4. August 2023 in Spirituelles
9. Februar 1818 - Als Johannes-Maria Vianney in Ars eintraf und dort Antoine Givre traf - „Diese Pfarre wird die Menschen nicht fassen, die später einmal hierher kommen werden.“ - Von Roland Noé
Ars (kath.net)
Ars liegt etwas mehr als dreißig Kilometer nördlich von Lyon und ist - als Vianney dorthin berufen wird - ein kleines Dorf mit nur zweihundertdreißig Einwohnern. Armselige, mit Stroh gedeckte Häuser gruppieren sich um eine kleine Kirche. Das Dorf ist so trostlos, wie es viele Gemeinden in der französischen Provinz sind. Am 3. Februar 1818 verrichtet Johannes-Maria seinen letzten Dienst in Écully . Am 9. Februar 1818 macht sich Johannes Maria Vianney, ehemaliger Vikar von Écully, frühmorgens auf den Weg in seine neue Pfarre, sein neues Dorf: Ars. Er wird von Mutter Bibost zu Fuß begleitet. Außerdem folgt ihnen noch ein Wagen mit dem bescheidenen Gepäck des jungen Priesters und der kostbaren Erbschaft, die er gemacht hat: die Bibliothek Abbé Balleys.
Nach einigen Stunden verlassen sie nun das Saônetal und steigen zu den Höhen der Dombes hinauf. Der Weg wird immer schlechter. Man versinkt bei jedem Schritt im Schlamm. Außerdem fällt immer mehr Nebel ein. „‘Hier scheint wirklich die Welt zu Ende zu sein!’, seufzt Mutter Bibost. ‘Daß man Sie aber auch in einen so verlorenen Winkel schicken muß. Das haben Sie doch nicht verdient! Wären Sie nur in Écully geblieben.’ ‘Die neue Stelle ist sicher noch viel zu gut für mich!’, antwortete der Pfarrer. ‘Eine bessere habe ich auf keinen Fall verdient, und wo ein Priester ist, da ist auch der liebe Gott.’
Inzwischen haben sie sich so verirrt, daß sie nicht mehr ein noch aus finden. Auf einmal hören sie Kinderstimmen. Es sind Kinder, die in der Gegend Schafe hüten. Mühsam verständigt man sich mit ihnen, da sie einen ziemlich unklaren Dialekt sprechen. Schließlich findet sich doch ein Junge, Antoine Givre, der ihnen den Weg nach Ars zeigt. Im Anschluß an diese Handlung findet eine der wohl berühmtesten Aussagen des Johannes-Maria Vianney statt:"Mein kleiner Freund’, sagte der Priester, um ihm zu danken,’Du hast mir den Weg nach Ars gezeigt; ich werde Dir den Weg zum Himmel zeigen’.“ (Trochu)
„Dies war mehr als ein spontanes Wort. Die Aussage nimmt in nuce Vianneys ganze Tätigkeit in diesem unscheinbaren Dörflein vorweg: Den Weg zum Himmel hat er den Menschen in Ars auf eine einzigartige Weise gezeigt; er sollte ihnen fortan im Gewissen brennen.“ Dieser Antoine Givre sollte auch der erste Bewohner von Ars sein, der nach dem Tod des Pfarrers ebenfalls sterben sollte. Beim Anblick des Dorfes sinkt Johannes-Maria in die Knie und beginnt zu seinem Schutzengel zu beten. Beim Anblick seines Dorfes denkt er sich: „Wie klein das ist!“, und sogleich wird er wieder von einer jener Visionen, die ihn sein Leben lang erleuchten werden, erfaßt, die ihm sagt: „Diese Pfarre wird die Menschen nicht fassen, die später einmal hierher kommen werden.“
Sofort nach der Ankunft in Ars besucht Vianney die Kirche. Verödet liegt das Heiligtum, in dem seit Wochen kein Gottesdienst mehr gehalten worden ist. Die Kirche ist lange ohne Beter gewesen, der Altar ist ohne Schmuck. Das ewige Licht ist erloschen, doch das Allerheiligste ist noch da. Johannes-Maria wirft sich auf die Stufen nieder und verweilt lange im Gebet. Erst beim Anbruch der Dunkelheit wird er von Mutter Bibost bedrängt, endlich mit dem Ausräumen zu beginnen. Beim Besichtigen des Pfarrhofs wächst seine Unzufriedenheit, da sich einerseits eine verwahrloste Kirche in Ars befindet, gleichzeitig aber das Pfarrhaus mit den feinsten Möbeln ausgestattet ist.
In Ars befindet sich neben vier Wirtshäusern und einigen anderen Häusern auch ein Schloß, jenes des Grafen Garets d’Ars. Es ist ein ländliches Herrenhaus, groß und still liegt es inmitten alter Bäume, einsam, ein wenig traurig. Das Schloß wird von einem Fräulein, Mademoiselle d’Ars, bewohnt. Diese Dame ist mittleren Alters und sittenstreng. Sie betet jeden Tag das Brevier in Gesellschaft eines treuen Dieners. Außerdem hat sie dafür gesorgt, daß im Pfarrhof die neuen Möbel hinkommen. Sie wird auch weiterhin immer wieder dem Pfarrer hilfreich zur Seite stehen.
