Warum sollte man in der Kirche bleiben?

23. Mai 2022 in Kommentar


Bätzing ist enttäuscht, der Papst ist katholisch. So weit, so boulevardesk. - Der Montagskick von Peter Winnemöller


Rom (kath.net)

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz hat dem Deutschlandradio ein Interview gegeben. Das machen Bischöfe manchmal. Das ist keine Nachricht. Diesmal gibt es eine Nachricht, die sich auf den ersten Blick und recht plakativ aus den Antworten herausdestillieren lässt: Bätzing ist enttäuscht, der Papst ist katholisch. So weit, so boulevardesk. In Gänze gibt das Interview weitaus mehr her, als man in einer Meldung oder in einem Kommentar verarbeiten möchte. Man könnte sagen, wer um das durchaus ambivalente Elend der Kirche in Deutschland wissen möchte, sollte aufmerksam zuhören oder lesen. Wir haben ein Grundlagendokument in Gesprächsgestalt, wie blutleer der Glaube in Deutschland verkündigt wird. Die Kirche in Deutschland ist erbärmlich schwach im Glauben und sie ist bärenstark hinsichtlich ihrer Finanzkraft. Die Kirche in Deutschland stirbt auch zahlenmäßig vor sich hin. Die Kirche in Deutschland ist erschüttert durch sexuellen Missbrauch von Klerikern an zumeist männlichen Minderjährigen. Sie ist weitaus mehr erschüttert durch den Umgang mit dem Skandal. Die seit 2010 aus genau diesem Grunde betriebene Dekonstruktion der kirchlichen Lehre, die, würde man sie in rechter Weise anwenden, Kinder und Jugendliche gerade schützen würde, wird als großer Fortschritt geframt. Daran beteiligen sich seit damals zunehmend auch Bischöfe, indem das Wording von den „systemischen Ursachen von sexuellem Missbrauch“ in Richtung Dekonstruktion der Morallehre und der Sakramentalität der Kirche weiterentwickelt wird.

Hier entsteht ein Paradoxon. Je mehr die amtlich verfasste Kirche sich selbst und ihre Lehren in Frage stellt, umso mehr nimmt die Relevanz der Kirche ab. Es müsste doch gerade umgekehrt sein. Es ist doch gerade die Kirche, die mit ihrer Moral der säkularen Gesellschaft ein Stachel im Fleisch ist. Je mehr aber am Fundament dieser Moral gesägt wird, umso mehr treten die Menschen aus der Kirche aus. Das Framing der Kommunikationsexperten versucht das so zu lösen: Man spricht von einem geschwundenen Vertrauen in die Kirche. Gerade dieser Frame entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie. Es gibt nicht den geringsten Grund „der Kirche“ zu vertrauen. Denn in solcherlei Kontext meint „die Kirche“ nichts anderes als ein Sozialkonstrukt aus karrieregeilen Männern und jüngst auch Frauen, dem nicht mit tiefstem Misstrauen zu begegnen, ein Ausdruck äußerster Dummheit und/oder Naivität wäre.

Warum soll man in und bei diesem Haufen verharren? Um dem auf die Spur zu kommen, muss man an den Anfang gehen. Für jeden von uns hat die Geschichte mit der Kirche einen sichtbaren Anfang, das ist die Taufe. Am Eingang zur Kirche fragt der Taufspender den Täufling, im Falle der Säuglingstaufe die Eltern, was man denn von der Kirche will. Die Antwort heißt: Den Glauben. Wem bitte muss man denn dafür vertrauen? Doch wohl allein Jesus Christus, der den Menschen die Kirche als den Weg zum Heil geschenkt (manchmal denke ich: zugemutet) hat. Denken Sie Kirche = Christus, sagte ein Exerzitienmeister, dann fällt es leichter. In der Tat. Denkt man Kirche gleich Christus, dann kann man den auch seinen Pfarrer und seinen Bischof ertragen. Und nein, nicht der Pfarrer oder der Bischof sind Christus. Im besten Falle machen sie sich durchsichtig für Christus und sein Heilswirken. Im schlimmsten Fall muss man sie ertragen, weil wir sie für die Sakramente (=die Zeichen des Heils, die uns den Weg zum Heil bahnen) brauchen. Es geht nicht um Vertrauen, es geht um den Glauben. Es geht auch nicht darum, dass ein Sozialkonstrukt aus Menschen glaubwürdig wird. Es geht darum, dass Bischöfe, Priester und Laien den wahren Glauben haben, teilen, praktizieren und lehren. Dazu braucht man kein Vertrauen, dazu reicht im Zweifel ein Blick in den Katechismus.

