Sterbehilfe-Umfragen: Meinungsforscher warnen vor versteckten Manipulationen

31. Dezember 2022 in Prolife


Je nach Fragestellungen kann es zu verzerrten Ergebnissen kommen


Wien (kath.net/Imabe) Die Auffassung, wonach jeder das Recht auf Suizidassistenz haben soll – unabhängig von Erkrankung, Lebensalter und Motiv – hat entgegen bisheriger Umfragen nicht die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. Eine Studie zeigt auf, wie sehr die Fragestellung die Umfrage-Ergebnisse beeinflusst.

Anlässlich des Urteils des deutschen Bundesverfassungsgerichts zum assistierten Suizid Anfang 2020 hatten verschiedene Umfragen den Eindruck erweckt, dass es eine große Meinungsmehrheit für eine liberale Regelung der Sterbehilfe gebe. Auch in Österreich war dieses Phänomen zu beobachten (Bioethik aktuell, 1.7.2021). Doch wie seriös sind solche Daten? Tickt der Mehrheitswille der Bevölkerung tatsächlich in diese Richtung?

Nicht wirklich, denn: Wie hoch der Grad der Zustimmung zum assistierten Suizid war, war stark davon abhängig, wie die Fragen formuliert wurden. Dies ist das Ergebnis einer aktuellen preprint im Psychology Archive veröffentlichten Studie (PsyArXiv, October 24. doi:10.31234/osf.io/pcnaq). Wird als Wahlmöglichkeit zur Tötung eine medikamentöse Schmerzlinderung bis zum natürlichen Tod angeboten, sinkt die Zustimmung zum assistieren Suizid um mehr als die Hälfte.
Zustimmung zum assistierten Suizid sank von 70 auf 31 Prozent, wenn Schmerztherapie angeboten wurde

An der INFAS-Umfrage, die im Auftrag der Deutschen Akademie für Suizidprävention (DASP) im September 2021 durchgeführt wurde, hatten 1.023 Personen teilgenommen. Die Telefon-Interviews umfassten einen Block mit 10 Fragen zum Suizid und zum assistieren Suizid. Die Stichprobe wurde nach Merkmalen wie Alter, Geschlecht, Bildungsstand, Haushaltseinkommen geschichtet. Diese Stichprobe wurde nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt.

Gruppe A wurde die Frage vorgelegt: „Stellen Sie sich vor, dass eine Person an einer schweren Erkrankung mit starken Schmerzen leidet und bald sterben wird. Würden Sie es befürworten, wenn dieser Person ein tödliches Medikament übergeben wird, das sie selbst einnimmt und an dem sie stirbt?“ Fast 70 Prozent der Befragten antworteten mit Ja, 19 Prozent mit Nein, rund elf Prozent legten sich nicht fest.

Ein deutlich anderes Meinungsbild ergab sich in Gruppe B, deren Frage nicht bloß ein Ja oder Nein vorgab, sondern einen Alternativvorschlag anbot: „Welche Alternative würden Sie eher befürworten: 1) „Die Person erhält eine Behandlung, die ihre Schmerzen bis zu ihrem Tod deutlich lindert“ oder 2) „Der Person wird ein tödliches Medikament übergeben, das sie selbst einnimmt und an dem sie stirbt“. Die Alternative "Schmerzlinderung" veränderte das Ergebnis signifikant: Jetzt gaben 51 Prozent an, dass die Möglichkeiten der Palliativmedizin ausgeschöpft werden sollten. Nur noch 31 Prozent befürworteten noch den assistierten Suizid. 18 Prozent konnten sich zu keiner Entscheidung durchringen.

Zustimmung zum assistierten Suizid hängt auch vom Alter ab – je jünger, desto geringer

Auch die im Urteil des Verfassungsgerichts erfolgte Generalisierung und Befürwortung eines assistierten Suizids für alle Personengruppen lasse sich in der Einschätzung der Bevölkerung nicht wiederfinden: „Für tödlich erkrankte Menschen wird ein assistierter Suizid (mit 80,5%) deutlich häufiger befürwortet als für (…) schwer, aber nicht tödlich erkrankte (mit 37,6%)", heißt es in der DASP-Studie. Für Menschen in Lebenskrisen ohne Erkrankung sinkt die Zustimmung auf noch niedrigere Werte – je nachdem, wie alt diese sind: von rund zehn Prozent bei Älteren über vier Prozent bei Menschen im mittleren Lebensalter bis zu nicht einmal drei Prozent bei Jüngeren (Pressemitteilung Uni Würzburg, 25.11.2022).

Das Studienresultat wurde im November 2022 vorab veröffentlicht. Das Ergebnis spiegelt nach Aussagen der Wissenschaftler die Erfahrungen in der Palliativmedizin wider, dass der Wunsch von Patienten nach dem assistierten Suizid abnimmt, wenn sie Alternativen wie schmerzlindernde Behandlungen erkennen und erfahren.

Das Urteil des Verfassungsgerichts ignoriert die Einschätzung in der Bevölkerung

„Diese Antworten legen nahe, dass die vom Bundesverfassungsgericht eröffnete Möglichkeit des assistierten Suizids für nicht sterbende Menschen von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung nicht befürwortet wird“, so das Fazit der Autoren. Das Ergebnis müsse nach Ansicht der Forscher in der Diskussion über die gesetzliche Regelung der Suizidhilfe berücksichtigt werden.

Die Studie lief im Rahmen des vom Bundesministerium für Gesundheit geförderten Projekts „Förderung suizidpräventiver Kompetenz in Institutionen und Gesellschaft“ (suiKom). Ziel war es, Kenntnisse und Einstellungen der deutschen Bevölkerung zur Suizidalität zu erheben. Eine Wiederholung der Befragung ist nach drei Jahren geplant.


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