Ordensmann: "Warum ist Fußball wichtiger als das Elend der Menschen?"

10. Dezember 2022 in Chronik


Fr. Sabe vom syrischen Hilfswerk der Blauen Maristen berichtet in Schreiben an Initiative Christlicher Orient von unvorstellbarer Not in syrischer Metropole Aleppo.


Aleppo/Linz (kath.net/ KAP)

Wie kann es sein, dass ein Fußballturnier die ganze Aufmerksamkeit der Welt genießt und zugleich unzählige Menschen in Ländern wie Syrien ums Überleben kämpfen - und niemand zeigt dafür Interesse: "Warum ist Fußball wichtiger als das Elend der Menschen?" - Mit dieser anklagenden Frage hat sich Fr. Georges Sabe vom syrischen Hilfswerk der Blauen Maristen in einem Schreiben an die Initiative Christlicher Orient (ICO) gewandt. Das Hilfswerk ist in der nordsyrischen Metropole Aleppo tätig und versucht, u.a. mithilfe der ICO, die Not der Bevölkerung ein wenig zu lindern.

Das Elend in Aleppo sei keine unpersönliche Zahl, das Elend habe viele einzelne Gesichter, so Fr. Sabe. Er berichtete in seinem Kathpress vorliegenden Schreiben von einigen Fallbeispielen, Menschen bzw. Familien, die von den Maristen unterstützt werden. Fr. Sabe: "In einem Raum mit neun Quadratmetern leben eine Großmutter, ihr arbeitsloser Sohn mit seiner schwangeren Frau, die Familie einer Tochter mit ihrem Mann und drei Kindern; dazu noch eine weitere alleinerziehende Tochter mit Kind."

Die Großmutter habe seit Jahren nichts von ihrem Ehemann gehört, der als vermisst gilt. Der dreifache Familienvater arbeite als Lumpensammler, die alleinerziehenden Tochter musste die weiterführende Schule abbrechen, da sie sich nicht einmal mehr den Transport hatte leisten können. Die einzige Lichtquelle im Raum sei eine LED-Lampe, die mit einer Batterie betrieben wird. Das Haus, in dem sich der Raum befindet, wurde ihnen von Freunden zur Verfügung gestellt. Selbst hätten diese Menschen nichts. "Während des Krieges mussten sie mehrmals umziehen, sie haben alles verloren. Sie brauchen alles, Kleidung, Windeln und Milch für das Baby, Lebensmittel, Medikamente und vieles mehr. Und vor allem: Sie brauchen ihre Würde."

Ein anderes Beispiel von Fr. Sabe: "Wir besuchten eine Familie in einem desolaten Haus. Der Eingang und die Küche sind mit einer Plane abgedeckt, doch wenn es regnet, läuft das Wasser durch. Nur das kleine Schlafzimmer ist leidlich geheizt. Auf dem Boden liegt ein 17-jähriger, querschnittsgelähmter Junge. Der Vater beheizt den kleinen Ofen mit Stofffetzen." Von der Regierung gebe es 50 Liter Heizöl pro Jahr und Familie. Das sei längst aufgebraucht. "Die Familien verheizen alles, was sie finden, vor allem Stoff und Plastik; mit erheblichen gesundheitlichen Schäden für die Menschen", so Fr. Sabe. Der Westen müsse seine Gleichgültigkeit gegenüber diesen Menschen endlich überwinden, betonte der Marist, der eindringlich um weitere Hilfe bat.

Die Maristen stellen u.a. für tausende Kinder Milch bzw. Babynahrung zur Verfügung. Für die ärmsten Schichten der Bevölkerung übernehmen sie die Kosten für medizinische Behandlungen und eine rudimentäre Stromversorgung. Mit einer Suppenküche versorgt das Hilfswerk zudem täglich 200 alte Menschen in Not. Freiwillige der Organisation haben zudem einen Besuchsdienst für die alten, alleinstehenden Menschen ins Leben gerufen.

Weiters haben die Maristen verschiedene Hilfsprogramme laufen, mit denen sie kriegstraumatisierten Kindern zurück in ein normales Leben helfen wollen. Hunderte Kinder und Jugendliche werden in Aleppo in unterschiedlichen Kursen betreut. Die ICO unterstützt diese Programme seit einigen Jahren.

Zudem hat die ICO aber auch weitere Nothilfeprogramme am Laufen. Seit gut einem Jahr finanziert etwa das Hilfswerk die Suppenküche der katholischen Pfarre St. Franziskus in Aleppo. Ende Oktober konnte bereits die 300.000ste warme Mahlzeit für Bedürftige ausgegeben werden. Derzeit werden täglich rund 1.200 Mahlzeiten zubereitet. Das Projekt sei allerdings ständig in Gefahr, nicht mehr weitergeführt werden zu können.

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