Himmelfahrt und Wiederkunft

16. Mai 2023 in Kommentar


Otti's Optik: über Stolz und Vorurteil moderner Bibelforscher - Von Franz Nobert Otterbeck


Köln (kath.net)

Zu den etwas matten Fünfzigerjahreswitzen, die mein Vater viel zu oft erzählte, gehörte auch dieser: "Welches Auto fuhr Jesus? Antwort: Triumph. Er fuhr im Triumph in den Himmel hinauf." Damals gab es einen Kleinwagen dieser Marke, den auch Papst Franziskus heute gern fahren würde, als Stellvertreter Christi auf Erden. Auch solide Kirchenleute haben so ihren Kummer mit der biblischen Szene, dass der Herr vor ihren Augen entschwand. Und so wiederkommen soll. Man darf die Allegorisierung allerdings nicht übertreiben. Da wird nicht "nur" gesagt, dass Jesus seither in seiner Kirche viel "tatkräftiger" gegenwärtig wirkt als es einem Phantom mit Erscheinungen hier oder da möglich wäre. Robuste Laien halten der quasi-offiziellen modernistischen Exegese gern entgegen, dass niemand das Ausmaß an - oft nur vorgetäuschten - Expertentum esoterischer Eingeweihtheit abverlangen kann. "So" geht Glaube nicht. Predigten, die auf der "exégèse allemande" fußen, wie man im Frankreich des 19. Jahrhunderts das Herüberschwappen des liberal-protestantischen Schriftgelehrtentums in unsere Religion etikettierte, funktionieren nicht. Die Transformation erlebter Geschichten in höhere Allgemeinbegriffe hat niemandem etwas zu sagen. Wozu eine liturgische Leseordnung von Schrifttexten, wenn auch aus den schwierigsten Bibelstellen immer nur die selben, äußerst wenig nahrhaften Plattheiten abgeleitet werden. Wir heißen euch hoffen! Mit den Clowns kamen die Tränen. Es muss nicht immer Kaviar sein. Für die zahlreichen jüngeren kath.net-Leser: Das waren Anspielungen auf Romantitel von J.M. Simmel (1924-2009), der keineswegs Trivialliteratur schrieb, sondern schlicht erfolgreich war. Wiener, nunmal. "Und Jimmy ging zum Regenbogen" - oder auch Bätzing, Marx + Co. Am besten gefällt mir: "Niemand ist eine Insel". Da war Luther anderer Meinung: 'solus Christus'; der isolierte Herr, getrennt von seiner Mutter, seinem Nährvater, den Engeln und Heiligen, ist ein frisierter Niemand, auf den man alles und jeden projizieren kann. Das "Jesus-Projekt" kann vom arischen Helden bis zum jüdischen Lehrer der Gerechtigkeit alles verkörpern. Unser wirklicher Heiland hat aber genau den Körper, den mystischen Leib Christi, den die Gottesmutter gebar, in unversehrter Jungfräulichkeit, an sich, mit sich, für sich - und so für uns. Diese "materia" Christi fuhr im Triumph in den Himmel hinauf. Und wird so wiederkommen. Steht da doch. Was gibt es da zu meckern?

"Wer meckert, der wird erschossen." Das war eine der Nazi-Parolen, die meinen Vater in seiner Jugend zutiefst erschreckt hatten. Sie könnte auch Robert Habeck eingefallen sein, wenn auch garantiert in ironischer Verdrehung. "Wer mit Öl heizt, der wird erschossen." Wir heizen mit Öl und hoffen, das noch 40 Jahre zu tun. Denn 'die Neue' ist von Viessmann. Kleiner Triumph am Rande.