Am nächsten Tag läutet er zur Messe, was aber vorerst nur ganz wenige wahrnehmen wollen. Trotzdem erfährt auch bald der letzte Mensch im Dorf, daß ihr Pfarrer angekommen sei, und jetzt an jedem Morgen die hl. Messe in der Kirche gefeiert werde. Am gleichen Tag fährt Vianney zu dem Schloßfräulein, um sich vorzustellen und um ihr all die schönen Möbel aus dem Pfarrhaus wieder zu bringen. Nach einem kurzen Gespräch verläßt er das Schloß wieder. Im Anschluß an dieses Treffen sagt das Schloßfräulein zu ihrem Diener:“Der Bischof hat uns einen guten und eifrigen Priester geschickt. Er will nichts für sich, aber alles für seine Kirche und den Heiland. Ars kann sich Glück wünschen zu einem solchen Seelsorger.“
Beim Einführungsgottesdienst am 13. Februar 1818 ist schließlich fast die ganze Gemeinde versammelt, um ihn zumindest einmal gesehen zu haben. Johannes-Maria Vianney wird gleich bei der ersten Meßfeier von so manchem bewundert. Seine tiefe Art, wie er die Messe feiert, läßt schon am Beginn keinen unbewegt.
„Wir haben eine arme Kirche, aber wir besitzen einen heiligen Priester“ (Trochu), meinte Bürgermeister Mandy.
Trotzdem dauerte es nicht lange, bis Vianney über den Zustand seiner Gemeinde völlig im Bilde war. Die Einsicht war auch unschwer zu erlangen; sie bot sich von selbst an. Die Einwohner zeigten ihrem Pfarrer die kalte Schulter; sie waren an einem kirchlichen Leben nicht im Geringsten interessiert. Von einer christlichen Gemeinde konnte also keine Rede sein. Die Auswirkungen der Französischen Revolution waren in Ars ganz besonders zu spüren. Georges Bernanos schildert in seinem Roman: „Die tote Gemeinde“ die entseelte Situation eines Dorfes, indem er den Pfarrer sprechen läßt: „Was wollt ihr heute morgen hier in der Kirche? Was wollt ihr von eurem Priester? Gebet für diesen Toten? Aber ohne euch vermag ich nichts. Ich vermag nichts ohne meine Gemeinde, und ich habe keine Gemeinde. Es gibt keine Gemeinde mehr, meine Brüder ... ein Dorf und ein Pfarrer, das ist keine Gemeinde. Gewiß, ich möchte euch dienen, ich liebe euch, ich liebe euch, so wie ihr seid, ich liebe euer Elend; manchmal kommt es mir vor, als ob ich eure Sünden liebte, eure Sünden, die ich so gut kenne, eure armen freudlosen Sünden. Und es ist wirklich so, daß ich mit allen meinen Kräften um euch leide und für euch bete.“ Dies spiegelt Wort für Wort den Zustand der Gemeinde in Ars wider. Vianney trifft auf eine tote Gemeinde, beklagt sich darüber aber nicht, sondern versucht nun aus der toten Gemeinde eine lebendige Gemeinde aufzubauen. Daß dies nicht von heute auf morgen gehen würde, war ihm bewußt.
Vianney weiß, daß er seine Pfarrei zur Umkehr bewegen muß. Dies kann aber nur Gott bewirken. Von ihm muß sie erfleht werden. „Die Umkehr einer Gemeinde bewirken, heißt in einen Kampf einzutreten. Der Geisteskampf richtete sich gegen das Neuheidentum, das durch die Revolution und Napoleon entstanden war und Vianney in Ars unverhüllt entgegentrat. Das Neuheidentum ist nicht dem alten, vorchristlichen Heidentum gleichzusetzen. Das alte Heidentum glaubte an Götter; eine alte griechische Landschaft war mit Tempeln übersät, in denen man ernsthaft opferte. Paulus bestätigte in seiner Areopagrede den Athenern, daß sie ‘in allen Stücken gar sehr die Götter fürchteten’. Das Neuheidentum dagegen hascht nur nach Glück und ist gegenüber dem Christlichen völlig gleichgültig. Die Indifferenz ist das Charakteristikum des Neuheidentums. Es besteht in einer ausgelaugten Dekadenz. Der neuheidnische Mensch wird von einer gespenstischen Lehre gepeinigt; die Sinnlosigkeit versteinert sein Gesicht zu einer Maske.“
(Auszug des Autors aus einer Diplom-Arbeit über den Heiligen Pfarrer von Ars)
P. Karl Wallner - Vortrag über den Heiligen Pfarrer von Ars
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