Abtreibung: Fratze des Widersachers

5. Juli 2022 in Kommentar


Der Oberste Gerichtshof der USA (Supreme Court) hat am 24. Juni das abtreibungsfreundliche Grundsatzurteil „Roe v. Wade“ aus dem Jahr 1973 aufgehoben - Ein Gastkommentar von Uwe Siemon-Netto / USA


USA (kath.net/idea)

Ich sah fern und meinte, im Bruchteil einer Sekunde in die Fratze des Wahrhaftigen zu blicken. Da waren hassverzerrte Minen auf allen TV-Kanälen. Die Gesichter der Reporterinnen der Deutschen Welle, der BBC und des Senders France 24 wirkten kaum weniger empört, als die scheußlich schrillen Demonstrantinnen. Dabei waren sie von Berufs wegen zur Objektivität verpflichtet. Was war passiert?

Ein Kalkül Donald Trumps war aufgegangen. Er hatte den Evangelikalen versprochen, freiwerdende Sitze am Obersten Gerichtshof mit Lebensrechtlern zu besetzen. Drei seiner neun Mitglieder fielen in Trumps Amtszeit aus. Jetzt haben dank Trump Konservative in dieser höchsten Instanz die Mehrheit, und alsbald kippten sie denn auch den 1973 gefällten höchstrichterlichen Spruch, dass Abtreibungen ein von der Verfassung garantiertes Frauenrecht waren. Ab sofort ist es ausschließlich Sache der einzelnen Bundesstaaten zu bestimmen, ob Schwangerschaftsabbrüche erlaubt sein sollten oder nicht. Einige von ihnen hatten in Erwartung des höchstrichterlichen Urteils bereits einschlägige Gesetze parat.

Die darob empörten Medienstars hätten nun nach guter Journalistensitte stellvertretend für ihre Zuschauer einige Kernfragen Fragen stellen müssen, dies aber unterlassen, zum Beispiel:

1. Was wird da eigentlich abgetrieben? Sind es nichtssagende Zellenklumpen wie etwa Wurmfortsätze? Antwort: Nein, es sind Föten, also richtige, nur eben noch im Mutterleib wachsende Menschen mit ihrer eigenen DNS (in Deutschland fast nur noch nur unter ihrem englischen Akronym DNA bekannt), die bis zum Greisenalter und Tod dieselbe bleibt.

2. Wie viele dieser Menschen wurden in den USA seit 1973 verfassungskonform entleibt? Antwort: über 63 Millionen, jawohl, dreiundsechzig Millionen! Das entspricht der Bevölkerung Frankreichs.

3. Was haben diese Menschen verbrochen, um zum Tode verurteilt zu werden? Antwort: Nichts! Umfragen weltlicher Forschungsinstitute zeigen, dass keiner der angegebenen Gründe für Schwangerschaftsabbrüche zu Freisprüche von einer Mord- oder Totschlagsanklage reichen würde: Ein Baby hätte die werdenden Mütter zu viel gekostet, im Beruf oder Studium gestört, oder war die Folge eines mittlerweile in die Brüche gegangenen Verhältnisses. Nur in einem Prozent aller Fälle war die Schwangerschaft die Folge einer Vergewaltigung. Inzucht war lediglich in einem halben Prozent der Grund.

4. Was bedeutet der Begriff „Roe vs. Wade“, unter dem diese Gerichtssache von 1973 weltweit bekannt wurde? Henry Wade war der Oberstaatsanwalt von Dallas, gegen den eine Frau mit dem Pseudonym Jane Roe klagte, um ihr „Recht“ auf Abtreibung durchzusetzen. Eigentlich hieß sie Norma McCorvey. Später bereute sie tief, was sie getan hatte. Sie gründete einen christlichen Dienst, der für das Lebensrecht Ungeborener kämpfte.

Schlussfrage: Was sind überhaupt diese -zig Millionen Leben, die seit 1973 ausgelöscht werden? Dies lässt offensichtlich nur eine Antwort zu: Unschuld pur. Sie hasst der Widersacher am meisten. Sie ist sein bevorzugtes Satansfutter, das er in den letzten fünf Jahrzehnten in den USA uneingeschränkt hat herunterschlingen dürfen.

Der Autor, Uwe Siemon-Netto, ist Journalist, Theologe und Gründer des Zentrums für lutherische Theologie und Öffentliches Leben in Capistrano Beach (Kalifornien).


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