Können wir etwa Gott bei der Schöpfung zusehen?

18. Juli 2022 in Kommentar


Wie eng muss man im Zusammenhang einerseits die wunderbaren Bilder des James – Webb – Teleskops und anderseits die scheußliche Äußerung der „ZdK“- Präsidentin betrachten. Vor letzterer ekelt es mich - Der Montagskick von Peter Winnemöller


Rom (kath.net)

Die NASA und die ESA hätten sich keinen besseren Zeitpunkt für die Erstveröffentlichung der Premierenbilder des James-Webb-Teleskops aussuchen können. Mitten im Sommerloch, was gibt es da schon an Nachrichten? Da schlugen die Bilder wirklich als Sensation ein und bewegten die Menschen. Nungut, eine nominell katholische Laienfunktionärin outete sich als Pro choice. Ist das eine Nachricht? Nein, denn das hat dem Grunde nach keinen Neuigkeitswert. Besagte Funktionärin ist bekanntlich Gründungsmitglied der umstrittenen Vereinigung „donum vitae“. Man hätte es wissen können. Ist es ein Skandal? Ja, aber ganz anders als gedacht. Der Skandal ist, dass das sogenannte „Zentralkomitee deutscher Katholiken“ noch immer die von den Bischöfen in Deutschland anerkannte Laienvertretung ist. Keine Galaxis auf dem berühmt gewordenen Bild mit den vielen Galaxien vom James – Webb – Teleskop könnte weiter von mir entfernt sein als jene angeblich katholische Funktionärin, die sich für eine flächendeckende Abtreibungsmöglichkeit einsetzt.

Bleiben wir also bei dem, was uns einem weitaus näher ist als es das „ZdK“ in seiner derzeitigen Gestalt je sein könnte: das unendliche Weltall. Das hat ja nun wirklich etwas mit uns zu tun, denn in der Tat stellte vor kurzem jemand die Frage, ob man denn bald, wenn man noch tiefer ins All schauen kann, Gott bei der Schöpfung zusehen kann. Gehen wir an den Anfang. Das Universum ist heute auf den Tag genau 13,81 Milliarden Jahre alt und wurde hier, an dem Ort, an dem ich gerade sitz und schreibe, erschaffen. Kein Scherz. Das ist so. Weil das Universum sich aus einer unvorstellbar kleinen Singularität zur heutigen Größe ausgedehnt hat, war genau hier der Ort der Schöpfung. Und wenn ich mich hier in der Landschaft umsehe, ich hätte diesen Ort auch gewählt.

Mit dem neuen Teleskop schauen wir in eine 13 Milliarden Jahre zurück liegende Vergangenheit. Auch das sollte man sich klar machen, alles, was wir auf den berühmten Bildern sehen, ist viele Milliarden Jahre her. Das Licht von dort zu uns bewegt sich exakt mit Lichtgeschwindigkeit und ist seitdem unterwegs. Allein die räumliche und die zeitliche Entfernung, die wir ja beschreiben können, lässt uns demütig werden. Um wieviel mehr dann erst, was wir nicht beschreiben können.

Nun wissen wir aus der theoretischen Physik, dass wir ohnehin erst 10-43 Sekunden nach Beginn der Existenz des Universums überhaupt irgendetwas würden sehen können. Die Zustände „vorher“ können bislang nicht beschrieben werden. Fast ist es wie ein Scherz Gottes, dass der (vermutete) Akt der Schöpfung in einem Quantennebel verborgen ist. Klar, könnte man denken, Gott lässt sich nicht zusehen. Doch ist das wirklich so?

Tatsächlich gibt es zur Zeit nicht einmal eine Theorie, die die ersten Momente der Schöpfung (wenn wir an dieser Stelle bitte einmal voraussetzen, dass der Beginn des Universums der Akt der Schöpfung sei) hinreichend beschreiben würde. Es ist nicht einmal sicher, dass man diese „Zeit“ (so man in dem Zustand des Universums von Zeit reden kann) beschreiben könnte, fände man die Weltformel (auch Theorie of Everything) genannt. Doch dieser Treppenwitz der Astrophysik könnte sich morgen schon erledigt haben, wenn jemand eine valide Theorie zur Vereinheitlichung der vier Grundkräfte der Physik veröffentlichte. Jeder, der davon ausgeht, dass Gott in der sichtbaren Welt irgendwelche Vorhänge aufhängte, hinter die wir nicht schauen dürften, macht Gott zu einem Lückenbüßer für alles, was wir noch nicht erklären oder errechnen können. Es gibt für gläubige Menschen keinen Grund, Angst vor der Wissenschaft zu haben. Darum gibt es auch keinen Grund anzunehmen, wir könnten durch Naturwissenschaft eines Tages Gott überflüssig machen. Allenfalls machen wir, glauben wir in der Tat, alles zu dürfen, was wir können (z.B. Atombomben), uns selbst überflüssig. Der Sündenfall hat uns leider auch diese Perspektive eröffnet. Hier geht es um Ethik.

