Vatikan-Prozess: Angeklagter Kardinal sagt, er könne sich nicht erinnern

20. Mai 2022 in Aktuelles


Vernehmung Kardinal Beccius im laufenden Strafprozess um den vatikanischen Finanzskandal vielfach von heftigen, auch emotionalen Vorwürfen und Reaktionen geprägt


Vatikanstadt (kath.net/KAP) Im Strafprozess um den vatikanischen Finanzskandal ist die Befragung des angeklagten Kardinals Giovanni Angelo Becciu (Archivfoto) fortgesetzt worden. Diesem legte Strafverfolger Alessandro Diddi am Mittwoch eine Reihe von Dokumenten und Protokollen vor, die zum Teil Beccius Unterschrift zeigten. In vielen Fällen antwortete der Angeklagte, er könne sich an die Dokumente, Vorgänge oder Personen nicht erinnern. Das meiste habe er an sein Büro delegiert.

Als ehemaliger zweiter Mann der vatikanischen Zentralbehörde, des Staatssekretariats, hatte Becciu lange Jahre eine entscheidende Position inne. Unter ihm wurde ein umstrittener, verlustreicher Investmentdeal mit einer Londoner Luxusimmobilie eingeleitet, der Hauptgegenstand des Strafprozesses ist.

Im Staatssekretariat habe Verwaltungsleiter Alberto Perlasca großen Einfluss gehabt. Ihm, so Becciu, habe er sehr vertraut, auch was die Einschätzung von Risiken anging. So habe er Perlasca mehrfach nach der Rendite des Londoner Deals gefragt, dieser ihn jedoch vertröstet. Aus Unterlagen des Strafverfolgers ging jedoch hervor, dass Perlasca Becciu bereits früh über seltsames Gebaren ihrer Finanzpartner informiert haben will.

Becciu verteidigte die autonomen Fonds, über die das Staatssekretariat bisher verfügte; dazu zählten auch Mittel aus dem sogenannten Peterspfennig. Als übergeordnete Behörde sei man anderen Einrichtungen des Vatikan nicht rechenschaftspflichtig gewesen. Der Kardinal bezog er sich dabei auf Bemühungen des 2014 neu errichteten Wirtschaftssekretariats. Dieses hatte unter seinem damaligen Leiter, Kardinal George Pell, versucht, einen Überblick und Kontrolle über die Finanzen der Vatikanbehörden zu bekommen.

Die Vernehmung war vielfach von heftigen, auch emotionalen Vorwürfen und Reaktionen geprägt. Mehrfach ermahnte der Vorsitzende Richter, Giuseppe Pignatone, die Parteien zur Sachlichkeit.

Auch Entlassung Milones Thema

Thema war auch die Entlassung des früheren vatikanischen Generalrevisors Libero Milone. Diese geschah laut Aussage Beccius auf Anweisung des Papstes. Er habe 2017 mit dem Papst über Milone gesprochen, sagte der Kardinal aus. Dieser habe entgegen Absprachen eine externe Firma beauftragt, Informationen über Vatikanangestellte zu besorgen. Franziskus habe ihn daher angewiesen, dem Generalrevisor mitzuteilen, dass dieser nicht mehr das Vertrauen des Papstes habe.

Das Amt eines Generalrevisors hatte Franziskus 2015 im Zuge seiner Kurienreform geschaffen. Im Juni 2017 teilte der Vatikan mit, Milone sei fristlos entlassen worden. Vorgeworfen wurde dem Generalrevisor, er habe Kompetenzen überschritten und im Privatleben von Bischöfen und Kardinälen geschnüffelt. Der Vatikan sprach damals von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses "in gegenseitigem Einvernehmen".

Milone hingegen sagte bald nach seiner Entlassung, man habe ihn damals gezwungen, ein vorbereitetes Rücktrittsschreiben zu unterzeichnen. Der damalige Chef der Gendarmerie, Domenico Giani, habe ihn unter Druck gesetzt. Laut einer späteren Aussage Milones war die Anschuldigung inzwischen sang- und klanglos fallengelassen worden.

Copyright 2022 Katholische Presseagentur KATHPRESS, Wien, Österreich

Alle Rechte vorbehalten

 


© 2022 www.kath.net