So wünsche ICH MIR MEINE Kirche'

16. August 2022 in Kommentar


Otti's Optik: Vom Schiffbruch eines Noch-nicht-Erfolgsautors - Ein Kommentar von Franz Norbert Otterbeck


Köln (kath.net)

Ein bescheidener Gruß aus dem Sommerloch: In Kevelaer werden auch zur Ferienzeit unverdrossen Bücher produziert. Die derzeit schwache Nachrichtenlage "aus dem Reich" (der deutschen Kirche) gestattet uns ausnahmsweise, ein druckfrisches, wenn auch weniger wichtiges Buch zu besprechen. Dessen Reiz besteht vor allem  darin, dass es exemplarisch die vorherrschende Mentalität der 'Synodalen Aktivisten' auf eine für das Publikum geradezu niederschmetternde Weise in Worte fasst, bzw. in einem ziemlich uferlosen Wortschwall dokumentiert.

Also, sprach Bastian Zarathustra (der Name des Autors ist der Redaktion bekannt): "So wünsche ich mir meine Kirche." Jedes der 27 Kapitel des 96 Seiten starken Taschenbuchs (für 13,40 € [A]!), außer das letzte, schließt mit diesem Kehrvers ab, mit verschiedenen Wunschzetteln versehen. So wünscht sich der Religionspädagoge, der allmählich zum Religionsstifter mutiert, also 'Seine Kirche': "Bei ihr kannst Du sein, wie Du bist, und sogar weinen, weil es dort Trost gibt. Sie hat "geöffnet" und lebt das auch. Ein wenig so wie die Orgel. Mit Musik und Ohrenschmaus, der zum Seelenpflaster wird. Sie darf das Weinen mit den Menschen nicht verlernen. Sie soll ein Laboratorium für göttlich-menschliche Experimente sein. Das Dogma kommt eben doch manchmal barfuß daher. Sie braucht die Bereitschaft, sich stören zu lassen. Wir leben von der Unterbrechung ... Sie soll in unserem oft chaotischen Alltag eine wunderbare Versicherungsagentur sein. Und sie sollte hier und da Buttercreme essen. Ein Sakrament! Sie sollte den Bierernst ab und an ablegen. Schmackofatz! Ein solches Kompliment lässt wachsen. Sie muss den Mut haben, für alle vorzüglich zu "kochen" ... und dazu vielleicht eine Flasche Bier, die mit dem Plopp-Verschluss natürlich. Sie muss trösten und nicht vertrösten."

Diese Phrasen sind so, fraglos, zu sehr aus dem Zusammenhang gebrochen, aber geben doch einen gewissen Vorgeschmack. Sowieso: Der Autor arbeitet auffallend oft mit kulinarischen Begriffen und Sprachbildern aus der Welt des Genusses und der Völlerei. Es geht ihm dabei aber nicht um Nahrung, Genuss, Gaststätten, sondern um Gedanken und Begegnungen für die Zukunft der Kirche, so jedenfalls verspricht es der Untertitel. Die "Gedanken" knüpfen angeblich an 27 erlebte Begegnungen (3 hoch 3?)  an, die mehr oder weniger glaubhaft skizziert werden. Begegnungen in der Wallfahrtsstadt: Ein älterer Pilger klagt während Corona über die verkehrte Welt. Ein Paar, dessen Kind tot geboren wurde, opfert 52 Kerzen, eine für jede Woche. Der versierte Basilikaorganist wird gerühmt (mit Recht), aber warum muss der ins Buch? Als ein Freund und Förderer des Autors! Dann ist da noch Manfred (62), der schon in der Ouvertüre seines Lebens auf die schiefe Bahn geriet. Die alte Mutter besuchte ihn, bis zu ihrem Tode, treu im Knast. Auf S. 27 weigert sich mein entzündetes Auge zunächst spontan, noch weiterzulesen: Maria mit Johannes unter dem Kreuz? "Sie wird Rotz und Wasser geheult haben." Dieser verfehlte Ausdruck für Kalvaria wird noch extra ausgewalzt: verheult und verrotzt ..., in ein schon längst verrotztes Taschentuch ..., Rotzfahne ... Kommt der Name "Rütten" etwa von Rotzen?

