Der vorbildliche Jugendseelsorger Don Giovanni Minzoni (1885-1923) ist nun „Diener Gottes“

27. August 2023 in Chronik


Für die bemerkenswerte „Galionsfigur der Antifa“ beginnt 100 Jahre nach seiner Ermordung das Seligsprechungsverfahren. Gastbeitrag von Elmar Lübbers-Paal


Argenta (kath.net) „Wo lassen wir nur die zu erwartenden großen Pilgermassen?“, „Wie versorgen wir die anstürmenden  Pfadfindergruppen, die hier Gruppentreffen und Gebetsabende abhalten wollen?“ Haben wir überhaupt genügend Sozialräume, um der Schar der großen Pilgerströme gerecht werden zu können?“ Freilich, dies sind keine Fragen einer deutschen Kirchengemeinde. Dies sind ernsthafte Fragen der Kirche von Argenta (Provinz Ferrara; Nordosten Italiens). Zum 100. Jahrestag der Ermordung des Pfarrers Don Giovanni Minzoni, am 23. August 2023, wurde bekannt, dass der vorbildliche Jugendseelsorger fortan als „Diener Gottes“ verehrt werden darf und nun sein offizielles Seligsprechungsverfahren beginnt. Vermutlich wird es sogar zu einem „beschleunigten Verfahren“ kommen, da davon auszugehen ist, dass Don Minzoni vom Dikasterium für Selig- und Heiligsprechungen als „Märtyrer“ eingestuft werden wird. Laut Aussagen von Don Fulvio Bresciani in der Kathedrale von Argenta „haben die Argentaner die Erinnerung an Don Minzonis Arbeit und Opfer nie vergessen. ... Wenn alles so kommt, wie es derzeit aussieht, wird Argenta von diesem Moment an eine ständiges  Wallfahrtsziel von Gläubigen und jungen Menschen sein, insbesondere der Pfadfinder, die ihn bereits als ihren Märtyrer betrachten.“

„Ein missionarischer Pfarrer unter Jungen und Jugendlichen ist für uns heute ein großes Vorbild“, sagte der Erzbischof von Ravenna-Cervia, Monsignore Lorenzo Ghizzoni, auf das Lebenswerk Don Minzonis blickend.

Giovanni Minzoni wurde am 29. Juni 1885 in Ravenna geboren. Bereits als Jugendlicher verstand Minzoni das Priestertum als ein Apostolat, als ein Leben voller Opfer für die Erlösung der Seelen. Freunde und Mitseminaristen bestätigten dies später eindrucksvoll. Seine Fähigkeit, mit jungen Menschen zu leben und sie zu erziehen, wurde in der Betreuung der Jungen des Erzbischöflichen Erholungszentrums, zu dem er in den Ferien zusammen mit anderen Seminaristen gerufen wurde, unter Beweis gestellt.

Minzoni wurde von Erzbischof Mons. Morganti zum Priester geweiht und feierte seine erste heilige Messe am 10. September 1909 in der Kirche San Domenico, der Pfarrei seiner Familie. Er verbrachte einige Monate damit, seinem Onkel, dem Erzpriester der Pfarrei der Heiligen Vito und Modesto, beizustehen. Dann ging er auf Wunsch des Oberen in der Fastenzeit 1910 nach Argenta, einer alten und historischen Stadt in der Provinz Ferrara und der Diözese Ravenna, um dort als Kaplan von San Nicolò zu arbeiten.

Er machte sich sofort bei seinem Vorgesetzten Don Bezzi und der Bevölkerung durch sein offenes und fröhliches Wesen, seine eifrige Tätigkeit und seine unvergleichlichen Talente in der Ausübung des Priesteramtes einen Namen. In den Jahren 1912, 1913 und 1914 besuchte er die beschleunigten Kurse der Sozialschule von Bergamo und erlangte den Doktorgrad mit voller Punktzahl. Argenta war ein Schauplatz von Arbeiterunruhen und Konflikten, die in der Geschichte des italienischen Proletariats einen besonderen Platz einnehmen. Die Entchristlichung, die der Sozialismus in diesem Landstrich, wie auch in der gesamten Provinz Ferrara, durchführte, war für eine katholische Seele bereits ein geistiges Martyrium. Trotz aller Bedrängnisse und Einschüchterungen gab es Gruppen von Gläubigen, die dem christlichen Ideal der Kirche treu blieben und der antichristlichen Propaganda widerstanden. Menzoni war klar: vor allem die junge Menschen und Kinder müssen gerettet werden. Er ging sofort ans Werk, trotz vieler Entbehrungen. So lies er ein Freizeitzentrum mit einem Kinosaal herrichten. Dieser sollte für Versammlungen, Unterhaltung und Kino genutzt werden.

