'Einmal wird alles ans Tageslicht kommen'

14. Juli 2004 in Aktuelles


Ein Kommentar zur Lage in St. Pölten von Dr. Alexander Pytlik (Wien) - "'Pornojäger' Martin Humer hätte sein Einsatzgebiet in der letzten Zeit auf bestimmte Bereiche bzw. Personen des Priesterseminar St. Pölten verlegen müssen"


Mit größter Verwunderung hören viele Katholiken, aber auch suchende Menschen, die verwirrenden Nachrichten aus der Diözese St. Pölten, von Seiner Exzellenz Bischof Univ.-Prof. Dr. Kurt Krenn und vom dortigen Bischöflichen Priesterseminar. Manche kommen aus ungläubigem Staunen nicht heraus, manche sind schwer enttäuscht, manche aber erkennen mit gesundem Hausverstand, was sicher so nicht gehandhabt werden kann, und unterscheiden gut zwischen angebrachter Kritik auch in den Medien und zwischen grundsätzlichen ideologischen Angriffen veralteter Art gegen die Wahrheit des katholischen Glaubens und der katholischen Sittenlehre.

Was ist mit heutigem Stand nach allen bisher bekannten Fakten, Vermutungen und medial veröffentlichten Meinungen zum Skandal in Sankt Pölten zu sagen?

1. Was wissen wir bis jetzt, und was sahen wir bis jetzt?
a) Es gibt Ermittlungen aufgrund offenbar aufgefundener kinderpornographischer und anderer abartiger Materialien auf elektronischen Geräten innerhalb des Priesterseminars, wobei abgesehen von der Konzentration auf einen bestimmten nicht-deutschen Sprachraum nicht klar zu sein scheint, welche konkrete Personen dafür Verantwortung tragen, sei es durch das Herunterladen, sei es durch das Tolerieren solcher Vorgänge.

b) Es wurden in verschiedenen Medien Photographien veröffentlicht, die angeblich den Regens (Leiter) und den Subregens (Helfer des Leiters) des Priesterseminars bei homosexuellen Andeutungen bzw. Handlungen zeigen sollen. Gleichzeitig wurde durch die Zeitschrift PROFIL am vergangenen Montag eine durch offensichtliche Zeugen abgesicherte Beschreibung verschiedener Zustände im selben Priesterseminar veröffentlicht, welche auf ein subtil und direkt homosexuelles Klima hinzudeuten schien. Damit wurde eine mediale Lawine in der ganzen Welt ausgelöst, welche in der Behauptung gipfelt, daß dies der schwerste innerkirchliche Sexskandal seit den Diskussionen um Seine Eminenz Hans Hermann Kardinal Groër sei.

c) Es gibt diverse aktuelle Interviews und Äußerungen Seiner Exzellenz Bischof Dr. Kurt Krenn, wobei dieser leider nicht mehr jene rhetorische Stärke und Argumentationskraft seiner ersten bischöflichen Jahre zu besitzen scheint. Dadurch sind nicht mehr alle seine Argumentationen ganz nachvollziehbar. Offenbar hatte der Bischof aber selbst zur raschen Anzeige der kinderpornographischen Internetsitzungen geraten. Was jedoch die in den Medien veröffentlichten Bilder der Seminarvorstehung betrifft, nahm Bischof Krenn die dargestellten Personen mehrfach in Schutz und behauptete, daß keine Indizien praktizierter Homosexualität vorlägen. Größere Heiterkeit, aber auch Traurigkeit lösten insbesondere seine Aussagen aus, die aus einer für viele leicht erkennbaren Zungenkußphotographie sogenannte und herzliche Bubendummheiten machten und sich auf reinen Rechtspositivismus zurückzogen, daß einerseits keine staatlich-zivile Strafbarkeit gegeben wäre und andererseits vom homosexuellen Zungenkuß im kirchlichen Strafrecht nicht wörtlich die Rede sei.

2. Was kann und muß zu dem allem gesagt werden?

a) Es gibt ein altes Prinzip für Priesterseminare: wenn jemand einmal mit sexuellen Handlungen widernatürlicher Art nachweislich in Verbindung gebracht werden kann, so muß er auf dem Weg Richtung Priestertum wegen der extrem hohen Wiederholungsgefahr sofort entlassen werden, ohne jede Rückkehrmöglichkeit. Wenn man die Medien durchsieht, so herrscht wenigstens Konsens darüber, daß dies für das Herunterladen kinderpornographischen Materials auch heute zu 100 % so geschehen müßte. Es ist die Ironie der letzten Geschichte, daß der jedenfalls in früherer Zeit mit Bischof Krenn gut befreundete sogenannte "Pornojäger" Martin Humer - wäre er noch in alter Hochform - sein Einsatzgebiet in der letzten Zeit auf bestimmte Bereiche bzw. Personen des Priesterseminar St. Pölten verlegen hätte müssen ...

b) Dieses strenge Entlassungsprinzip muß aber auch heute für alle sexuellen Sünden contra naturam bereits beim ersten Mal gelten, da nur so eine ungesunde auf schwerer Triebhaftigkeit basierende Cliquenbildung so weit wie möglich verhindert werden kann. Dazu zählt daher auch homosexuelles Handeln, das von der Schöpfung Gottes her nicht als legitim angesehen werden kann. Gefordert werden muß, daß Kandidaten für das Priesteramt nicht einmal ansatzweise in homosexuelle Richtung abdriften - deshalb ist es ein objektives Ärgernis für die Gläubigen, wenn Photographien, deren Echtheit bis heute niemand bestritten hat, Vorsteher eines Seminars in mindestens homosexuell interpretierbaren Positionen zeigen. Im Sinne der Vorbildfunktion hat daher nach Erweis der Echtheit der Photographien als erster Schritt die sofortige Entlassung aus den hochsensiblen Aufgaben der Priesterausbildung zu stehen.

