Lebensführung interessiert für Erteilung der Missio canonica nicht mehr

1. Mai 2023 in Kommentar


Wenn wir gerade wieder hören, dass sich gefühlt hunderte von Frauen danach drängen, Predigen zu dürften, fragt man sich warum diese ihr Potential nicht als Lehrerinnen nutzen. Da kann man täglich predigen - Der Montagskick von Peter Winnemöller


Linz (kath.net)

Das war die Schlagzeile, die jetzt vermutlich trotzdem nicht tausende junger Lehrkräfte in das Fach Katholische Religionslehre locken dürfte. Es mag gut 30 Jahre her sein, da saß eine Gruppe junger Lehramtsstudenten in einer Informationsveranstaltung des zuständigen Bistums. Der Referent trug vor, was erforderlich ist, um die Missio zu bekommen. Dauerhaft unverheiratet zusammenleben, so die Information für die Interessenten, gehe nicht. Es gebe sogar Konfliktsituationen, die die Erteilung der Missio komplett verhindern würden. Der Referent nannte ein Beispiel, es sei kirchenrechtlich nicht möglich, dass bei einem Ehepaar zum Beispiel der Mann evangelischer Religionslehrer und die Gattin katholische Religionslehrerin sei (oder umgekehrt). Während die EKD – zumindest war es damals so – bei ihren Religionslehrern verlangte, dass ihre Kinder evangelisch getauft werden, verlangt dies die katholische Kirche sogar bei jeder gemischtkonfessionellen Ehe. Schnell kam die für Studenten virulente Frage auf, was denn sei, wenn man noch nicht verheiratet sei. Die Antwort kam – schon damals – butterweich, man lege Wert darauf, aber wenn es gut Gründe gäbe, noch nicht verheiratet zu sein, aber die ernste Absicht hege, stelle dies kein Hindernis dar. In jener besagten Veranstaltung stellte eine junge Frau die Frage, was denn sei, wenn der Partner grundsätzlich die Ehe ablehne und warum die Kirche sich überhaupt anmaße in ihr Leben einzugreifen. Die Antwort damals war klar. Ablehnung der Ehe schließt von der Missio aus, die Kirche „greift ein“, weil Religionslehrer im Auftrag der Kirche unterrichten. Jene Studentin hatte von Arbeitsamt die Info erhalten, dass Religionslehrer in jedem Fall einen Job bekommen. Sie lehnte die Kirche nicht ab, war aber in keiner Weise kirchlich eingebunden, so entschied sie sich für des Fach. Die junge Dame bedankte sich für die ehrliche Antwort und monierte lediglich, dass diese Information nicht vor dem ersten Semester an die Studenten gegeben werden. Darin konnte der Referent nur zustimmen. Das Arbeitsamt als Hebel für kirchlich nicht gebundene Menschen in den Beruf des Religionslehrers, das hatte vor 30 Jahren noch keiner richtig auf dem Schirm.

Tempus mutandur. Heute würde man der jungen Studentin antworten, dass ihre persönliche Lebensführung keine Rolle spiele, sie erhielte natürlich die Erlaubnis im Namen der Kirche Katholische Religionslehre zu erteilen und alle wären glücklich. Alle?

Eigentlich nur jene, die den gegenwärtigen konfessionellen Religionsunterricht an staatlichen und privaten Schulen gut finden. Man stelle sich vor, die Kinder haben zehn Jahre Religionsunterricht und können danach nicht einmal die Grundgebete. Sie haben vielleicht einen guten Unterricht in vergleichender Religionskunde erhalten, sind – oberflächlich betrachtet – über Hinduismus, Buddhismus, Islam und Shintoismus bestens informiert, kennen hingegen nicht einmal einige wenige der Zehn Gebote. Wer jemals Firmpastoral gemacht hat, weiß ein Lied davon zu singen, dass Jugendliche im Firmalter oft genug zur Dankmesse ihrer Erstkommunion zuletzt in der Kirche waren. Wie „katholische Messe geht“, so betonte vor vielen Jahren ein Oberstudienrat (Deutsch und Geschichte) in einem Vortrag über kulturelle Bildung, nehme er in Deutsch durch. Dieses Wissen, so der Pädagoge, gehöre ebenso wie das Wissen um einen evangelischen Gottesdienst zur Allgemeinbildung, denn es könne jedem Menschen – auch dem Atheisten – passieren, zu einer Hochzeit oder Beerdigung zu müssen. Ein Mindestmaß an bürgerlichem Anstand setze voraus, sich in der Kirche ebenso wie im Theater oder bei einem Festessen angemessen benehmen zu können. Nach eigenen Aussagen war dieser Pädagoge nicht gläubig. Welcher Lehrer in katholischer Religion würde unterschreiben, dass der Absolvent seines Unterrichts mit dem Ablauf der Heiligen Messe vertraut sein müsse?