Als der Erzpriester Bezzi am 29. Januar 1916 starb, wünschte sich die Bevölkerung als seinen Nachfolger Don Minzoni, der durch Abstimmung von Familienoberhäuptern in der Pfarrei gewählt wurde. Diese hatten zu jener Zeit Anspruch auf die Wahl des Erzpriesters. Der Erste Weltkrieg war jedoch bereits ausgebrochen, und auch Italien war in ihn eingetreten. Im August 1916, als der Jahrgang 1885 einberufen wurde, musste auch Minzoni die Pfarrei verlassen, um Soldat in der siebten Sanitätskompanie in Ancona zu werden. Nach einigen Monaten wurde er für den Dienst im Militärkrankenhaus von Urbino vorgesehen. Aber die Krankenhausumgebung, in der er sich bei seinen Vorgesetzten und Kameraden beliebt machte und versuchte, Gutes zu tun, entsprach nicht seinem Temperament. Er fühlte sich zu einem Leben mit größerer geistiger und sogar körperlicher Aktivität, sowie zu höheren und anstrengenderen Pflichten hingezogen und bewarb sich daher, trotz der eindringlichen Warnungen von Verwandten und Freunden, um die Position eines Regimentskaplans. Sein Antrag wurde angenommen, und Don Minzoni wurde zum „Lieutenant Chaplain“ der 255. Infanterie ernannt. Seine dort geschriebenen Briefe und sein Kriegstagebuch zeichnen die Taten seines neuen Apostolats eindrucksvoll nach.

Unter den vielen Episoden möchte ich an eine aus dem Oktober des Jahres 1917 erinnern: Minzoni war an vorderster Front und der Sanitätskapitän wurde von einer Kugel getroffen. Don Minzoni riskierte sein Leben, rettete ihn und brachte ihn unter feindlichem Feuer in Sicherheit.

Nach drei Jahren kehrte Don Minzoni schließlich nach Argenta zurück. Selbst in den schrecklichen Momenten des Krieges dachte er an seine Pfarrei. Mit welcher Freude wurde er in seinen Urlaubstagen empfangen! Auch in seiner eigenen Pfarrei predigte er leidenschaftlich, hielt Katechismus-Stunden ab; er versammelte immer die Kinder und Jugendlichen um sich und gab ihnen gute Beispiele für eine wahrhaft christliche Lebensführung; er besuchte die Institute und Einrichtungen in der Umgebung, machte pastorale Besuche in etlichen Familien und kümmerte sich fürsorglich um die Kranken.

Der Krieg hatte ihn nicht geschwächt, sondern vielmehr für die neue Aufgabe und die neuen Kämpfe gerüstet. Er schrieb: „Eine neue Ära beginnt, und ich bitte Gott, dass ich weiß, wie ich ihr begegne und sie voll und ganz mit jugendlichem Geist leben kann.“ Am 24. Juni 1919 nahm er, umgeben und gefeiert von den Argentani und vielen angereisten Freunden, feierlich Besitz von seiner Pfarrei. In der Ansprache, die er vom Altar aus hielt, sprach Minzoni tief bewegt und erneuerte seine Absicht seine Aufgaben mit Hingabe an Gott und den Nächsten zu erfüllen. Gegen die Feinde der Religion, scheute er keine scharfen Bemerkungen. Jedoch hegte der Pfarrer gegenüber niemanden Groll. Mit seiner Güte und Loyalität, selbst im Eingeständnis seiner Fehler, verstand er es, den Weg zu den Herzen zu ebnen oder zumindest Respekt zu erlangen. Die versöhnende Wertschätzung vieler seiner Gegner wurden ihm zuteil.

Der Geistliche liebte die würdige Herrichtung eines Gotteshauses. Er beschäftigte sich damit, Kapellen und Altäre in seiner Kirche San Nicolò zu restaurieren und zu verschönern. Einen Altar wollte er dem Gedenken an die Kriegstoten widmen. Eine besondere Feierlichkeit in der Pfarrei war die jährliche Erstkommunion der Kinder. Er förderte den häufigen Empfang der Sakramente, die Verehrung des Heiligsten Herzens Jesu und der von den Einwohnern so verehrten Madonna della Celletta.

