Wo alte Lieder nicht mehr gut genug sind

20. Februar 2023 in Kommentar


Das Bistum Würzburg hat einen weiteren Schritt in der pseudokatholischen Cancel Culture getan - Der Montagskick von Peter Winnemöller


Linz (kath.net)

Das Bistum Würzburg hat einen weiteren Schritt in der pseudokatholischen Cancel Culture getan. Seit den 90er- Jahren des vergangenen Jahrhunderts machte man sich in Kommissionen daran, zuerst einmal Schritt für Schritt die Brüder aus den Kirchenliedern zu tilgen. „Lasst uns loben, Brüder loben“ wurde zu: „Lasst uns loben, Christen loben“. Und? Was spricht dagegen? Nun, ideologische Rattenfängerei beginnt immer harmlos. Aus dem „brüderlichen Mahl“ wurde in einem anderen Lied das „österliche Mahl“. Man merkt schon, dass das etwas ganz anderes ist, oder? Im neuen Gotteslob, dem grauen Backstein mit dem an Adobe angemuteten Zeichen, sind dann schon etliche Lieder umgetextet, gegendert oder auf theologisch-modern gebügelt worden.

Man hat sich dran gewöhnt. Hier ein Wörtchen geändert, dort einen Aspekt gegendert, man möge sich doch nicht so anstellen. Und weil man sich inzwischen an die Liedwäsche gewöhnt hat, geht man nun in die Vollen. So hat man in Bistum Würzburg jetzt ein Liederheft herausgegeben, das alte Melodien mit ganz neuen – garantiert politisch-ökologisch-feministisch korrekten - Texte versieht. Da fabuliert man von einer Kirche, die ohne Macht auskommt. Umgedichtet wurde dafür das schöne Lied „Ein Haus voll Glorie“. Über Schönheit von Liedgut lässt sich weidlich streiten. In der Romantik wurde Maria verkitscht, was das Zeug hielt. In dem 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts grölten katholische Jugendliche in spöttischer Weise „Lauta tussies“ und „Ins Wasser fällt ein Schwein“. Eine Grafik des bekannten Illustrators Peter Esser machte es schon vor vielen Jahren unmöglich, auch nur noch ein einziges Mal „Brecht aus Euren Bahnen“ mit Ernst und Andacht zu singen. Man ahnt es, Fahrgäste übergeben sich aus den Fenstern einer Straßenbahn in absurder Neigetechnik. Das sogenannte „Neue geistliche Liedgut“ hatte zu so vielen Verflachungen beigetragen, dass sie kaum zu zählen sind. In wie vielen Messen ist an Stelle de Credo, eines mit Überzeugung vorgetragenen Bekenntnistextes, das umstrittene Lied „Suchen und Fragen“ gesungen worden? Und man fühlte sich so gut dabei, denn er weiß denn schon wirklich was? Und Gott ist doch sowieso der ganz andere.

Exakt da liegt der kirchen-musikalische Hund begraben. An dieser Stelle sei empfohlen, sich mal das Te Deum von Bruckner anzuhören. Dieser Komponist war einerseits ein sehr gläubiger Mensch, der aber andererseits mit seinem Glauben immer hart gerungen hat. Eine Anekdote weiß zu berichten, dass er wütend das Kreuz in den Ofen geworfen haben soll, sich dann besonnen hat und es mit bloßen Händen aus den Flammen gezogen hat. Trotz aller persönlichen Zweifeln, trotz allen Haderns mit Gott entfaltet das Te Deum die Fülle an Gotteslob, die dem Ambrosianischen Lobgesang zu eigen ist. Da zögert der Komponist gar nicht.

Vielleicht wird es an dieser Stelle deutlich, das gesungene Lied in der Gemeinde der Gläubigen ist nicht der Ort des persönlichen zaudernden Suchens und Fragens, es ist der Ort des mutigen Bekennens. Das überkommene Liedgut ist zudem nicht der Ort für theologische Experimente, deren Halbwertzeit ohnehin immer unter einer Generation liegt. Auf der anderen Seite gilt es aber das Gewicht des geistlichen Liedgutes auch nicht zu überschätzen. Wie viele Adventslieder sind bei strenger Betrachtung gnostisch? Wie viel an geistlichen Schmonzetten der Romantik oder der Gitarrenschrummschrumm- Generation dürfen ohne Bedenken dem Vergessen anheim gegeben werden. Sollte jetzt also wirklich eine Generation von Kirchenliederdichtern von einer Kirche träumen, die keine Macht mehr ausübt, mögen sie träumen. Ihre Lieder sind in weniger als einer Generation der Vergessenheit verfallen.

Etwas aber wird bleiben. Die klassische Polyphonie hält sich schon lange, sehr lange. Doch auch sie unterliegt Moden. Gar nicht modern und damit auch gar nicht unmodern ist erstaunlicherweise die Gregorianik. Man kann sie immer singen. Sie fügt sich geschmeidig in die Liturgie, weil sie dort zuhause ist. Sie verbreitet keinen Schmalz, weil sie biblisch ist und weil sie biblisch ist, ist sie vor dem Irrtum gefeit. Schaut man zudem in die Texte des jüngsten Konzils, was man seitens der Väter über eine passende Musik zur Liturgie sagt, dann ist es – in der Tat – die Gregorianik, die der westlichen Liturgie zu eigen ist und die die Musik ist, die immer zur Liturgie gehört.

Es ist ein wenig dem eigenen Charakter oder Temperament überlassen, wie man auf den Versuch aus Würzburg reagieren mag, mit machtvoll schmetternder Orgel von einer machtlosen Kirche zu fabulieren. Man kann darüber spotten, trauern, schimpfen, lachen, weinen oder es ignorieren. Es kommt der Tag, an dem man so ein Liederblatt vor sich liegen hat. Mit kräftiger Stimme kann man dann ja das Haus voll Glorie preisen, oder mit mehreren ordentlichen Männerstimmen gleich die ganze „woke SeniorInnenbande für eine gerechte Kirche“ niederschmettern. Doch was hilft das am Ende? Auch wenn es hier „nur“ um Lieder geht, müssen wir anerkennen, dass wir in einer Zeit massiver Verwerfungen leben, die jeden, auch den banalsten oder – wie beim Liedgut – einen schönen Bereich betrifft. Das deutsche Kirchenliedgut ist zudem besonders anfällig, da es a priori protestantisch dominiert ist.

Wir reden hier über Musik, doch es ist nur ein Feld von vielen. Letztendlich ist es egal wohin wir kirchlicherseits derzeit schauen, es ist alles in Bewegung, es ist alles dabei in sich zusammenzubrechen, zu spalten oder zu säkularisieren. Warum sollte es beim Liedgut anders sein? Nunja, verabreden wir uns zum nächsten Kirchweihfest, um dann ordentlich das „Haus voll Glorie“ aus vollem Hals zu besingen. Es könnte die letzte Chance sein. Das „Haus voll Glorie“ gibt es angeblich nicht mehr, tatsächlich liegt viel in Trümmern, aber wir wissen ohnehin, dass wir am Ende eigentlich immer die Ecclesia triumphans meinen. Aber pssst! Nicht verraten!


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