„Ich formuliere sonst gemäßigt, aber seit das Winnetou-Ravensburger-Ding läuft, rege ich mich auf“

29. August 2022 in Kommentar


„Ich bitte, mir den flotten Ton ausnahmsweise nachzusehen, aber ich muss zu einigen dieser Cancel Culture-Diskussionen der letzten zwei Jahre einfach mal etwas sagen.“ Gastkommentar von Susanne Wenzel


Köln (kath.net) Ich formuliere ja sonst gemäßigt, fechte also eher mit dem Florett, aber seit dieses Winnetou-Ravensburger-Ding läuft, rege ich mich auf. Nein, eigentlich schon viel länger. Und deshalb muss ich jetzt zu einigen dieser Cancel Culture-Diskussionen der letzten zwei Jahre einfach mal etwas sagen. Ich bitte, mir den flotten Ton ausnahmsweise nachzusehen:

"Vom Winde verweht" – Margaret Mitchell hat die Sklaverei nicht verherrlicht, sondern ein Gesellschaftsportrait der Südstaaten gezeichnet. Dasselbe geschah später mit „Fackeln im Sturm“. Ohne diese Geschichten versteht mancher vielleicht die Konflikte zwischen Schwarzen und Weißen in den USA nicht. Man LERNT aus Büchern, liebe Wokies. Okay, war früher im Bildungsbürgertum so. Die haben dann auch Bücher wie „Wer die Nachtigall stört“ gelesen. Auch Fernsehen und Serien können bilden, wenn sie nicht den Anspruch haben zu erziehen und deshalb Dinge verdrehen oder weglassen. Wir haben noch gelernt, die Geschichten in ihrer Zeit zu lesen oder anzusehen und sind deshalb sehr wohl in der Lage, Dinge einzuordnen. Wir brauchen Eure Betreuung beim Denken nicht!

Gleiches gilt für diese Winnetou-Indianer-Geschichten. Mal ganz abgesehen war Winnetou der erste Mann, den ich heiraten wollte. Da war ich zwar erst fünf, aber offenbar hat er einen ordentlichen Eindruck auf mich gemacht mit seiner edlen Art. Wer sich übrigens mit der Geschichte der Indianer (jawohl, ich benutze dieses Wort auch weiterhin) näher befasst, wird zwangsläufig bei Dee Browns „Begrabt mein Herz an der Biegung des Flusses“ landen. Spätestens da isses mit der Romantik vorbei und das große Heulen kommt. Wenn Ihr das lesen würdet, was ich Euch empfehle, wüsstet Ihr, dass die großen Stämme echte Not hatten und auch heute noch haben. Merkt Ihr was? Ich habe das Buch gelesen. Und ich bin auch noch über einen „Film mit Indianern“ dazu gekommen.

Und übrigens: Nur weil es heute keine Wikinger und keine Römer mehr gibt, heißt das nicht, dass Ihr Euch nicht fragen müsst, ob nach Eurer Logik die Darstellung von Wikingern oder Römern in irgendwelchen Streaming-Serien, die Ihr so fleißig konsumiert, so in Ordnung ist.

Kommen wir zur Musik, weil darüber auch schon diskutiert wurde. "Baby, it’s cold outside" ist angeblich ein Song über sexuelle Nötigung. Da bin ich direkt raus, denn das hat Dean Martin gesungen. Ich wär‘ da gar nicht auf die Idee gekommen, dass ich wieder nach Hause müsste, sondern hätte Mutter, Vater, Schwester, Bruder und jüngferlicher Tante (die kommen alle im Songtext vor) am nächsten Morgen erklärt, dass es viel zu kalt war, um Dinos Angebot, bei ihm zu übernachten – natürlich auf der Couch – abzulehnen. Bis heute kenne ich genügend Frauen, die das ganz genauso sehen.

