Christus in unserer Mitte

10. Jänner 2023 in Kommentar


Otti's Optik: Ein persönlicher Blick auf Joseph Ratzinger - Von Franz Norbert Otterbeck


Rom (kath.net)

Zum Heimgang unseres geliebten Papstes Benedikt ist vielleicht schon alles gesagt worden, aber noch nicht von allen. Sogar ein Babbelbischof Bätzing versuchte, einige "angemessene" Wortspenden zu drechseln. Die klerikalen Karrieristen dieser Generation haben ja vom ersten Studiensemester an die wahlweise betroffene, zumeist aber "menschenfreundliche" Mimik einstudiert. In den Interviews mit ARD und ZDF schimmerte dennoch permanent durch, wie frei und gelöst der DBK-Feldherr angesichts dieses lang erwarteten Todesfalls empfindet: Endlich können wir den, der uns deutschen Christen immer wieder Stolpersteine in den Weg legte, der "Barmherzigkeit Gottes" empfehlen. Das Organ, das unter haeretisch.de aufzufinden ist, vermeldete folgerichtig vom Rande des Requiems, dass B.B. keinerlei "Stoppschild" mehr seitens Papst Franziskus wider den Synodalen Orkus sieht, in den Bätzing, Marx + Co. die Kirche stürzen wollen. Zugleich meldet dasselbe Parteiorgan, dass Bätzing sich gegen eine sofortige Seligsprechung Ratzingers ausspreche. Ich bin auch gegen eine sofortige Seligsprechung Bätzings. Wer von uns wird mehr Recht behalten? Anteilnahme jedenfalls sieht anders aus als es die wohlfeilen Kommentare so mancher Klerikalklempner suggerieren, von den üblichen, medienbekannten Benedetto-Feinden mal ganz zu schweigen.

Mir hat Joseph Ratzinger den katholischen Glauben gerettet, weil ich 17-jährig seine "Einführung" las, 1984 in der Osterwoche, im Skiurlaub in Livigno (Italien). Das Buch war aus dem Nachlass eines Onkels an uns gelangt. Die Eltern lasen Ratzinger nicht, wie wohl die meisten deutschen Bischöfe meiner Generation, die allmählich die deutschen Diözesen erobern - und zerstören. Ratzinger legte eine moderne Theologie vor, aber zugunsten einer Modernität "in" der Kirche. Mit seinem Konzept hat der Theologenpapst vermutlich die Leitidee der hl. Konzilspäpste Johannes und Paul besser ergriffen als diese selber: Die heilige Kirche, die immer dieselbe ist, prüft alles und integriert das Gute der Neuerungen in ihre Sendung. Es gibt Fortschritte, Schritt für Schritt, aber nicht "der Fortschritt" diktiert der Kirche den Weg durch die Zeit, sondern Wort und Weisung des Herrn.

Christus lebt in unserer Mitte. Das ist die "Botschaft des Konzils", sie ist radikal christozentrisch und nur um Seinetwillen auch relativ "anthropozentrisch". Im Blick auf Ihn sind wir Seine Kirche. Die "Veränderung der Kirche" kann also für die Milliarde Ratzingerfreunde auf diesem Planeten nur Thema sein, soweit diese zu Ihm zu führen vermag; und uns nicht in eine "autonome" (= zeitgeistig heteronome) Moderne entrückt. Ohne Kirche stirbt die Stadt. Diese Einsicht verdanke ich Ratzinger und sie hat sich mir schon vor fast 40 Jahren unverrückbar mitgeteilt. Alle Folgekonflikte, bis hin zu dem Hass, der mir auch wegen meiner Mitarbeit an kath.net zuteil wird, ergaben sich aus der Entscheidung, dass ich dem Satz zustimme: "wir" sind die wahre Religion, um Jesus Christus versammelt. Bedeutung oder Profil im deutschen Kirchenwesen zu erlangen muss stets hinter diese Entscheidung zurücktreten, wenn deutsche Kirchenleute einfordern, Christus zu relativieren. Bei einem Murxkardinal, einem Bischof Schwätzing oder Weihbischof Windbeutel vermag ich keine Christusbeziehung mehr zu erkennen. Aber wer wäre ich zu urteilen? Diese Herren der deutschen Kirche empfehlen wir - durchaus auch selbstkritisch - der gerechten Barmherzigkeit Gottes an.

