Ukrainische Caritas-Präsidentin: Dammbruch ist "Krise in der Krise"

15. Juni 2023 in Weltkirche


Tetiana Stawnychy bei Mediengespräch in Wien: Caritas konnte bereits 3700 Menschen aus den betroffenen Regionen evakuieren, aber langfristige Folgen der Sprengung noch nicht absehbar


Wien (kath.net/KAP) Die Präsidentin der Caritas Ukraine Tetiana Stawnychy hat die Zerstörung des Damms von Kachowka als "Krise in der Krise" bezeichnet. Schätzungen zufolge seien über 17.000 Menschen direkt von der Zerstörung des Damms betroffen, mit steigenden Zahlen. Insgesamt habe die Caritas bereits 3.700 Menschen aus den betroffenen Regionen evakuieren können, berichtete Stawnychy, die am Dienstag auf Einladung der Caritas Österreich in Wien war, vor Medienvertretern. Insgesamt seien die Folgen der Explosion noch nicht abschätzbar, so die Caritaspräsidentin. So könne man etwa noch nicht sagen, welche Auswirkungen die Fluten etwa auf das nahegelegene Kernkraftwerk Saporischschja haben werden.

Als größte Herausforderung für die Hilfskräfte nannte Stawnychy die Versorgung der Menschen mit Trink- und Nutzwasser. So seien ganze Ortschaften von der Wasserversorgung abgeschnitten. Das Wasser, das infolge der Dammzerstörung ausgetreten war, sei oft kontaminiert, erklärte die Caritas-Leiterin. So sei etwa infolge der Sprengung Rohöl ausgetreten und in das Wasser geflossen. Auch die Kadaver von durch die Flut getöteten Tieren sorgten für Verunreinigungen. Ebenso hätten die Fluten Minen aus dem Erdreich ausgeschwemmt und an andere Orte im Land weitergetragen, die eigentlich als nicht kontaminiert galten. Das stelle eine weitere Gefahrenquelle für die örtliche Bevölkerung dar, erläuterte Stawnychy.

Neben der Evakuierung habe die Caritas mithilfe lokaler Kräfte bereits drei Notunterkünfte für betroffene Menschen eingerichtet. Die Versorgung mit Hygiene- und Lebensmittelpaketen laufe ebenfalls. Neben der Hilfe durch Organisationen wie die Caritas hob Stawnychy auch die Solidarität und Hilfe von Privatpersonen hervor. So seien hunderte Boote aus der ganzen Ukraine unmittelbar nach dem Dammbruch in die Region gebracht worden und unzählige freiwillige Helfer hätten sich an der Evakuierung beteiligt.

Immer wieder würde der Krieg von lokalen Desastern wie eben jenem in Kachowka überschattet, berichtete die Caritaspräsidentin. Vom Angriff Russlands seien in der Ukraine weiterhin 18 Millionen Menschen direkt betroffen. Immer wieder gingen Raketenangriffe auf zivile Einrichtungen und Wohnhäuser nieder. Neben der akuten Hilfe, die immer wieder nötig sei, müsse deswegen auch langfristig gedacht werden, etwa wenn es darum gehe, Kinder und Jugendliche bei der Verarbeitung von Traumata zu unterstützen oder es ihnen zu ermöglichen, Schulbildung nachzuholen, die sie infolge des Kriegs versäumten.
Hilfe muss weitergehen

Der Auslandshilfe-Generalsekretär der Caritas Österreich, Andreas Knapp, appellierte, dass die Hilfe für die Ukraine unbedingt weitergehen müsse. Die Anforderungen hätten sich im Laufe des Kriegs verändert, erinnerte er. War es zu Beginn noch klassische Nothilfe und die Versorgung der Menschen mit Nötigsten, die im Vordergrund stand, sei es in den Wintermonaten die Energieknappheit gewesen, die den Menschen zu schaffen machte. Ereignisse wie die Dammexplosion zeigten, wie dringend notwendig eine flexible Nothilfe sei, so der Generalsekretär. Was man jetzt sehe, sei nur die "Spitze des Eisbergs", so gelte die Region rund um den Damm als sehr fruchtbar, mindestens eine Ernte sei durch die Fluten komplett verloren gegangen.

Die Caritas Österreich könne auf eine lange Partnerschaft mit den Partnerorganisationen in der Ukraine zurückgreifen. Mit Beginn des Kriegs habe man die Hilfe stark ausweiten können, so Knapp. Weitere, vor allem langfristige Hilfe sei unbedingt notwendig, insbesondere wenn es um die Traumabewältigung und die Schaffung von Perspektiven gehe, so Knapp.
Diese Überzeugung teilte auch Caritas-Österreich-Präsident Michael Landau. "Einen aufrichtigen Dank an alle Menschen in Österreich, die diese Hilfe möglich machen. Unser Land hat einen guten Grundwasserspiegel der Nächstenliebe und Solidarität. Und die Bitte und der Appell: Diese Hilfe aus Österreich und Europa muss weitergehen", schrieb Landau am Dienstag auf Twitter.

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