Pizza, Döner, Paella, Sushi, Hamburger, Boeuf Bourguignon etc. zu kochen oder in den entsprechenden Restaurants zu essen, ist keine kulturelle Aneignung, sondern eine kulturelle Bereicherung. Ebenso wie das Erlernen fremder Sprachen. Dazu gehört übrigens auch, dass man sich die Kultur erschließt. Aber Leute, die nicht nur freitags blau machen oder heulen, weil der falsche Kandidat amerikanischer Präsident geworden ist, haben es mit dem Lernen wohl nicht so. Ihr braucht keine "Safe spaces". Ihr solltet mal alle ein paar Tage auf die stille Treppe bei der Super-Nanny.

Das Indianer-Kostüm zu Karneval ist ebenso wie das Cowboy-Kostüm, das Clown-Kostüm oder das Mainzelmännchen-Kostüm keine Diskriminierung oder eine Verherrlichung von irgendwas, sondern drückt für normale Leute die Lust am Verkleiden und mal zwei oder drei Tage in eine andere Rolle zu schlüpfen aus. Einfach aus Spaß an der Freud… Wenn man keinen Spaß kennt und auch nicht weiß, was Freude ist, kann das schonmal passieren, dass man das nicht versteht. Fragt einfach. Wir erklären Euch das gerne.

Aber: Ob ich mich als Frau diskriminiert oder beleidigt fühle, wenn irgendein Kerl plötzlich nicht mehr Klaus-Rüdiger sondern Klaus-Bärbel heißen will und deshalb mit langen Haaren und im Minirock auf Stilettos geradezu nuttig durch die Gegend stakst und damit ein mehr als zweifelhaftes Frauenbild bedient, danach habt Ihr noch nicht gefragt.

Ich will es mal für Euch Wokies herunterbrechen: Vielleicht fühlt sich ja auch mancher, der sich als Mainzelmännchen verkleidet, innerlich mehr wie der „Schlaue Det“ und kann das nur an Karneval mal richtig ausleben. Es gibt nun mal Leute, die trauen sich eben nicht an allen anderen 360 Tagen darüber zu reden, dass sie schon mal als Einhorn gelebt haben.

So, und jetzt nochmal zu angeblich diskriminierendem Liedgut. Was ist eigentlich mit „Summerwine“? Ihr habt schon begriffen, dass in dem Song eine junge Frau einen Mann mit Drogen betäubt und ihn willenlos macht, mit ihm schläft (hat sie ihn gefragt, ob er das will?) und dann auch noch ausraubt, bevor sie abhaut. Oder ist das ein Unterschied, weil sich hier die Frau schlecht benimmt?

Ihr Woken seid bildungsfeindlich und wollt Menschen davon abhalten, sich zu entwickeln und zu lernen. Ihr schafft Ausgrenzung, indem Ihr uns Dinge vorenthalten wollt, die wir bislang als Bereicherung empfunden haben, die uns Impulse gegeben haben. Damit seid Ihr keinen Deut besser als die Taliban und Boko Harram (übersetzt heißt das übrigens: Bildung ist Sünde). Das Leben ist aber nicht so. Es ist bunt und vielfältig. Kennt Ihr übrigens das sprachliche Gegenteil von Vielfalt?  Ich habe keine Lust, mit anzusehen, wie die Kinder meiner Nichten und Neffen von Euch in Dummköpfe verwandelt und von jeglicher Allgemeinbildung ferngehalten werden, weil Ihr irgendwie nicht ausgelastet seid und zuviel Zeit habt. Geht zum Sport, lauft durch den Park, kauft Euch ein Eis, aber lasst uns bitte in Ruhe. Wir haben ernsthafte Probleme in diesem Land. Habt Ihr das schon mitbekommen? Wohl nicht.

Bitte lernt etwas und werdet tatsächlich eine akademische Elite, die diesen Namen auch verdient. Investiert Eure Energie in die Lösung wirklicher Herausforderungen. Aber lasst diesen Blödsinn.


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