"Ich muss raus aus dieser Kirche, weil ich Mensch bleiben will"

18. Juni 2022 in Buchtipp


So verabschiedet sich der ehem. Generalvikar der Diözese Speyer aus der katholischen Kirche. Ich selbst hatte vor 35 Jahren auch so gedacht und verließ eine Laiengemeinschaft. Leseprobe aus dem Buch "Hineingenommen in die Liebe" von Helmut Müller.


Vallendar (kath.net) Leseprobe 4 - von Helmut Müller

Ein Theologiestudium in Bonn hatte meinen Glauben regelrecht vernichtet und ich meinte die Fülle des Lebens nicht mehr in Kirchenbänken und mit Glaubensbrüdern zu finden, sondern in in München-Schwabing zu genießen:

„Ich übte mich in Kosmopolitismus und religiösem Pluralismus, was annähernd so lächerlich ist, als wenn ein Frosch seinen heimischen Tümpel für den atlantischen Ozean aufgeben wollte. Beides ist zwar Wasser, aber in den Tümpel gehört der Frosch und in den Atlantik der Wal. Kosmopolitismus und Religionspluralismus sind schlicht immer wieder auftretende Denkfehler, die nicht begreifen, dass Menschsein U-topie, Ortlosigkeit, schlecht verträgt. Auch ein Wal ist nicht ortlos global, schon in einem flachen Meer findet er den Tod. Nur von einem Ort her gewinnen wir das wirklich Weite und aus einer Religion Gott. Als Christ weiß ich, dass Gott nicht aus Spaß in diesem Mann aus Nazareth Mensch geworden ist, um die unteren Ränge seiner Schöpfung touristisch zu erkunden.

Der Futtertrog am Anfang und der Galgen der Antike am Ende vertragen sich nicht mit einer Einerleihheit Gottes in den Religionen der Welt. Wenn im Mann aus Nazareth etwas vom Glanz Gottes in der Welt sichtbar geworden ist und gleichzeitig in seinem Schmerz etwas von seiner Liebe zu uns spürbar wurde, dann kann das Leben jedes Menschen von nirgendwoher sonst mehr Glanz und Liebe erfahren. Im Mann aus Nazareth hat Gott seine Ort- und Zeitlosigkeit aufgegeben, um für uns Ort- und Zeitsakramentale zu sein, aus dem wir allein Weite und die Fülle des Lebens gewinnen. Der Zeitkern seiner Menschwerdung ist der Kairos schlechthin, auch 1781 – das Jahr der Erscheinung der Kritik der reinen Vernunft – ist meinetwegen auch ein Kairos, aber er toppt auf gar keinen Fall den Zeitkern und den Kairos schlechthin der Menschwerdung Gottes im Mann aus Nazareth.

Es ist daher ein Irrtum, Schimmer von Glanz in allen möglichen Religionen aufzusammeln und in Mosaikstückchen zusammen zu legen, das wäre Manichäismus in neuem Gewand. Genauso ist es ein Unsinn, die Fülle des Lebens summierend in Nachtlokalen, Meditationswochenenden, an einer boomenden Börse, in der Karibik, einem Kinderlachen oder auf einem Alpengipfel zu sammeln und das dann die Fülle des Lebens nennen. Wenn in diesem Mann aus Nazareth Gott Mensch geworden ist, berührt in ihm der Himmel die Erde und nur an diesem Ort und dieser Zeitkoordinate wird erfahrbar, was alle Religionen erhoffen, keine aber wirklich schenkt, nur die allein, in der Gott einer von uns geworden ist. Er behält diesen Glanz, die Weite und Fülle des Lebens nicht für sich selbst, sondern will sie uns allen schenken. Der Tod, der alles Leben vernichtet, ist nicht sein endgültiges Schicksal geworden. Er ist nicht wie jeder von uns – ohne ihn – in der Grube geblieben. Er hat den Tod – den ärgsten Feind des Lebens – vernichtet.

[…]Alle diese Einsichten waren für mich in dem Münchener Sommer nach meinem Austritt aus der religiösen Gemeinschaft wie weg, ich glaubte in einem philosophischen Austausch, gepaart mit fernöstlichem Charme, mit den Mandelaugen einer Südkoreanerin auf dem Weg zur Fülle des Lebens zu sein.“

So weit so gut. Aber Gott hat noch einmal die Arme nach mir ausgestreckt und mich erneut „Hineingenommen in die Liebe“. Trotz vieler unappetitlicher Begleiterscheinungen, fand ich wieder Fuß in meinem Leben in der auf Fels gegründeten Kirche Petri. Das war etwas ganz anderes, als die im theologischen Treibsand Bonns und Münchens zu versinken drohende Kirche unablässiger Reflexion. Andreas Sturm ist ebenfalls im theologischen Treibsand des synodalen Weges gelandet und meint wohl in den Strukturen der altkatholischen Kirche sein Glück zu finden. Wünschen wir ihm, dass es gelingt.

kath.net Buchtipp

Hineingenommen in die Liebe – aber spüren wir sie auch im orbis catholicus?

Von Helmut Müller

Taschenbuch, 250 Seiten, 1. Auflage

Christiana-Verlag 2021

ISBN: 9783717113355

Preis: Euro 10,30

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