Das Leiden der Laien

18. November 2022 in Kommentar


„Die Sonntagspflicht, die die wenigen Katholiken noch ernstnehmen, wird zunehmend zu einer echten Qual. Wo findet der Katholik, der einfach eine normale, gute, schöne Heilige Messe feiern will, diese überhaupt noch?“ Gastkommentar von Johanna M.


Linz (kath.net) Die Sonntagspflicht, die die wenigen Katholiken noch ernstnehmen, wird zunehmend zu einer echten Qual. Wo findet der Katholik, der einfach eine normale, gute, schöne Heilige Messe feiern will diese überhaupt noch? Würde man hier noch den Liturgiemissbrauch mit aufzählen, dann würde der Artikel Überlänge bekommen, daher will ich mich hier auf das Thema „Predigt“ beschränken. Durch verschiedene Umstände habe ich in den letzten zwei Jahren die hl. Messe oft auch außerhalb meiner Gemeinde miterlebt. In dieser Zeit habe ich keine einzige Predigt gehört, die mir auch nur einen wertvollen Gedanken mitgegeben hätte. Die größte Sorge aller Prediger scheint es zu sein, nicht anzuecken. Sie sagen nichts, sie fordern die Gläubigen nicht mehr heraus, sie machen sich oft keine Mühe mehr, die Predigt überhaupt richtig vorzubereiten. Ein paar der gängigen Predigtstrategien sollen hier einmal aufgezählt werden:

1.    Das Evangelium nacherzählen: Das Alter der Gottesdienstbesucher ist im Schnitt 50+. Man kann also davon ausgehen, dass alle Besucher das entsprechende Evangeli-um schon mindestens 10-mal gehört hat. Man kennt es also! Wieso glauben Prediger immer noch, dass die Gläubigen im Wortgottesdienst nicht zugehören oder die entsprechende Stelle vielleicht zum ersten Mal gehört haben? Warum stehlen sie den Gläubigen mit der Nacherzählung Zeit und Nerven?

2.    Das Evangelium gar nicht beachten: Es gibt im Lesejahr immer wieder Evangelien, die auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen. Jetzt wünscht man sich die Aus-legung des Fachmanns, aber offensichtlich ist der Fachmann nicht in der Lage die Widersprüche aufzulösen oder er hat die auf den ersten Blick sperrigen Worte selber nicht verstanden, denn er umgeht das Evangelium und greift ein ganz anderes Thema auf. Oder aber das Thema des Evangeliums ist unpopulär und ist mit unserem „modernen“ Denken nicht mehr kompatibel. Auch in diesem Fall weicht der Prediger geschickt auf die Lesung aus oder nimmt einen Gedanken aus dem Zeitgeschehen auf.

3.    Die anderen sollen sich oder etwas ändern: Der Prediger spricht nicht die Menschen an, die er vor sich hat, sondern greift andere Menschen an oder Institutionen, die et-was ändern müssen. So kann der Zuhörer sich gemeinsam mit dem Prediger über andere entrüsten, dass schafft ein Gemeinschaftsgefühl.

4.    Der „Geist“ des II. Vatikanums: Wenn gar nichts mehr geht, dann wird das II. Vatikanum bemüht. Selten werden Textpassagen wortgetreu zitiert, vielmehr bemüht der Prediger den „Geist“ des II. Vatikanums, in den man Alles und Nichts hineininterpretieren kann.

5.    Den Heiligen des Tages gedenken: Wenn der Prediger keine Zeit hatte, sich mit dem Evangelium auseinanderzusetzen, dann wird auch schon mal gerne dem Heiligen des Tages gedacht, und dass, obwohl der Sonntag den Gedenktag verdrängt. Noch einmal sei hier erinnert, dass der Gottesdienstbesucher eher 50+ ist, als jünger. Das bedeutet, dass der Gläubige die Heiligen kennt und damit auch die dazugehörigen Geschichten.

6.    Versatzstück-Predigt: Bei dieser Technik greift der Prediger auf die verschiedenen Versatzstücke zurück, die schon einmal in einer Predigt funktioniert haben. Diese werden dann völlig sinnfrei aneinandergereiht, frei nach dem Motto: Nimm einen Gedanken heraus, der Dich gerade anspricht.

7.    Ausgeleierte Geschichten: Um komplexe Inhalte einfach darzustellen werden immer wieder die gleichen Geschichten bemüht, z. B. der Elefant, der von Blinden betastet wird und so jeder eine andere Vorstellung davon bekommt, wie ein Elefant aussieht, oder die Geschichte von den vier Kerzen auf dem Adventskranz, die sich unterhalten. Auch der geneigteste Zuhörer merkt schnell, dass diese Geschichten immer auch eine Schieflage enthalten und so sind komplexe Themen nicht verständlicher geworden.

Wenn ich länger nachdenke, fallen mir sicher noch mehr Strategien ein, wie Prediger versuchen, ihre mangelnde Vorbereitung zu kaschieren. Aber ich glaube, die Botschaft ist deutlich geworden und sie soll auf diesem Wege an alle Prediger gehen. Wenn Sie glauben, dass wir nicht merken, was Sie da tun, dann soll hiermit klargestellt werden: Doch! Wir merken das! Und wir leiden darunter! Es ist Ihre Aufgabe als Geistliche sich in der Woche mit dem Evangelium auseinanderzusetzen. Und am Sonntag wollen wir in der Heiligen Messe eine fundierte Auslegung dazu hören. Wir wollen, dass Sie uns herausfordern, unseren Glauben zu vertiefen und unsere Nächstenliebe zu schulen. Es ist Ihre Aufgabe, unser Glaubenswissen zu erweitern. Und wenn Ihnen das, aus welchen Gründen auch immer, nicht gelingt, dann fassen Sie sich wenigstens kurz und bringen uns nicht durch endloses Nichtssagen völlig aus der Andacht!


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