„Ich wollte wissen, wer die Teenies in meiner Gemeinde mit Stern anspricht“

27. April 2022 in Kommentar


„Liebe Oberminis und Leiter*innen“? – „Siehe da: Sterne. Die Sterne nehmen zu. Der Glaube nimmt ab.“ Gastkommentar von Julian Adrat


Berlin (kath.net) Wenn ich Minis höre, muss ich immer an diese kleinen gelben Figuren aus dem berühmten Animationsfilm denken, die es bis ins Überraschungsei geschafft haben. Die heißen aber Minions. Minis ist die Abkürzung für Ministranten. Da ich erst mit 24 Jahren katholisch geworden bin, ist mir diese Abkürzung nicht geläufig.

14 Ministranten durften neulich ministrieren. Die Mail, die das verkündigte, war ziemlich lang. Aber auf den Punkt, die Strukturiertheit der Minis ist in jedem Fall beeindruckend. Es wurde über eine Fahrt gesprochen, die Mail des Pfarrers und die des Referenten für Ministrantenpastoral und Schulseelsorge weitergeleitet.

„Leider ist es nicht möglich, dass eine unbegrenzte Zahl an Minis ministriert, da die Ausbilder*innen, neuen Minis und Oberminis insgesamt schon ungefähr vierzehn Leute sein werden.“ Die Zahl 14 muss das Ergebnis einer komplizierten Formel aus Inzidenz, Intensivbettenauslastung und Kirchenfläche sein, die ich nicht durchschaue. Es durften auch mal nur zwei sein, irgendwann vier… Jetzt also 14.

Diese Kinder haben es nicht leicht, dachte ich während der Messe. Ich saß im Querschiff links, vor dem Marienalter, der als Eltern-Kind-Ecke etabliert wurde, und konnte den neuen Minis auch während des Gelöbnisses ins Gesicht sehen. Sie wachsen in einer neuen Zeit auf. Alle trugen Maske, FFP2, es gab auch OP-Masken, und eine Regenbogen-Maske. Ich dachte aber gar nicht an die Pandemie, ich dachte an die Mail, in der ich über die zwei Sterne gestolpert war. Sterne machen, laut Wikipedia, „nichtbinäre, diversgeschlechtliche Personen typografisch sichtbar“. Wie viele der Kinder, die schwarz gekleidet eingezogen waren, jetzt weiße Gewänder überzogen und gusseiserne Kreuze mit Kette überreicht bekamen, mochten wissen, was nichtbinäre und diversgeschlechtliche Personen sind?

Der andere fand sich im weitergeleiteten Text des Referenten Benjamin Rennert. „Liebe Oberminis und Leiter*innen, hier nochmal die Erinnerung und Werbung für unsere diesjährige Jugendkarwoche in Alt Buchhorst…“

    Ich googelte, ich wollte wissen, wer die Teenies in meiner Gemeinde mit Stern anspricht und landete schnell auf den Seiten des Erzbistums Berlin. Mir stach das Ministrantenlogo ins Auge. Vier Minis sind darauf abgebildet, sie halten Kreuz, Weihrauchfass, eine Kerze, die einzig männlich-androgyne Kinds-Figur trägt einen Nasenpiercing und hält die Hostienschale. Vom Geschlechterverhältnis stimmt es, auch in Herz Jesu bilden weibliche Ministranten die Mehrheit. Sterne waren keine zu sehen, die Wörter wurden mit Doppelpunkt geteilt. Was weniger inklusiv sein mag, den Lesefluss aber ähnlich penetrant stört… Manchmal wundert man sich über sich selbst. Schon Hundertschaften an Sternen sind mir die letzten Jahre zu Gesicht gekommen, und noch immer stören sie?

    Auch um mich auf den neuesten Stand bezüglich des Hygienekonzeptes zu bringen – vielleicht würde sich mir die 14 erklären – klickte ich mich durch Seiten der neugegründeten Großpfarrei, die auch Herz Jesu umfasst. Und siehe da: Sterne. Die Sterne nehmen zu. Der Glaube nimmt ab. Das war übrigens auch im Dritten Reich der Fall und gilt für alle Ideologien: Sie werden nicht befohlen, sie entwickeln sich aus der Mitte der Gesellschaft heraus, und ehe man sich versieht, ist die Gesellschaft davon durchdrungen. Im angloamerikanischen Raum gibt es Elite-Universitäten, die sich dafür verbürgen, dass es 62 Geschlechter gibt. Man nennt das Zeitgeist.

    So langsam hatte ich mich warmgegoogelt. Mir wurde nochmal ins Gedächtnis gerufen, dass die Kategorien „Eltern“ und „Kind“ existierten, ehe es Vögel gab, und dass die Geschlechtlichkeit zweigeteilt war, noch ehe Blumen blühten. Fun fact, wenn man am nächsten Muttertag zum Floristen geht. Ich musste außerdem erkennen, dass gewisse Bibelstellen mir als späten Konvertiten noch immer lutherisch im Ohr klingen. „Weil du aber lau bist und weder warm noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde“, heißt es in Offenbarung 3;16, mit Betonung auf „ausspeien“. Anstelle des langweiligen „Werde ich dich aus meinem Mund ausspeien.“ Luthers Übersetzung ist direkt und poetisch. Ähnlich geht es mir bei einer anderen Stelle, zu der mich Google trug. „Wer aber einen dieser Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt, für den wäre es besser, dass ein Mühlstein um seinen Hals gehängt und er ersäuft würde im Meer, wo es am tiefsten ist.“ In der Einheitsübersetzung ist die Rede von „Ärgernissen“ und der „Tiefe des Meeres“. Was am Ergebnis nichts ändert, in beiden Fällen wird der Mühlstein dem Verführer um den Hals gelegt.

    Der Vollständigkeit halber: In der weitergeleiteten Mail der Pfarrers fand sich kein Stern. Ich haben einen Kompromissvorschlag: Sprechen wir nur noch von Minis. Die brauchen keinen Stern.

Julian Adrat ist Autor, Vater von 4 Kindern, freischaffender Künstler und Podcaster.


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