
8. November 2023 in Aktuelles
Metropolit kritisiert Moskauer Patriarch Kyrill für fehlende Unterstützung seit Beginn des Ukraine-Krieges - Immer mehr Priester und Gläubige in Moldau wechseln zur rumänisch-orthodoxen Kirche
Chisinau/Zürich (kath.net/KAP) Metropolit Vladimir (Cantarian) von Chisinau und der Moldau hat dem Moskauer Patriarchen Kyrill mangelnde Unterstützung und Missachtung der moldauischen Orthodoxen Kirche vorgeworfen. Der "Nachrichtendienst Östliche Kirchen" (NÖK, aktuellen Ausgabe) berichtet von einem Brief des Metropoliten, in dem dieser beklagt, seine Kirche würde immer mehr an den Rand der moldauischen Gesellschaft gedrängt.
Grund dafür sei die Verbindung der Kirche mit der "Förderung prorussischer Interessen in der Republik Moldau" aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum Moskauer Patriarchat, erklärte der Metropolit. Dieses werde in der moldauischen Gesellschaft als "Vorposten des Kremls und Anhänger der russischen Invasion in die Ukraine" wahrgenommen.
Vladimir verweist in seinem Schreiben auf die strikte Ablehnung der moldauischen Bevölkerung gegenüber der "aggressiven Einmischung Russlands in die Angelegenheiten der benachbarten und befreundeten Ukraine". Dies spiegele sich auch im deutlich gesunkenen Vertrauen der Bevölkerung in die Kirche wider, was "direkt mit unserer Zugehörigkeit zum Moskauer Patriarchat und dessen Rhetorik in Bezug auf die Ukraine und Moldau zusammenhängt".
Der Metropolit bemängelt zudem die mangelnde Unterstützung seiner Kirche durch das Moskauer Patriarchat seit dem Beginn des Kriegs gegen die Ukraine. Auf viele Bitten habe seine Kirche keine Antwort oder bloß inzwischen wieder vergessene Versprechen erhalten. Verhandlungen und Korrespondenzen würden ignoriert, während die Zeit "sehr schnell und nicht zu unseren Gunsten" verfliege.
Abwerbung von Priestern
Konkretes Handeln sei aber nötig, um die moldauischen Geistlichen zu halten, so der orthodoxe Kirchenmann. Denn diese würden vom rumänischen Staat einen festen Lohn, Krankenversicherung und eine Rente erhalten, wenn sie zur rumänisch-orthodoxen Kirche wechseln. Deren bessarabische Metropolie erhält künftig zwei Millionen Euro an öffentlichen Mitteln jährlich, entschied im Oktober der Senat mit Unterstützung der Opposition.
Zuletzt hatten sechs Priester der moldauischen Kirche ihre Gemeinden aufgrund der schwierigen materiellen Lage verlassen, waren zur rumänischen Orthodoxie gewechselt. Daraufhin beschloss der Heilige Synod ihrer einstigen Kirche am 25. Oktober den Entzug ihrer Priesterwürde, was jedoch von der bessarabischen Metropolie als ungültiger Schritt betrachtet wird, zumal man sich als einzig legitime orthodoxe Kirche in der Republik Moldau betrachte. Seitens der rumänischen Kirche hieß es, man bemühe sich, alle Gemeinden des Landes "in ihren Schoß zurückzuführen". In einem Aufruf an "alle, die sich von russischen Eparchien eingeschränkt fühlen", wird dazu ermuntert, "diese Sklaverei zu verlassen" und sich der rumänischen Orthodoxie anzuschließen.
"Antinationale Sabotage"
Sorge bereitet der moldauischen Kirche insbesondere auch die "immer offenere und konsequentere Unterstützung" der Regierung der Republik Moldau für die bessarabische Metropolie der rumänisch-orthodoxen Kirche. Gläubige in der Republik Moldau und in Transnistrien bäten ihre Priester, Patriarch Kyrill in den Gottesdiensten nicht mehr zu kommemorieren oder gar zur rumänischen Kirche zu wechseln. Gegen das Erstarken der Bessarabischen Metropolie fühlt sich die moldauische Kirche machtlos. Jeder Schritt, mit dem sie sich dagegen wehren könnte, würde als "antinationale Sabotage gewertet", befürchtet Vladimir.
Sorge bereitet Metropolit Vladimir zudem, dass die russisch-orthodoxe Kirche ihre moldauische Schwesterkirche in die "Russische Welt" integrieren will, die "unseren nationalen Bestrebungen und Werten fremd ist". Leider verfolge die Kirche von Moskau weiterhin ein "Denationalisierung" der Republik Moldau, die im russischen Zarenreich begonnen und in der Sowjetunion weitergeführt worden sei. Die weltlichen und kirchlichen Mächte in Russland betrachteten "uns als peripheres und rückgratloses Volk" ohne Recht, selbst für sich zu entscheiden, heißt es in dem Brief weiter.
Loyalität auf Kosten der Autorität
Sergei Chapnin, Kommunikationsdirektor am Orthodox Christian Studies Center der Fordham University in New York, bezeichnete Vladimirs Brief laut NÖK-Bericht als wichtiges Dokument und "ehrliche und nüchterne Sicht" auf die politischen und kirchlichen Entwicklungen in der Republik Moldau. Das Wichtigste sei, dass der Metropolit einem Verbleib der moldauischen in der russisch-orthodoxen Kirche kritisch gegenüberstehe.
Mit seiner Loyalität zum Regime habe sich Patriarch Kyrill Macht und Ressourcen gesichert, dafür habe er an Autorität und Einfluss im Ausland verloren, so Chapnin im Interview mit "Radio Europa Liber Moldova". Früher oder später werde er alle autonomen Kirchenstrukturen außerhalb Russlands verlieren. Metropolit Vladimir versuche den Bruch kultiviert und friedlich zu vollziehen, doch das werde ihm angesichts der Kompromisslosigkeit des russischen Patriarchen kaum gelingen.
Auch wenn das Moskauer Patriarchat bisher offenbar nicht auf den Brief geantwortet hat, erkennt Chapnin ein Nachgeben Kyrills. So sei etwa Archimandrit Filaret (Cuzmin) am 22. Oktober zum Bischof geweiht worden, wozu Metropolit Vladimir schon vor einem Jahr entschlossen gewesen war, doch hatte damals Patriarch Kyrill dagegen Einspruch erhoben. Nun habe Kyrill nicht nur die Kandidatur erlaubt, sondern auch Chisinau statt Moskau als Weiheort.
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