Auflösung kirchlicher Autorität

19. Oktober 2023 in Kommentar


Nun aber soll die Pyramide (Hierarchie) nicht mehr nur auf dem Kopf gestellt werden, was der Papst wünscht, aber nicht tut, sondern sie wird geradezu demokratisch pulverisiert - Ein Gastkommentar von Bischof Marian Eleganti


Rom (kath.net)

Es wird immer deutlicher (vgl. die neuesten Stellungnahmen von Kard. Fernandez auf Facebook und seine Antwort auf die Dubia von Kard. Duka), um was es bei dem neu propagierten Begriff «Synodalität» in Wirklichkeit geht: um die Auflösung unabhängiger, hierarchischer, kirchlicher Autorität in Bezug auf Lehre und Leitung. Die kirchliche Hierarchie soll in ihrer Ausübung eingeebnet werden in demokratische – sprich synodale (vgl. Anglikanismus) -  Prozesse.

Autorität gibt es dann nur noch in der Form demokratischer, mehrheitlicher Mitentscheidung, die, was eine Lehrposition betrifft, von der kirchlichen Autorität entsprechend einem Mehrheitsvotum abgesegnet werden soll (Forum externum) oder in der Form einer sakramentalen Lossprechung, die von den Beichtvätern entsprechend der Gewissens-entscheidung des Poenitenten (forum internum) nicht aber des Priesters als des verbindlichen Richters in konkreten, sittlichen Fragen, nicht verweigert werden darf.

Letztverbindlich ist dann nicht mehr die autoritative und autonome Entscheidung des Bischofs oder Priesters (unbeschadet immer möglicher und angeratener Beratung), sondern das Mehrheitsvotum (Mitbestimmung) auf der einen Seite, die Gewissensentscheidung des Poenitenten, der die Lossprechung sucht, auf der anderen. Die Binde- und Lösegewalt der kirchlichen Autorität bestünde dann wesentlich nur noch im Nachvollzug solcher, nicht von ihr selbst getroffenen, höchstens mitgetragenen Entscheidungen, welche die Mehrheit oder das individuelle (aber nicht das eigene) Gewissen treffen. Das alles wird begründet mit dem Postulat, Machtmissbrauch (Klerikalismus) zu vermeiden, der natürlich nur auf der Seite der kirchlichen Autorität gesehen wird! Auch das ein blinder Fleck.

Allein das Handeln des aktuellen Papstes hebt sich in seiner nie dagewesenen autokratischen Ausübung, die vor nichts Halt macht und in allen Bereichen (Lehre; Leitung; Personalführung; Gerichtsbarkeit) von diesem neuen, synodalen Stil abrückt, krass ab. Ja, es widerspricht ihm fundamental, ohne dass jemand es merkt, der «Synodalität» als neue Zauberformel ständig im Munde führt und bei jeder Gelegenheit in Berufung auf das sog. «neue Lehramt (nicht aber Beispiel) von Franziskus» anmahnt.

Jesus hat aber die Binde- und Lösegewalt (sakramentale Vollmacht, Leitungs- und Lehrautorität) ausschliesslich den Aposteln übertragen und diese wiederum ihren Nachfolgern, den Bischöfen. Das Zweite Vatikanische Konzil hat deshalb an der von Jesus begründeten, hierarchischen Struktur des Volkes Gottes festgehalten und das Bischofsamt gegenüber dem Papsttum in die rechte Mitte (sub Petro et cum Petro) zwischen päpstlichem Absolutismus (vgl. Vatikanum I) und Mitwirkung der Laien (Vatikanum II) gerückt. Es hat aber den wesensgemässen, nicht graduellen Unterschied zwischen dem besonderen (Priester-weihe) und allgemeinen Priestertum (Taufe) nicht aufgehoben, sondern nachhaltig betont. Und genau diesen Unterschied will man in der neuen Synodalität aktuellen Zuschnitts nicht mehr beachten, weshalb der christliche Osten keine Vergleichbarkeit solcher Synodalität (wie die aktuelle in Rom) mit ihrer eigenen, auf die apostolische Zeit zurückgehenden Tradition und Praxis sieht (Synoden sind dort eine ausschliessliche Versammlung von Bischöfen, die ihre Autorität verbindlich ausüben).

Nun aber soll die Pyramide (Hierarchie) nicht mehr nur auf dem Kopf gestellt werden, was der Papst wünscht, aber nicht tut, sondern sie wird geradezu demokratisch pulverisiert. Davon ausgenommen bleibt die päpstliche, absolute Vollmacht, die am Ende aus synodalen Voten sowieso (autoritativ und autonom) das machen kann, was sie immer schon wollte (zusammen mit anderen, die es ohne sie nicht durchsetzen konnten). Die Befragungen dienen dann vor allem  der angestrebten, breiteren Akzeptanz. Das sind nach meiner Einschätzung die Fakten.

Um letztere geht es: Die Praxis steht ja über der Idee, die sich im sog. «Lehramt von Franziskus» (ich kenne nur dasjenige der Kirche) meandrisch ausdrückt.  Die Prozesse sind unumkehrbar, aber nur, wenn man die Rechnung ohne den HERRN macht. Sie sollen die Kirche von ihren alten Fehlern (Rigidität, Dogmatismus und Klerikalismus) befreien. Mit anderen Worten: Endlich können unter diesem Pontifikat die Räume eingenommen werden, auf die man schon lange (mindestens seit den 60 er Jahren, wenn nicht länger) begehrlich schielt im Gegensatz zur eigenen Behauptung, dies nie angestrebt zu haben (Prozesse auslösen, nicht Räume einnehmen zu wollen). Wer Einspruch erhebt oder dagegen ist, spricht zu wenig mit dem Geist. Und weil man dies 2023 in einem neuen Anlauf immer noch nicht erreichen wird, braucht es einen weiteren im 2024.


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