Franziskus’ Nachfolger braucht prophetische Glaubwürdigkeit und politischen Scharfsinn

30. August 2022 in Weltkirche


Gavin Ashenden, ehemals anglikanischer Bischof und nun katholischer Autor, analysiert Spekulationen um Zeitpunkt des nächsten Konklaves und die Qualitäten, die der nächste Papst angesichts des gegen die Kirche heraufziehenden Sturmes mitbringen muss.


London (kath.net/mk) „Der nächste Papst nach Franziskus wird ein intellektuelles Kaliber sowie eine geistliche Standfestigkeit brauchen, um die Kirche gegen jene politischen und metaphyischen Angriffe zu verteidigen, für die die letzten Jahrzehnte nur ein Vorgeschmack waren.“ Diese Analyse aus dem „Catholic Herald“ stammt von Gavin Ashenden, einem ehemaligen anglikanischen Bischof, der 2019 in die katholische Kirche eintrat und diese damit aus einem besonderen Blickwinkel sieht. Es gebe kaum dramatischere Momente im Leben der Kirche als die Wahl eines neuen Papstes. Durch Franziskus’ immer wieder öffentlich geäußerte Überlegungen, aus gesundheitlichen und Mobilitätsgründen zurückzutreten, habe diese Dramatik noch an Spannung gewonnen. Doch wie ernst meint der Papst seine Ankündigungen, fragt sich Ashenden wie viele andere Katholiken.

Wie so oft in seinem Pontifikat seien Franziskus’ Aussagen unterschiedlich aufgefasst worden, ja die Zweideutigkeit - sichtbar in der Sprache von Amoris Laetitia oder Franziskus’ Standardphrase „Wer bin ich, ihn zu verurteilen“ - sei überhaupt sein Markenzeichen geworden. Gerade damit habe er die liberale und säkulare Welt erfreut, während er die Konservativen alarmiert und misstrauisch gemacht habe. Ein weiterer hochumstrittener Punkt seien die öffentlichen Auftritte mit einer Pachamama-Statue während der Amazonas-Synode oder die kürzlichen Zeremonien mit einem indigenen Schamanen in Kanada. Sie könnten zum einen als Schritte der Inkulturation des Katholischen gelesen werden, wie sie gerade aus der jesuitischen missionarischen Spiritualität entspringt, im Sinne von „die Menschen dort abholen, wo sie stehen“. Traditionelle Katholiken hätten aber die Gefahren des Synkretismus, der Vermischung von Religionen gesehen und einen Ausverkauf des Katholischen befürchtet.

Schließlich habe sich bei der Liturgie („Traditiones Custodes“) der Kulturkampf zwischen Progressiven und Traditionalisten in der Kirche besonders sichtbar entzündet. Umso mehr würden beide Seiten auf einen nächsten Papst schielen, der den jeweiligen Anliegen noch klarer zum Durchbruch verhelfe. Bei den Spekulationen über Franziskus’ Nachfolger zu berücksichtigen sei aber, dass der Papst selbst durch seine Kardinalsernennungen (mehr als die Hälfte der aktuell wahlberechtigten Kardinäle wurden von Franziskus kreiert) das nächste Konklave maßgeblich mitbestimmt habe. Kommt also wieder ein zweideutiger Papst, fragt Ashenden. Wenn es so weit sein werde, könnte die dann schon offen sichtbare Gefahr für die Kirche die Papstwähler hinter einem pointierteren Kandidaten vereinen als Franziskus ihn bevorzuge. Der rasant Fahrt aufnehmende kulturelle und ideologische Wandel im Westen werde sich mit Kompromissen und Dialog mit der Kirche nicht mehr zufrieden geben. Man könne einen Gegner nicht mit Uneindeutigkeit besänftigen, der es letztlich auf die eigene Zerstörung abgesehen habe.

Während das Erste Vatikanum eine Reaktion auf das kulturelle und intellektuelle Klima der Aufklärung im 19. Jahrhundert gewesen sei, und das Zweite Vatikanum auf die zunehmende Säkularisierung mit einem Brückenbau und einer Art Doppelstaatsbürgerschaft für Katholiken geantwortet habe, bilde sich nunmehr mit den zunehmenden Bedrohungen für die Meinungs- und Redefreiheit eine klare Abneigung gegenüber dem Christentum heraus. Der deutsche Synodale Weg zeige eindrucksvoll tragisch, dass ein Spagat zwischen den beiden Welten nicht mehr funktioniere. Der verstorbene Kardinal Francis George von Chicago habe prophetischen Sinn bewiesen mit seinem Ausspruch: „Ich werde im Bett sterben, mein Nachfolger wird im Gefängnis sterben, und sein Nachfolger wird als Märtyrer am Pranger sterben. Danach wird einer die Scherben einer zerstörten Gesellschaft einsammeln und dazu beitragen müssen, die Zivilisation langsam wiederaufzubauen, wie es die katholische Kirche so oft getan hat.“

Ashenden kommt zu dem Fazit: Kulturelle und theologische Appeasement-Politik wird nicht mehr funktionieren. Wir werden nach Franziskus einen Papst brauchen, der prophetische Glaubwürdigkeit und politischen Scharfsinn in sich vereint.


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