Der Autor geriert sich gern als Experte für schief konstruierte Vergleiche. Die Gnadenkapelle von Kevelaer nennt er ein "Büdchen" (Kiosk, Späti). "Das Geschäftskonzept ist ganz ähnlich" (S. 14). Klar, das Büdchen kann man auch am Abend besuchen, ganz spät, um als Alkoholiker, Nachtschwärmer oder Zuckerkranker noch Nachschub zu organisieren. Aber das Fenster am Heiligtum (siehe Foto, Mitte hinten) ist nicht immer offen, nachts nämlich nicht; und auch nicht außerhalb der Wallfahrtssaison. "Büdchen tun gut. Die Gnadenkapelle tut ebenfalls gut." Was nicht passt, wird einfach passend gemacht!

"Hallo, Herr Pastor!" Der Autor klärt den Irrtum der Passantin nicht auf (S. 30). Die Anrede gefällt ihm. Er ist ja Seelsorger und segnet für sein Leben gern, auch eine "gleichgeschlechtliche Beziehung". Das ist wieder mal so ein Moment, wo der Elefant das Wasser lässt (S. 48): Er lässt die jungen Frauen anscheinend in dem Glauben, sie hätten von ihm einen priesterlichen Segen ergattert. "Aber ich lasse es mir nicht nehmen, Segen zu spenden an alle, die danach fragen. Mit der hohen Sakramententheologie hat das nichts zu tun." Seine Meditationen über zeitgemäße Gottesdienste haben damit allerdings auch nichts mehr zu tun. "Wir brauchen eine Spielart der Liturgie, die durch ihre Leichtigkeit und Ästhetik die Lust am Mitspielen weckt" (S. 52). Aha. Brauchen wir? "Wir als Kirche haben zu lernen, nicht die Menschen!" Nicht nur diese Sure des 'Neuen Koran' wurde dem Propheten von Kevelaer vermutlich vom Engel Gabriel persönlich eingeflüstert. Völker, hört die Signale!

