Wie Mönche die Kirche erneuerten

4. November 2022 in Kommentar


Zur Zeit des heiligen Martin und später griffen immer wieder Häresien um sich. Die Kirche ging trotzdem nicht unter. Dank der heiligen Ordensleute, die die geistliche Substanz erneuerten - BeneDicta am Freitag von Dorothea Schmidt


Rom (kath.net)

Zur Zeit des heiligen Martin und später griffen immer wieder Häresien um sich. Die Kirche ging trotzdem nicht unter. Dank der heiligen Ordensleute, die die geistliche Substanz erneuerten.

Der Heilige Martin ist Anfang November der Held vieler Kinderherzen. Überall wird die Geschichte mit dem Mantel nachgespielt, vielerorts erleuchten Laternen die dunkle Nacht. Und das mit gutem Grund: Martin war weit mehr als Soldat, der seinen edlen Mantel mit einem Bettler teilte: Er war in vielerlei Hinsicht eine Lichtgestalt des endenden 4. Jahrhunderts als der Arianismus zumindest der theologischen Diskussion nach in seinen letzten Zügen lag. Martin war ein Mann des Gebets, er wirkte viele Wunder, durch ihn fanden viele Menschen zum Glauben an Christus und: Er begründete das westliche Mönchtum, das im Laufe der Jahrhunderte für weitere Erneuerungen der Kirche wichtig werden sollte. Es entstanden Ordensgemeinschaften, auch neue apostolische Lebensformen, die auf große Herausforderungen ihrer Zeit reagierten und das Christentum durch evangeliumsgemäße Lebensweise, eine tiefe Christusverbundenheit, Bildung und Mission immer wieder zu ihrem eigenen Kern zurückführten. Auf diese Weise trugen sie die Kirche durch Krisen hindurch und erneuerten sie.

Martin, der das Christentum als Kind bei heimlichen Treffen mit Christen kennengelernt hatte, ließ sich nach vielen Jahren Dienst als Soldat taufen und begründete ein Mönchtum, das asketisches Leben mit apostolisch-missionarischer Tätigkeit verband. Es war eine Antwort des Heiligen Geistes auf die neue Situation der Reichskirche; das Christentum war endlich offiziell anerkannt und es brachte durchaus Vorteile mit sich, wenn man Christ war. Menschen wandten sich also nicht allein des Glaubens wegen dem Christentum zu. Und so kam mit dem gewaltigen Zulauf auch eine große Verflachung des Glaubens. Hier setzte Martin neben einigen anderen großen Bischofsgestalten jener Zeit mit seinem asketischen Leben — das er auch als Bischof durchhielt, was damals nicht selbstverständlich war — einen für viele attraktiven Kontrapunkt.

Martins besonderes Anliegen war es, der — im Gegensatz zu Stadtbewohnern — überwiegend heidnischen Landbevölkerung das Evangelium zu bringen. Immer wieder trat er vor Kaiser, um ihnen den richtigen Weg zu weisen, wie in einem Fall des Kaisers Maximus. Der wollte den spanischen Irrlehrer Priszillian hinrichten lassen — in der Zeit zeigte das römische Imperium immer mehr Interesse für die christliche Religion. Martin verwehrte sich gegen das Todesurteil und predigte Liebe vor Gewalt — trotz der Häresien, die Priszillian verbreitete —, woraufhin er selbst der Häresie bezichtigt wurde. Der Kaiser versprach Martin, das Bluturteil zurückzunehmen, ließ sich aber nach dessen Abreise von der Gegenpartei umstimmen.

An Ketzern und Häretikern mangelte es im Laufe der Kirchengeschichte nie. Viele Krisen sollten die Kirche noch teilweise bis an den Rand ihrer Existenz bringen, zerstören konnte die Kirche nichts. Im Gegenteil: Immer wieder blühte sie von innen her neu auf — immer wieder waren es Mönche, die die notwendige geistliche Potenz für die Erneuerung in der Kirche aufbrachten.

Der Heilige Benedikt beispielsweise beeindruckte im 5./6. Jahrhundert eine vom politisch wie moralisch vom Verfall geplagte Gesellschaft nicht nur durch seine friedensstiftende Lebensart, er rettete auch die antike Kultur über den Bruch der Völkerwanderungszeit ins Mittelalter, indem er Bücher schrieb und Bildungsstätten schaffte: Die von ihm errichtete Abtei Monte Cassino wurde nicht nur selbst zu einem bedeutenden geistlichen und wissenschaftlichen Zentrum des abendländischen Mittelalters, sondern strahlte aus: Nach diesem Vorbild entstanden Hunderte von Klöstern in Europa, Zentren der handwerklichen und landwirtschaftlichen Kunst, der Forschung und des Wissens.