c) Auch ein Bischof kann und darf kleinere Fehler machen und kann und muß aus eigenen Sünden und Fehlern lernen. Es ist daher für einen Hirten keine Schande, wenn er zugibt, daß ihm seine Menschenkenntnis mehrfach in Stich gelassen und er sich in bestimmten Personen schwerwiegend geirrt habe. Aufgabe eines regierenden Diözesanbischofs ist es jedoch nicht, Rechtsanwalt für etwaige (öffentliche) Sünder spielen zu wollen. Vielmehr hat der Bischof in Gerechtigkeit und Barmherzigkeit von Christus her die richterliche Funktion. Aus diesem Grunde sind - obwohl noch keine intensive Untersuchung der Vorkommnisse in St. Pölten geschehen zu sein scheint! - Verharmlosungen von der ersten Stunde an abzulehnen. Es ist schlimm, wenn ein katholischer Bischof, der bisher für objektiv gelungene Äußerungen bekannt war (daß nämlich Sünde auch als Sünde bezeichnet werden darf), plötzlich Dinge als vor allem strafrechtlich nicht relevant hinstellt und den Begriff "Weihnachtskuß" erfindet oder übernimmt. Das Kirchenrecht jedoch kennt auch die Aufgabe des Oberen, Ärgernissen zuvorzukommen oder sie zu beheben, auch durch rasche Untersuchung und disziplinäre Würdigung. Es ist daher mehr als ärgerlich, wenn durch rechtspositivistisch-anwaltliche Verteidigungsreden eines Bischofs Seminaristen und ihre Ausbildner pauschal und mit einem Schlag als nicht entwickelte Buben einstufbar werden. Diese Äußerungen können auch nicht durch den bischöflichen Wahlspruch "Die Barmherzigkeit Christi ist unser Friede" entschuldigt werden.

d) Gläubige haben ein moralisches Anrecht auf gut in die Grundtugenden eingeübte und in Richtung Vollmenschlichkeit entwickelte Priester, die also bewußt auf eine Ehefrau verzichten und die sexuelle Enthaltsamkeit in der Nachfolge des keuschen Christus Jesus und Seiner Apostel ehrlich anstreben und leben. Die standesgemäße Keuschheit ist auch von den verheirateten katholischen Priestern orientalischer Riten gefordert. Die billige Forderung der Abschaffung des christusgemäßen Zölibats würde die mögliche Verbergung vonmit tiefsitzenden homosexuellen Tendenzen versehene Personen im Klerus kaum verhindern helfen. Gefordert ist vom Bischof und von seinem Regens vielmehr die Unterscheidung der Geister, auch was die langjährige Formung der ihnen anvertrauten Priesteramtskandidaten betrifft. Dazu hilft jedoch keine verordnete und von linken Ideologen all zu oft mißbrauchte Gruppendynamik, sondern das Verwurzeln der Kandidaten in die Realität des Lebens. Wirklichkeitsnähe verbunden mit klarer Treue zur unverkürzten Lehre der katholischen Kirche ist das Erfolgsrezept zukünftiger Priesterpersönlichkeiten. Insbesondere Eltern haben ein Recht, daß ihre Kinder durch bestens vorbereitete Priester seelsorglich betreut werden. Eltern aber ist heute auch von der Kanzel herab zu empfehlen: zuerst gilt das gesunde Mißtrauen - auch Priester müssen erst durch ihren transparenten Einsatz vertrauenswürdig werden. Blindes Vertrauen ohne Indizien, daß ein konkreter Priester die frei gewählte Lebensordnung in allen Situationen wahren möchte, ist unklug. Von daher haben auch Journalisten in verschiedenen Medien eine hohe ethische Aufgabe, Skandale frühzeitig zu bearbeiten und so darzustellen, daß immer mehr Menschen Mut erhalten, im Falle des Falles auch ihr Recht auf Schmerzensgeld einzuklagen.

e) Vorgänge wie jene in St. Pölten sind weder Anlaß, vom katholischen Glauben in Richtung "Kirchenvolksbegehren" abzufallen noch zu verzweifeln. Vielmehr gilt es, jegliche Doppelmoral und jegliches System der lügenhaften Verbergung zu entlarven und Transparenz im notwendigen Maße zu gewähren. Heuchelei wird nicht durch Abschaffung wichtiger Glaubensmaßstäbe bekämpft, sondern durch volle Ernstnahme der katholischen Sittenlehre in allen ihren Bereichen. Die Erkenntnis der Wahrheit muß an erster Stelle sein, und wenn es so ist, wird sie den Menschen auch in der Wirklichkeit Gottes und in der Wirklichkeit des täglichen Lebens tief verankern. Und diese Haltung wird mit der Gnade Gottes im weiteren solche Vorgänge verhindern, die wir aus den medialen Veröffentlichungen leider doch herauszufiltern vermeinen. Beten wir füreinander und bemühen wir uns, in der Wahrheit zu stehen, auch wenn es schwere Nachteile bringt. Einmal wird alles ans Tageslicht kommen.

Vizeoffizial Mag. Mag. Dr. Alexander PYTLIK, Kanonist und Kaplan beim Militärbischofsamt (Wien)


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