Die Vorlage des Synodalen Wegs „kann man nur als Massenabfall von Schrift und Tradition bezeichnen“

21. September 2022 in Kommentar


„Bestürzend ist, dass die Bischöfe in so großer Zahl den Eid, den sie vor Priesterweihe und Bischofskonsekration vor allem Volk und vor Gottes Angesicht geschworen hatten, anscheinend leichten Herzens vergessen haben.“ Von Walter Kardinal Brandmüller


Bonn-Vatikan (kath.net/LifeSiteNews) Kardinal Walter Brandmüller gab LifeSiteNews eine Bewertung der Vorgänge bei der 4. Vollversammlung des Synodalen Wegs in Frankfurt. kath.net dokumentiert die deutschsprachige Vorlage des Statement des Kardinals in voller Länge und dankt für die freundliche Erlaubnis zur Veröffentlichung.

Das Scheitern der Vorlage der Frankfurter „Synode“ über die Sexualethik ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Einmal wurde der vorgelegte Text von der Versammlung abgelehnt. Die Stimmen der Bischöfe hatten für Annahme des Textes nicht ausgereicht. Eines Textes, den 82,8% der Laien-Synodalen und, 61,1% der Bischöfe akzeptiert hatten. Letztere hatten die erforderliche 2/3 Mehrheit verfehlt. Wenn Bischof Bätzing angesichts dieses Abstimmungsergebnisses von einer „krisenhaften Situation“ gesprochen hat, dann ist das zweifellos wahr. Aber nicht im Sinne von Bischof Bätzing. Die Krisenhaftigkeit dieser Abstimmung bestand in der Tat darin, dass 82,2% der Laien-Synodalen der Lehre der Heiligen Schrift und der Apostolischen Überlieferung diametral widersprochen haben. Noch schlimmer: Auch 61,1% der mitstimmenden Bischöfe taten so.

Das aber heißt, dass nur 17,2% der Laien und nur 38,9% der Bischöfe sich der Lehre der Kirche verpflichtet wussten.

Dieses Ergebnis aber kann man nur als Massenabfall von Schrift und Tradition, den Quellen des von Gott geoffenbarten Glaubens, bezeichnen. In diesem Abstimmungsergebnis tritt ein Verständnis von Kirche, von Glaubens und Sittenlehre zutage, das sich von der authentischen Glaubensverkündigung der Kirche um Welten unterscheidet. Religion, Kirche, Glaube – das sind in dieser „synodalen“ Sicht je mehr den sozialen, kulturellen Verhältnissen des jeweiligen „heute“ anzupassende, variable Größen. Eine Einsicht, die es der Kirche nicht nur ermöglicht, ja sogar abfordert, im Gleichschritt mit der Gesellschaft, als deren Avantgarde sogar, in die Zukunft zu marschieren.

An diesem Punkt aber ist die Frage zu stellen, ob eine solche Überzeugung noch mit dem authentischen katholischen, ja christlichen Glauben vereinbar ist. Dieselbe Frage mag sich auch ein Jude stellen, aber nicht nur das, auch Aristoteles und Platon werden von den zeitgeistseligen Frankfurter Moralisten mit überlegenem Lächeln im Papierkorb kurz entsorgt. Sie fragen nicht einmal was „der deutsche Philosoph“ aus Königsberg dazu gesagt hätte. Ein kultureller Zusammenbruch „des Volkes der Dichter und Denker“.

Dann aber geht es auch um das Wesen von Religion. Hat das Ganze möglicherweise nicht nur mit dem Menschen zu tun, sondern in erster Linie mit dem Schöpfer von Mensch und Welt, mit Gott?

Und mit der Selbstoffenbarung des Schöpfers an sein Geschöpf Mensch?

Darum geht es in der Tat.

Gott aber hat – so der Anfang des Hebräerbriefes – „vielmals und auf vielerlei Art und Weise hat Gott zu unseren Vätern gesprochen, zuletzt aber durch seinen Sohn“. Nun, freilich entscheidend kommt es darauf an, ob ich im schriftlichen Niederschlag dieser Botschaft tatsächlich ein Wort des lebendigen Gottes an sein Geschöpf Mensch erkenne, oder darin nur ein Produkt vorderorientalischer Literatur der Antike. Wenn es nun aber wirklich, um Gottes Wort geht, von dessen gläubigem Hören und Befolgen es definitiv abhängt, ob das Leben des Menschen, der menschlichen Gemeinschaft gelingt, oder ins Chaos abstürzt, dann stellt sich doch die Frage, was die Frankfurter Synodalen ermächtigt, sich dieser Wirklichkeit zu verweigern. Es geschieht doch in den Frankfurtern Beschlüssen da und dort nicht weniger als jener Aufstand des Menschen gegen seinen Schöpfer, als der fatale Griff nach der Frucht des Verbotenen Baumes, der sich im Laufe der Menschheitsgeschichte immer wieder und in immer neuen Formen wiederholt, und Ströme von Blut und Tränen zur Folge hatte. Und nun tut so auch die frankfurterisch-deutsche Kirche.

Das eigentlich Alarmierende, Bestürzende ist es jedoch, dass die geweihten und gesandten Hirten der Kirche, die Bischöfe, in so großer Zahl den Eid, den sie vor ihrer Priesterweihe, und, zuletzt bei ihrer Bischofskonsekration vor allem Volk und vor Gottes Angesicht geschworen hatten, anscheinend leichten Herzens vergessen haben. Man fühlt sich, wie einst John Henry Newman vor mehr als hundert Jahren an das 4./5. Jahrhundert erinnert, da die Mehrzahl der östlichen Bischöfe der Irrlehre des Arius die Gottheit Jesu leugneten, während der heilige Athanasius, von ihnen verfolgt, mehrfach von seinem Bischofssitz vertrieben wurde oder fliehen musste.

Es brachen über diese Kirchen alsbald die Heere des Propheten aus Mekka herein, diese in Rauch und Trümmern untergehen ließen. Es lohnt sich, hier weiter zu denken.


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