Im September 1987 versammelten sich in Kevelaer viele Marienverehrer mit Joseph Ratzinger zu einem Pontifikalamt. Ich durfte als Ministrant dabei sein. Die Predigt ist mir noch im Ohr: Es gehe darum, dass heute Gottesgeburt für uns sei. (Immer noch, immer mehr.) Am Vorabend gab es eine kurze, persönliche Begegnung. Dem "letzten Spross" einer Schusterfamilie von der Ruhr fielen die schicken Schuhe des Kardinals auf. Ich gab ihm die Hand, während zwei andere Praktikanten im "Priesterhaus" auf die Knie fielen und den Bischofsring küssen wollten. Das war ihm unangenehm, wie es auch viele Bilder aus seiner Zeit als Papst zeigen. Ich habe etliche Veranstaltungen mit Papst Benedikt XVI. miterlebt, in Rom, Deutschland und anderswo, ohne dass je wieder eine Begegnung aus der Nähe angesagt war. Anfang 2009 sah ich dann bei einem Nachrichtensender die Meldung laufen: "Benedikt XVI. rehabilitiert Holocaustleugner." Das war ebenso falsch wie wirksam. Ich wusste sofort, dass sein Programm für Deutschland damit erledigt war. In meinem Umfeld, auch auf kath.net, versuchte ich mit bescheidenen Mitteln gegenzusteuern, vergebens. Die "Ohrfeige" der Bundeskanzlerin für den gar nicht so deutschen Papst vom 3. Februar 2009 gab ihm "den Rest". Seither befindet sich der Nationalkatholizismus in diesem unglückseligen Vaterland im freien Fall. Die Lemuren, die hier das Sagen haben, wollen jetzt das Tempo noch erhöhen. Sie nennen ihr Harakiri sogar stolz "Reform". Da sei Gott vor - und Papst Franziskus.

Bischof Genn beklagte neulich in einer Predigt, ein Kritiker habe ihm "einen Strick" geschickt, damit er sich aufhänge wie Judas. Ein kluger Bischof hätte so eine widerwärtige Aktion nicht öffentlich gemacht. Die narzisstische Kränkbarkeit heutiger Bischöfe verrät viel mehr über ihr Sinnen und Trachten als ihre bisweilen wenig erleuchteten Predigten je wiedergutmachen könnten. Leider, leider hat die mittelbare oder unmittelbare Nähe zu Benedikt XVI. auch manchen zu Pfründen verholfen, die dann 2013 sofort den Schulterschluss mit den deutschnationalen Amtsbrüdern suchten. Zu Peter Seewald, nicht zu verwechseln mit der Mickymaus in Münster, sagte der Emeritus noch, er habe seiner Heimat mit "Personalentscheidungen" geholfen. Hier irrte der nahezu Unfehlbare. Ansonsten habe ich, als niederrheinischer Außenseiter der hiesigen Katho GmbH & Co, unserem Papst der Ermutigung 'zu Christus hin' nichts vorzuhalten, insbesondere nicht, dass zum Missbrauch "Fragen offen" geblieben seien. Die Meute versteht den Wink und alles tobt: Missbrauch, Missbrauch, Missbrauch. Polizeistatistisch entfallen vielleicht 0,5 % der Taten auf das kirchliche Milieu. Das bedeutet: Selbst die restlose Ausrottung des Christentums in Deutschland würde an den Opferzahlen fast nichts ändern. So ehrlich muss man sein. Ich sehe in Benedikt XVI. einen Märtyrerpapst. Beihilfe geleistet hat die deutsche Theologie - von Christus und allen guten Geistern verlassen. Beten wir also für eine "benedettinische" Wende. Hilf, Maria. Es ist Zeit: Consolatrix afflictorum, ora pro nobis.

 


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