Im 12. und 13. Jahrhundert kamen die Bettelorden auf, um die zu reich gewordene Kirche zu erneuern. Allerdings waren viele dieser Bettelroden häretisch (Katharer z.B.). Hier waren es unter anderem Franziskus und Dominikus, die die Bettelorden wieder auf das Evangelium ausrichteten und in die Mitte der Kirche zurückführten. Die radikale Armut der Bettelorden erwies sich auch als Zugang zum Volk, wie folgende Episode zeigt: Dominikus war mit dem Bischof Diego de Acebes auf Mission. Sie wollten der Häresie der Katharer und Waldenser entgegentreten und trafen dabei eines Tages drei reich gekleidete und sich aufplusternde päpstliche Legaten, die im selben Auftrag unterwegs waren, aber keinen Erfolg hatten. Bischof Diego stellte trocken fest: Seid demütig, geht zu Fuß, ohne Gold und Silber und ahmt in allem das Leben der Apostel nach. Nur so würde man sie ernstnehmen.

In demütiger Armut begegneten Bettelorden außerdem dem Phänomen, dass die Städte größer wurden und neue Formen der Seelsorge gefragt waren. Dies erkannten diese Orden neben der Mission als ihre Aufgabe und ließen sich in Städten nieder. Bis heute sind Franziskaner- und Dominikanerklöster nicht an abgeschiedenen Orten, sondern in Städten zu finden.

Ein weiteres leuchtendes Beispiel sollte im 12. Jahrhundert Bernhard von Clairvaux werden, ein bedeutender Mönch der Zisterzienser, der den Orden zu wahrer Blüte brachte. Grund konnte nicht nur seine charismatische Persönlichkeit gewesen sein, bedenkt man, dass die Gemeinschaft in Clairvaux unter seiner Leitung 700 Mönche zählte und bis zu seinem Tod allein von Clairvaux aus 67 Kloster gegründet worden sind; es war wiederum das evangeliumsgemäße Leben in Armut, Askese, Gebet und einer tiefen Liebe zu Christus, das so reiche Frucht brachte. Jesus, den Gekreuzigten zu kennen, war der Kern von Bernhards Philosophie. Darauf sowie auf der damals tausendjährigen Tradition der Kirche basierte seine Erneuerung innerhalb der Kirche.

Auch Ignatius, Begründer der Jesuiten, der im 16. Jahrhundert lebte, war überzeugt, dass eine Reform immer von innen erfolgen müsse; aus einer tiefen Frömmigkeit und der Beziehung zu Christus. Zur Zeit des Ignatius war der Bildungsstand von Klerus und Volk auf einem Tiefpunkt. Man wusste kaum noch, was das Evangelium mit dem eigenen Leben zu tun haben könnte. Hier bekamen zunächst die Reformatoren gewaltigen Zulauf; dank Luther gab es die Bibel in deutscher Sprache. Auch Musik und Bildung trieben sie voran, allerdings all das in Abspaltung von der Kirche. Die Antwort darauf fand Ignatius von Loyola mit den Jesuiten. Sie integrierten die neuen Strömungen ins Herz des Christentums und waren dafür im Dienst am Nächsten ständig in den Brennpunkten unterwegs, weshalb sie kein gemeinsames Chorgebet pflegten. Ignatius war es zudem, der in dieser Zeit die Unterscheidung der Geister entwickelte.

All diese Beispiele zeigen, dass Gott in jeder Krise Menschen beruft, durch die er in besonderer Weise zum Aufbau seiner Kirche wirken kann und dass Reform der Kirche immer die Erneuerung der geistlichen Substanz braucht. Armut, Demut, Askese, eine Rückbesinnung auf Christus und seine Botschaft, Gebet: Das waren bei aller individuellen Prägung und den unterschiedlichen Herausforderungen der jeweiligen Zeit der entscheidende Antrieb für kirchliche (Neu-)Aufbrüche. Und das muss auch heute der Kompass sein. Ohne die geistliche Erneuerung, die Erneuerung des Evangeliums, sind weder kluges Agieren noch die richtigen strukturellen Veränderungen möglich, wie sie derzeit vehement gefordert und umgesetzt werden sollen. Ohne geistliche Erneuerung hat Kirche keine Zukunft. Was wir also auch heute brauchen, sind vor allem Heilige. Denn die Saat der Heiligkeit geht immer auf.


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