Schönborn: Auch für Bekehrung Putins zu beten macht Sinn

15. April 2022 in Österreich


Wiener Erzbischof "Die, die wirklich etwas über die Auferstehung sagen können, das sind die, die in der Hölle von Mariupol leben" - Zurückhaltende Einschätzung des synodalen Prozesses


Wien  (kath.net/KAP) Die Kraft des Gebets hat Kardinal Christoph Schönborn im Osterinterview mit der Nachrichtenagentur Kathpress und den Medien der Erzdiözese Wien betont. Und er zeigte sich überzeugt, dass es Sinn mache, für die Bekehrung Wladimir Putins zu beten. Zur Frage, welche Osterbotschaft er für Kriegsopfer in der Ukraine bzw. die Geflüchteten habe, sagte der Kardinal: "Ich würde eher fragen: Was haben sie für eine Botschaft für uns? Natürlich sollen wir uns bemühen, zu trösten, Aufmerksamkeit und Zuwendung zu schenken. Aber die, die wirklich etwas über die Auferstehung sagen können, das sind die, die in der Hölle von Mariupol leben."

Er erinnere sich an ein Tagebuch von Hans Lehndorff, dessen Bruder im Zuge des 20. Juli 1944 im Widerstand gegen Hitler umgebracht wurde. Lehndorff war in Ostpreußen zu Hause und Arzt und habe dort das Ende des Krieges erlebt. "Als Arzt versuchte er, was er tun konnte, ohne Medikamente in dieser unglaublich dramatischen Situation." Er könne sich nicht mehr an die genauen Worte Lehndorffs erinnern, so der Wiener Erzbischof, "nur an dieses siegreiche Gefühl, das er vermittelt hat in diesen Tagebuchnotizen zu Ostern 1945. Das ist wahrscheinlich das, was Menschen aus Mariupol uns sagen können."

Über das Gebet sagte Kardinal Schönborn: "Das Gebet ist absolut vital, das ist der Atem der Seele und die Seele braucht das, weil sie von Gott geschaffen ist und auf Gott hin geschaffen ist, es ist ihr Lebensraum sozusagen." Wenn man diesem Bedürfnis der Seele nicht nachgebe, "dann verkümmern wir, dann verkümmert vieles in unserem Leben und die Seele kann sich nicht entfalten". Das Gebet sei einfach elementar, "und ich glaube, dass Menschen viel mehr beten, als sie selber merken, denn es gibt so etwas wie ein unausgesprochenes Gebet, ein Seufzen der Seele, sozusagen ein Sehnen der Seele". Er erinnere sich an ein Wort einer Philosophin, mit der er sehr befreundet war: "Die Seele betet immer."
Auch die Frage, ob es Sinn mache, für den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu beten, bejahte der Kardinal: "Wenn wir Gott nicht gleichgültig sind, wenn es so etwas gibt, was die Bibel den Bund nennt, zwischen Gott und dem Menschen, dann ist es völlig normal in der Logik des Bundes, dass wir Gott etwas bitten können, wie Gott uns etwas bittet. Er bittet uns darum, dass wir seine Weisungen einhalten, weil er unser Leben will. Ja, und in diesem Sinne ist es absolut sinnvoll, auch für andere Menschen zu beten - warum nicht auch für Wladimir Putin?"

Über den Tod der Mutter

Schönborn ging auch auf den Tod seiner Mutter ein, die vor ein paar Wochen mit 101 Jahren verstorben ist: "Ich habe bei meiner Mutter erlebt, dass sie sehr genau gewusst hat, wann es Zeit ist und dann gesagt hat: 'Jetzt möchte ich aufbrechen. Ich mache mich auf die Reise.'" Zur Frage, wie er persönlich mit diesem Verlust umgehe, sagte der Erzbischof: "Zuerst einmal ist es einfach schwierig, wenn man 40 Jahre gewohnt war, am Samstag miteinander zu telefonieren und am Samstag früh aufwacht und sagt: 'Nein, es ist eben nicht Telefontag.' Es ist eine neue Situation und das Wahrnehmen der anderen Präsenz, an die ich glaube. Das muss ich erst einüben. Das Konzil sagt so schön, dass unsere Verstorbenen, wenn sie bei Gott sind und Gott in unseren Herzen ist, dadurch uns noch näher sind als zuvor. Freilich sind wir leibliche Wesen und daher ist die leibliche Abwesenheit so sehr spürbar."

Mit Ostern sei aber der Tod überwunden, das sei der Kern des christlichen Glaubens. Der Tod sei allgegenwärtig. Doch dem gegenüber stehe die Auferstehung Jesu. Schönborn: "Ostern gibt die Gewissheit dafür, dass Jesus lebt. Und wenn etwas mein Leben prägt, dann ist es, dass der Herr lebt. Und wenn das nicht so wäre, wüsste ich nicht, was ich hier tue. Welchen Sinn hätte mein Leben?"

Auf die Wiedergeburtslehre angesprochen, erinnerte der Kardinal an ein Gespräch mit einem Jesuiten, der lange in China lebte. Er habe eine sehr kluge und eindrucksvolle Antwort gegeben: "Wie auch immer es ist mit den asiatischen Lehren über die Reinkarnation, eines ist für mich sicher: Christus ist das Ende der Reinkarnation." Schönborn erinnerte auch daran, dass im Buddhismus und Hinduismus die Reinkarnation als ein Unglück bzw. Leid empfunden wird. "In der westlichen Variante, die bei uns jetzt sehr in Mode ist, ist es sozusagen die Chance, noch einmal Golf zu spielen und noch einmal Bridge zu spielen, wenn ich jetzt sehr spöttisch bin."

Synodaler Prozess

Die bisherigen Ergebnisse des synodalen Prozesses in der Erzdiözese Wien kommentierte der Wiener Erzbischof zurückhaltend: "Die ersten Resultate, die vorliegen, haben mich nicht übermäßig überrascht. Sie sind sehr konzentriert auf innerkirchliche Fragen und auf die üblichen Themen." Er sei sich nicht sicher, dass dies bereits das Resultat des synodalen Weges ist. Nachsatz: "Das ist einmal ein Anfang."

Schönborn zitierte einen biblischen Psalm, der in ganz einfacher Weise zum Ausdruck bringe, worum es in der Synodalität geht: "Herr, lehre uns deine Wege zu gehen." Darin seien alle Elemente enthalten, die zur Synodalität gehören, so Schönborn: "Es richtet sich die Bitte an Gott, es geht um einen gemeinsamen Weg mit Gott. (...) Er geht mit uns und wir gehen mit ihm." Das sei einmal die Voraussetzung. Doch den richtigen Weg zu finden, sei mit viel Unsicherheit verbunden. So bedeute die Bitte an Gott auch: "Zeige uns nicht die Wege, die mir gerade einfallen, sondern deine Wege." Dabei gebe es nicht nur einen Weg, sondern viele Wege, "wo wir darauf vertrauen können, dass Gott uns gemeinsam zeigt, welche die Wege des Lebens sind". Das sei Synodalität.

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