Wer die Reform der Missio canonica, die jetzt äquivalent zum kirchlichen Arbeitsrecht die persönliche Lebensführung der angehenden Lehrer außer Acht lässt, kritisiert, setzt mit seiner Kritik locker 50 Jahre zu spät an. Die Reform des katholischen Religionsunterrichts nach der Würzburger Synode machte aus einer schulischen Glaubensunterweisung, für die man lernen und Leistungen erbringen musste, ein Laberfach. Mehr noch, es wurde sogar lange diskutiert, ob man in Religion überhaupt Noten geben könne, weil man ja Religion gar nicht bewerten könne. Vermutlich ist die Diskussion inzwischen nur deshalb verebbt, weil sich für Noten in Reli ohnehin niemand mehr interessiert.

Es ist kaum zu erwarten, dass man Schülern im Religionsunterricht heute noch katholische Sexualmoral positiv vermittelt. Es ist kaum zu erwarten, dass eine dem Alter und der Bildungsstufe angemessene Vermittlung christlicher Anthropologie erfolgt. Dass katholische Religionslehre entlang des Katechismus unterrichtet wird, dürfte eher die Ausnahme als die Regel sein. Es mag diese positiven Ausnahmen geben, sie bestätigen aber nur die Regel. Im besten Falle hat man einen lebenskundlichen Unterricht aus christlicher oder allgemein religiöser Perspektive. Selbst das ist nicht immer gewährleistet. Hinzu kommen unter dem immer fortschreitenden Säkularisierungsdruck in vielen Bundesländern erste Schritte hin zu einem gemeinsamen Religionsunterricht von katholischen und evangelischen Schülern. Leitgedanke dabei: Wir unterscheiden uns ja ohnehin kaum noch. Praktischer Grund: Lehrermangel auf der einen Seite und Desinteresse der Schüler am Religionsunterricht auf der anderen Seite.

Der Religionsunterricht steckt nicht etwa deshalb in der Krise, weil man bislang Menschen, deren Lebensführung nicht dem Normen der Kirche entspricht, von der Erteilung des Religionsunterrichts ausgeschlossen hat. Die Krise hat ihren Grund in der Glaubenskrise. Wenn wir gerade wieder hören, dass sich gefühlt hunderte von Frauen danach drängen, Predigen zu dürften, fragt man sich warum diese ihr Potential nicht als Lehrerinnen nutzen. Da kann man täglich predigen. Was kann es vornehmeres geben, als junge Menschen im Glauben zu unterweisen und in ein Leben als gläubige Christen zu begleiten? Man erkennt leicht, darum geht es nicht. Man frage mal gläubige junge Menschen, wie sie ihren Religionsunterricht erlebt haben. Die Antworten dürften mindestens interessant sein.

Am Ende ist auch die Reform der Missio genauso wie die Reform des kirchlichen Arbeitsrechts reine Augenwischerei. Beim Arbeitsrecht ist es klar, im Wettkampf um Fachkräfte – zum Beispiel in der Pflege – stehen kirchliche Betriebe in einem harten Wettkampf. Mit christlicher Morallehre kann man diesen Wettstreit nur verlieren. Auch auf dem Lehrkräftemarkt herrscht ein harter Wettstreit und wenn die Kirche „ihren“ Religionsunterricht behalten will, müssen Standards runter. Die Mehrheit der Schüler an staatlichen Schulen wird das weder bemerken noch wird es sie interessieren. In den allermeisten Fällen steht bestenfalls ein Lehrer mit lockerer Kirchenbindung vor einer Klasse mit Schülern nahezu komplett ohne Kirchenbindung. Das ist die Realität.

Was aber, wenn die Eltern gläubig sind und gerne möchten, dass ihre Kinder im Glauben der Kirche unterwiesen werden? Man kann dazu immer nur im Einzelfall etwas sagen und entscheiden. Vielleicht ist eine Privatschule richtig, vielleicht ist es nötig, das Kind vom Religionsunterricht abzumelden, wenn die Häresien zu krass sind und das Kind zu sensibel ist. Man kann bei den meisten Kindern auf eine gewisse Resilienz setzen, wenn man mit ihnen darüber spricht. Eine Herausforderung kann auch die eigene Position stärken. Private Katechesegruppen zu gründen, ist so oder so nicht die dümmste Idee. So sehr man die kirchliche Entscheidung der Reform der Missio kritisieren kann und muss, so wenig Grund gibt es zu jammern. In der spätrömischen Antike wuchs das Christentum ohne jegliche staatliche Förderung und ohne staatlichen Religionsunterricht. Man sollte als Eltern ohnehin die Verantwortung für die religiöse Erziehung und Unterweisung in die eigenen Hände nehmen. Wer sich auf schulische oder diözesane Strukturen verlässt, ist in vielen Regionen verraten und verkauft.


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