Wer aber Zeugnis gibt, der wird in den Himmel aufgenommen. Zeugnis für Jesus Christus, dessen physisches, verklärtes Dasein auf Erden nachösterlich genau soviel Duft des Evangeliums hinterließ, dass Seine Kirche bis ans Ende der Zeiten ihre Sendung erfüllen kann. Natürlich nicht in der ZDF-Kirchenredaktion.  Die duldet nur gestrauchelte Christen, die der modernen Exegese nach dem Munde reden. Soviel Symbolik, wie da "nur symbolisch" im Text versammelt sein soll, kennt weder höchste noch trivialste Literatur. "Hurra, wir leben noch", wäre hingegen schon ein günstiger Predigtansatz für den Himmelfahrtsgottesdienst, der jüngere Prediger oft und oft in Verlegenheit stürzt. Ebenso wie er Fleisch annahm aus Maria, der Jungfrau, wird er unser Fleisch hinauftragen in die himmlische Herrlichkeit. Nur so bekommt unsere, die wahre Religion einen Sinn aus Sinnhaftigkeit. Wenn die Frage nach dem Sinn der Materie nicht beantworten kann, hat keine sinnvolle Religion gestiftet und auch keine Philosophie entworfen, die trägt. Was soll dieser träge "Madensack", der zunächst zumeist im Grabe zerfällt? Wer auf diese Frage nichts Gescheites zu sagen weiß, der scheidet aus dem Kreis derer, die das zentrale Rätsel dieser Welt zu lösen beanspruchen, bereits aus, weil er glaubt, den Tod der Körperlichkeit in Zeit-und-Welt ignorieren zu dürfen.

Wozu dann die Wärme der mütterlichen Hand? Der zartblaue Augenaufschlag, wenn die Geliebte den Flieder wieder blühen sieht? Wozu dann die vielen Sachen, die vergehen? Auch die schönen Bilder, die mein Herz nur noch so kurze Zeit sehen darf? Das sind die Gedanken, die zur Himmelfahrt führen, die keineswegs "Vatertag" ist, Sauftour oder - in Kevelaer - sogar Kirmes. Christi Himmelfahrt stellt mir die Frage nach der Materie und ihrem endlichen, ewigen Zweck. Wenn es denn so ist, über alle unsere Vorstellungskraft hinaus, dass im Leben der kommenden Welt unsere Leiblichkeit aufersteht, in der 'communio Christi', dann ist auch die Moral der Kirche rehabilitiert. Dass nämlich dieser sterbliche Leib, der unserer unsterblichen Seele dient, pfleglich zu behandeln ist, sogar keusch, so gut wie möglich. Die Gebrechen kommen früh genug. Sie brechen über uns alle herein. Also heften wir unseren Blick auf das Kreuz dessen, der kommt, der wiederkommt, auf die Hoffnung froher Auferstehung. Komm, Herr Jesus, komm bald!

Von welchen Vorurteilen lässt sich aber der Stolz der falschen Exegese leiten? Die Naturgesetze des Newton'schen Weltbildes (heute überholt) verbieten Wunder, verbieten die Übernatur? Also tat Jesus keine Wunder, vollbrachte keine übernatürlichen Werke. Er konnte die Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 nach der Zeitenwende nicht voraussehen, behauptet man. Also seien alle Bibeltexte jüngeren Datums und die Mystifizierung Jesu im Evangelium "nach" Johannes kann nur in einem vielhundertjährigen Redaktionsprozess der Gemeinde bewirkt worden sein. Ein Abfallprodukt der so gen. "Parusieverzögerung". Der Herr fuhr doch "Triumph", nicht etwa Deutsche Bahn. 

Selbstverständlich ist der Apostel Johannes auch der Evangelist und Zeitzeuge der Passion Christi. Er berichtet sehr genau. Für möglich erachte ich allenfalls, dass es einen frühen Kerntext desselben Verfassers gibt und eine späte Endredation. Warum eigentlich nicht hundertjährig auf Patmos? Der Apostel Matthäus kann durchaus zunächst Verfasser einer Logienquelle gewesen sein und als Markus in Rom den "Typ" des Evangeliums erfand, um die Predigt Petri festzuhalten, hat er auch sowas verfasst, für die Jerusalemer Christen. Lukas war Arzt und Historiker. Er interviewte die Gottesmutter. Warum nicht? Sie ist nicht zu töricht, auch das nur ein Vorurteil, um aus der reichen Literatur des erwählten Volkes das Magnficat zu "verdichten". Fazit: Auch die Apostelgeschichte berichtet zuverlässig. Wem sollten wir denn sonst vertrauen, wenn nicht den Evangelisten? Sie sind, nahe an den Aposteln, unverrückbare Grundpfeiler der Christenheit, auch zu Christi Himmelfahrt.




© 2023 www.kath.net