Damit ist dann auch gleich klar, wie vertrauenswürdig das Interview von Georg Bätzing im Deutschlandradio ist. Das geht gegen Null. Weil eine ganze Menge den Glauben betreffende Antworten in dem Interview – vorsichtig formuliert - eine gewisse Diskrepanz zum Glauben der Kirche aufweisen. Ein Heiliger Papst hat uns zu unserem großen Glück in Gestalt eines umfassenden Katechismus an die Hand gegeben, was der Glaube der Kirche ist. Und wieder die Vertrauensfrage? Vertraue ich Johannes Paul II. mehr als Georg Bätzing? Nö. Erschrocken? Die Auflösung ist ganz einfach. Ich habe Johannes Paul II. einmal gegenübergestanden und gerade mal ein bis zwei Dutzend Worte gewechselt. Sympathie ist da gewachsen. Bewundert habe ich ihn vorher schon und hinterher auch. Seinen subtilen Humor habe ich erleben dürfen. Aber um einem Menschen Vertrauen zu schenken, da braucht es mehr.

Habe ich ihm geglaubt? Ja! Warum? Weil seine Lehre authentisch war. Darum geht es. Was Johannes Paul II. gelehrt hat, war kongruent mit dem, was die Kirche vor ihm gelehrt hat. Er war der Papst, der die Lehrentwicklung nach dem jüngsten Konzil aufgefangen und aus der Lehrtradition der Kirche fortgeführt hat. Niemand hat in den letzten 100 Jahren den Glauben der Kirche so authentisch in unsere Zeit hinein übersetzt. Darum war und ist die Lehre von Papst Johannes Paul II. glaubhaft.

Warum nun, so fragte man sich, sollte man eine Lehre glauben, die so offensichtlich der Lehre des Heiligen Papstes widerspricht? Es gibt nicht den geringsten Grund. Um die Glaubwürdigkeit seiner Lehre auf einen traurigen Tiefpunkt zu treiben, beantwortet der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz die Frage, warum er in der Kirche bleibt, mit dem Wunsch nach Veränderung, weil diese Kirche eine so gute sei. Abgesehen von der Dialektik in seiner Aussage stört die Tatsache, dass der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz sich weder dazu durchringen kann, die Kirche als die Kirche Jesu Christi zu bekennen, noch ein öffentliches Bekenntnis zur Heilsnotwendigkeit der Kirche abzugeben. Wenn sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz mal wieder fragt, warum die Kirche – in Gestalt ihrer führenden Vertreter - so wenig Vertrauen zu erwecken vermag, dann mag er sich sein lauwarmes Bekenntnis zum eigenen Verbleib in der Kirche vor Augen führen. Mit anderen Worten, ein Bätzing, der den Sturm gibt, ist nach dieser Aussage denkbar geworden.

Warum man tatsächlich in der Kirche bleiben sollte, ist mit einem Satz gesagt: Es gibt kein Heil außerhalb der Kirche. Unnötig zu erklären, dass dieser Satz der theologischen Ausdifferenzierung bedarf, denn kein Kind Gottes geht verloren, wenn und weil es die Kirche nicht kennen und erkennen durfte. Das hat die Kirche nie so gelehrt. Längst ist viel darüber gesagt und geschrieben worden, dass Gott einen universellen Heilswillen hat und dass eben diese Kirche sein Ausdruck genau dessen ist. Wer also die Kirche kennen und erkennen durfte und nicht in ihr verharrt, kann das Heil nicht erlangen. Ziemlich guter Grund drinzubleiben, oder? Ob dazu das brave Abliefern der Kirchensteuer bei zunehmend vom Glauben abfallenden Hirten und ihrer Entourage (m/w/d) gehört, ist immer noch ein zu klärender Aspekt, der nicht oft genug angemahnt werden kann. Es ist gilt bis dahin, dass die Kirche Menschen, die hier eine Entscheidung im Gewissen und nach reiflicher Prüfung desselben gefällt haben, mit Barmherzigkeit zu begegnen hat.


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