Die satten und selbstzufriedenen Ergüsse des Autors, manche auch larmoyant bis zynisch schillernd, nicht sensibel, sondern sentimental, knüpfen im Text immer weniger an die Erlebnisse an und werden immer kurzatmiger abgefasst, um das "spirituelle Lesebuch" schnell zu füllen. Bisweilen schimmert der Anfang eines Gedankens auf, beispielsweise wenn der "Disneyland-Effekt" selbstkritisch in Zweifel gezogen wird (S. 59): Das Erlebnis am Gnadenort (das Wort meidet der Autor) müsse "echt" sein. Dann aber folgt schon das sinnlich mit "Schmackofatz" überschriebene Kapitel, das über die Duden-Tüchtigkeit des Autors und die Tüchtigkeit der Priesterhausküche zugleich handelt. Der Orgel- und Vögelliebhaber kennt sich augenscheinlich auch als "Büffetfräse" aus. Weiter geht es mit Gedanken und Erinnerungen zu Pizzakartons und Schlachtplatte. "Weder muss unser Küchenteam an seiner Kompetenz zweifeln, noch der tradierte Pilger von seiner Hausmannskost Abschied nehmen, noch muss man auf die Pizzaparty verzichten. Was wir brauchen (und nicht nur auf den Speisekarten), ist der Mut zur Vielfalt." Rumms. Da möchte man doch den Katholiken Trappatoni zitieren: "Was erlauben ... Strunz?" Es folgen Ausführungen zu zwei "Pilgern" mit Bier und Bollerwagen. "Warum verweilen sie vor einem kleinen Bild, von dem wir sagen, es spende Trost?" (S. 69.) Es könnte ein übler Scherz der Trunkenbolde gewesen sein. Andernorts hatte der Autor das wundertätige Gnadenbild von 1642 schon als "Postkarte" abgestempelt, natürlich nur, um sich origineller, neu und vor allem "anders" auszudrücken. Ab S. 74 folgen dann mal wieder einige Gedanken, denen der Leser zumindest folgen kann. Da wird über Trost und Trösterin spekuliert. Selbstverständlich unter Abwehr "rekonstruktiver Tendenzen", die ja "nie" den Menschen ernstnehmen. Aber was "auf diesem Weg wirklich tröstet, ist die Perspektive des Himmels". Das war sie aber auch schon, die erste und einzige explizite Erwähnung der früher "übernatürlich" genannten Sicht der Dinge.  Der kurze Lichtblick stürzt dann ab in die Beschreibung des "Trostpflasters", das "wir" in Kevelaer manchmal verteilen. Ein Heftpflaster! Und dazu der Trostspruch: "Maria! In Kevelaer finden wir Dich als die Trösterin ... Dein Trost ist kein billiger Trost. Dein Trost ist keine Vertröstung. Dein Trost ist kein Trostpreis. Sei uns nah in allen Sorgen." Soll hier eine starke Behauptung die schwache Beweisführung überspielen, die auf jede begründende Erläuterung verzichtet? Wessen schlussfolgerndes Denken schwächelt, der kann aber immer noch Werturteile ausstreuen: "Philipp Neri war ein Narr und Mutter Teresa von Kalkutta eine einfache Frau" (S. 78). An dieser Stelle lässt der Autor immerhin durchblicken, dass Maria für ihn "unbedarft" war und Josef "ein Träumer". Was an ihrer Lebenssituation "nicht norm-konform" gewesen sein soll, wird verschwiegen. Denn allzu offensiv darf der 'Verfasser des fünften Evangeliums' (Für die Zukunft der Kirche!) dann doch nicht am Dogma der immerwährenden Jungfräulichkeit der Gottesmutter rütteln. Der Lobgesang auf die so gen. "Dackelwallfahrt" bedarf keiner besonderen Erwähnung, nur soviel: der peinliche Tonfall plätschert ungeniert voran. Woher soll der Autor auch wissen, was er denkt, bevor er liest, was er schreibt? Zum Glück verkneift sich der Allesbesserwisser eigene Kommentare zur so gen. "Friedenswallfahrt" von Frau Dr. Kleuren-Schryvers und der Familie Möders, die am 28. August vermutlich wieder um die 80 Pilger nach Kevelaer locken wird. Die weltkürzeste Wallfahrt führt vom Marienpark am Friedhof zur so gen. "Friedensstele" am Rande des Kapellenplatzes, die manche für eine christlich getarnte Darstellung der "Erdgöttin" erachten. Gott sei Dank findet sich dazu keine Begutachtung aus der Feder des religionsphilosophischen Feinschmeckers. Sie wäre vermutlich entgleist. Ab S. 82 wird das Buch dann doch noch zum theologischen Fachbuch. "Blitzgescheite" Erwägungen zum Ablass, von keinerlei Kenntnissen getrübt, werden von einigen katechetischen "Ideen" zur Eucharistie begleitet. Beide Kapitelchen sind aber ziemlich weit weg vom Glauben der Kirche. Es wird noch über Bierdeckelbotschaften (hier: die Bestellung einer Mess-Intention, auch un-erläutert) palavert und von einem Segen über ein Herz-Mutti-Tattoo berichtet, bevor das freche Plädoyer mit dem Anspruch, "Kirche vom Menschen her anders zu denken" in einem "Nachklang" abbricht. Auf S. 94 dann das Bekenntnis: "Für mich ist dieser Glauben nicht der Grund, mich einzubringen. Er ist die Grundlage dafür, wie ich es tue ... Da komme ich nicht los vom großen Chef." Damit ist aber nicht der Bischof von Münster gemeint, der den 'Beleidiger der Betrübten' längst - spätestens nach dieser dürftigen Publikation - aus Kevelaer entfernen müsste.

Ein Lob ist allerdings fällig: Der Autor hat nicht schon wieder das Narrativ bemüht, der gute Papst Johannes habe mit seinem Konzil die Fenster der Kirche "zur Welt" öffnen wollen. Denn diese Kolportage ist nach dem Zeugnis des späteren Kardinals Capovilla höchstvermutlich frei erfunden. Sein Titel meint mit "am offenen Fenster" das Fenster zur Gnadenkapelle, also ein Fenster von der alltäglichen Welt hin "zur Übernatur". Fazit: Bastian ist auf dem Wege der Besserung. Empfehlen kann man seine Bücher freilich nicht, denn es steckt einfach viel zu viel "ich, mich, mir" darin. Schade, eigentlich, um die vergeudete Zeit. Bezahlte Zeit? Wahrscheinlich. Bitte also für uns, heilige Gottesmutter, auf dass wir würdig werden der Verheißungen Christi.


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