Angst ist – auch bei ethischen Fragen - nie ein guter Ratgeber, wie die Sündenfallerzählung der Genesis nur zu deutlich zeigt. Vielmehr gilt es offensiv der Vernunft den ihr gebührenden Raum zu gewähren. Weder die Quantentheorie noch die Relativitätstheorie noch die – horribile dictu – Evolutionstheorie sollten uns schrecken. Im Gegenteil! Jede dieser Theorien zeigt uns ein kleines bisschen mehr von der Schönheit der Schöpfung. Und jede dieser Theorien muss sich vor der Wirklichkeit Gottes verneigen und anerkennen, dass sie schon morgen Makulatur sein könnte, wenn ein kluger Kopf sie im Experiment widerlegt oder – viel wahrscheinlicher – eine sich aus ihr ergebende neue Frage aufwirft, die die Theorie als völlig unzureichend erscheinen lässt. Tatsächlich können wir davon ausgehen, dass es dem Menschen gegeben ist, Mittels der Naturwissenschaft alle vorletzten Wahrheiten ausleuchten zu können und zu dürfen. Eines Tages rauchen auch die Relativitätstheorie und die Quantentheorie die physikalische Friedenspfeife. Doch wir müssen akzeptieren, dass es untersagt ist, jede nur denkbare Handlung – also Technologie - aus den wissenschaftlichen Erkenntnissen ableiten zu dürfen. Dem Menschen sind Grenzen gesetzt, die er nicht allein mit Vernunft erschließen kann.

Die letzte Wahrheit nämlich erschließt sich nur aus der Kombination der Vernunft und der göttlichen Offenbarung. Und dann wird es plötzlich sehr einfach. Der Heilige Thomas erklärt uns, dass Gott ja gar nicht anders kann, als zu schaffen. Warum? Gott ist vollkommen und zur Vollkommenheit gehört Selbstmitteilung. So schafft Gott unmittelbar. Und Gott schafft aus Liebe. Mehr noch, Gott gibt dem Geschöpf, dem Menschen auch von seiner schöpferischen Kraft und von seiner Liebe. So hat der Mensch Anteil am Schöpfungshandeln Gottes. Das Maß ist immer die Liebe. Wer vor den Kunstwerken großer Künstler steht, erhält eine Ahnung davon. Doch auch das Handwerk – zumindest im Mittelalter und noch in der Renaissance unterschied man das im Grunde gar nicht – vermag zu zeigen, wie sehr der Mensch eine schöpferische Kraft von Gott erhalten hat. Schönheit ist der Erweis der Fähigkeit des Menschen wahrhaft schöpferisch zu sein. Und das kann man an unerwarteten Orten entdecken. Wer einmal die Möglichkeit hat, sich in einem Technikmuseum die alte elektromechanische Fernsprechvermittlungstechnik anzusehen, sieht Schönheit. Nicht nur das balletgleiche Zusammenspiel von Relais und Drehwählern ist ein Augenschmaus. Man sehe sich diese Technik einmal von hinten an. Rechtwinklig gebundene Kabel, in feinen Bögen ausgerichtete Drähte. Das ist sehr nahe an Kunst Filigrane Kontaktbänke hier und massiver Stahl, der alles trägt, dort wirken zusammen.

Doch um hier den Bogen zu schließen, Gott hat dem Menschen auch die höchste schöpferische Fähigkeit verliehen. Als Vater und Mutter stellen die Menschen sogar mathematische Axiome auf den Kopf, indem 1+1 nun plötzlich drei ergibt. Die Zeugung, die Geburt und das Heranwachsen eines Kinders unter dem Schutz seiner Eltern ist die weitaus schönste Form der menschlichen Mitwirkung an der göttlichen Schöpfung. Wer auf das Bild der Galaxien schaut, darf mit allem Recht der Welt Demut empfinden, denn wir sehen in einem Blick in Raum und Zeit was geworden ist aus dem ersten bis vierten Tag der Schöpfung, wie sie uns die Genesis beschreibt. Wer ein neugeborenes Kind im Arm hält, ist wahrhaft anwesend am sechsten Tag der Schöpfung, wenn nämlich Gott den Menschen nach seinem Abbild schafft. Der Mensch, der ein Neugeborenes trägt, hält ein kleines Abbild Gottes im Arm und bekommt vom Schöpfer selbst den Auftrag, seine Schöpfung zu wahren, zu behüten und groß werden zu lassen.

Erst an dieser Stelle des Weges wird deutlich, wie eng im Zusammenhang man einerseits die wunderbaren Bilder des James – Webb – Teleskops und anderseits die scheußliche Äußerung der „ZdK“- Präsidentin betrachten muss. Vor letzterer ekelt es mich. Anders lässt es sich gar nicht sagen. Den Wissenschaftlern, Ingenieuren und Handwerkern, die uns mittels James – Webb – Teleskop diesen faszinierenden Blick auf Gottes Schöpfung ermöglicht haben, von dieser Stelle ein herzliches Vergelt’s Gott.

 

<iframe class="rumble" width="640" height="360" src="https://rumble.com/embed/v19rzrd/?pub=83mdl" frameborder="0" allowfullscreen></iframe>


© 2022 www.kath.net