki an Papst Franziskus: Außerdem wurde am 15. November von der polnischen katholischen Nachrichtenagentur KAI der Brief veröffentlicht, welchen Erzbischof Gądecki am 9. Oktober (also kurz nach Beginn der Bischofssynode) an Papst Franziskus geschrieben hatte. Darin warnte Gądecki sehr grundsätzlich vor den drei Punkten Demokratisierung der Kirche, Veränderung der kirchlichen Sexualmoral einschließlich der Segnung gleichgeschlechtlicher Verbindungen, Diakonen- und Priesterweihe für Frauen. Wörtlich schreibt der Präsident der Polnischen Bischofskonferenz: „Als Präsident der Polnischen Bischofskonferenz, mit kindlicher Hingabe und Respekt für das Apostolische Amt des Nachfolgers des hl. Petrus, und gleichzeitig mit Besorgnis und Trauer über die Entscheidungen des Deutschen Synodalen Weges, möchte ich den Heiligen Vater auf diese äußerst inakzeptablen und unkatholischen Thesen des Synodalen Wegs aufmerksam machen, im Vertrauen darauf, dass das Apostolische Depositum [des Glaubens], von dem Eure Heiligkeit Hüter und Treuhänder ist, intakt bleibt.“

Link zum Interview im „Catholic World Report“ in voller Länge: Will the Synod transmit faith or unbelief? An interview with Archbishop Stanisław Gądecki

Brief von Erzbischof Gądecki an Papst Franziskus bei KAI: Przewodniczący KEP wystosował do papieża list na temat niemieckiej „drogi synodalnej”

Archivfoto Erzbischof Gądecki (c) Polnische Bischofskonferenz

 


© 2023 www.kath.net