Lebhaft beteiligte sich Don Minzoni an der „Katholischen Aktion“, wie es der Papst wünschte. Er wies den Vorwurf des Politismus zurück und vertrat, dass er sich bereits seit dreizehn Jahren für die geistliche Erneuerung des Volkes und der Jugend eingesetzt habe und dass sein Patriotismus nicht nur in Kriegszeiten zum Ausdruck gekommen sei, sondern auch später, angesichts des Bolschewismus. „Ich tue Gutes“, erklärte er, „öffentlich und privat, mit Herzen und Verstand, dem einfachen Mann ebenso wie den Reichen, nicht durch meine Verdienste, sondern durch die göttliche Gnade; und wenn meine Mission vereitelt wird, dann erhebe ich mich stolz zum Protest, denn die Religion duldet keine Unterwürfigkeit, sondern das Märtyrertum….“

Der Pfarrer schrieb weiter: „Wir bereiten uns hartnäckig und mit einer Waffe auf den Kampf vor, die für uns heilig und göttlich ist, gleich den ersten Christen: Gebet und Güte.“ Fortführend: „So wie ich eines Tages mein ganzes junges Leben für die Rettung meines Landes geopfert habe und glücklich war, dass es für etwas von Nutzen sein konnte, wird mir heute klar, dass ein viel härterer Kampf auf mich wartet. Sich zurückzuziehen würde bedeuten, eine allzu heilige Mission aufzugeben.“

Nachdem sich der Geistliche deutlichst vom Faschismus distanzierte, trat er im April 1923 der Italienischen Volkspartei bei. Dies sahen die Faschisten als Affront an und glaubten der Pater sei nun eine Galionsfigur der Antifaschisten.

Am Donnerstag, den 23. August 1923, war Don Minzoni, in Begleitung des jungen Enrico Bondanelli, vom Kinosaal seines Freizeitzentrums zum Pfarrhaus unterwegs. Es war fast 22.30 Uhr. Wenige Schritte vom Kino entfernt, in der Dunkelheit der engen Straße, an einem Wendepunkt, der sich sehr gut für einen Hinterhalt eignete, wurden Don Minzoni und sein junger Begleiter von zwei Personen verfolgt, deren Anwesenheit sie nicht einmal bemerkten. Der brutale Kampf der beiden Attentäter war schnell und tödlich. Ein Schlag mit dem Stock traf mit schrecklicher Heftigkeit Kopf und Nacken von Don Minzoni, der nach einem Moment des Taumelns zu Boden fiel, ohne ein Wort sagen zu können. Der junge Bondanelli, der abwechselnd geschlagen und ziemlich schwer am Kopf verletzt und zeitweise bewusstlos wurde, musste schließlich alle Verteidigungshandlungen aufgeben, als die Angreifer schnell wieder in der Dunkelheit verschwanden.

Don Minzoni kämpfte gegen den schrecklichen Schmerz an, der von seinem buchstäblich zerschmetterten Schädel ausging und begann aufzustehen. Schaffte es aber nur kurzzeitig und fiel erneut zu Boden. Er stand wieder auf, stützte sich auf den Arm von Bondanelli, der ebenfalls übermenschliche Anstrengungen unternahm. Nur wenige Schritte Richtung Pfarrhaus konnten sie sich schleppen. Die Kräfte des Priesters versagten nun endgültig. Zu Hilfe eilende Anwohner trugen den Hirten ihrer Gemeinde in sein Bett. Da der Priester nicht mehr sprechen konnte, schrieb er kurz vor seinem Tod: „Mit offenem Herzen, mit dem Gebet, das nun niemals für meine Verfolger über meine Lippen kommen wird, erwarte ich den Sturm, die Verfolgung, vielleicht sogar den Tod für den Triumph der Sache Christi.“ Gegen Mitternacht übergab er Gott seine Seele.

Die sterblichen Überreste von Don Minzoni wurden 1983, 60 Jahre nach seiner Ermordung, vom Cimitero Monumentale in Ravenna in die Kirche San Nicolò in Argenta überführt, wo sie beigesetzt wurden. Schon der heilige Papst Johannes Paul II. pflegte das Gedenken an Don Minzoni.

Don Giovanni Minzoni, * 29. Juni 1885 in Ravenna; † 23. August 1923 in  Argenta

Foto: gemeinfrei

 


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