Prager Erzbischof: Krieg in der Ukraine "nicht zu rechtfertigen"

13. April 2022 in Aktuelles


Tschechischer Kardinal Duka warnt in Zeitungsinterview vor Entwicklung wie nach dem Ersten Weltkrieg und verweist auf neue geopolitische Lage: "Krieg überflüssig", aber auch Pazifismus in aktuellem Konflikt keine Lösung


Prag (kath.net/KAP) Der tschechische Kardinal Dominik Duka sieht im russischen Angriffskrieg in der Ukraine auch den Beginn einer neuen geopolitischen Ära. Sowohl die "bipolare" als auch die "unilaterale Welt" seien abgetreten und ganz Osteuropa "gleichsam ins 18. Jahrhundert zurückgekehrt", sagte der Prager Erzbischof in einem am Wochenende veröffentlichten großen Interview der Zeitung "Lidove noviny". Skeptisch äußerte sich Duka darin auch über pazifistische Positionen der Friedensbewegung, die einem Aggressor sein Handeln in gewissem Ausmaß erst ermöglichen würden. Stellung nahm der bald 79-jährige Kardinal zudem zur Lage der Kirche in Tschechien und zum Stand der Suche nach einem Nachfolger als Erzbischof von Prag.

Mit Blick auf die geopolitische Lage und den Ukraine-Krieg warnte Duka vor einer Entwicklung wie nach dem Ersten Weltkrieg. Damals habe Unruhe geherrscht, "weil ein Großteil der Länder mit der neuen Lage, die der Krieg auf der Europakarte gezeichnet hatte, unzufrieden war". Im Ringen zwischen Russland und dem Westen sind aus Sicht des Kardinals nun auch in der jüngeren Vergangenheit "einige Schritte auf beiden Seiten nicht ganz ordentlich gesetzt worden". Die jetzige "Lösung" durch Wladimir Putin sei freilich "wirklich schlecht", eine "solche Art von Krieg nicht zu rechtfertigen", betonte der böhmische Primas. "Seien wir ehrlich", meinte Duka, "so ähnlich hat der Zweite Weltkrieg begonnen", in Berlin wie in Moskau habe man "die eigenen Interessen verteidigt".

Duka: Pazifismus löst Krieg nicht

"Wir sind damit aufgewachsen, dass der Krieg überflüssig" ist, so der Kardinal weiter, und auch der Ruf des Papstes nach Abrüstung und vor allem der Beseitigung von Atomwaffen sei berechtigt. Pazifismus jedoch werde den gegenwärtigen Krieg nicht lösen, zeigte sich Duka überzeugt. Frankreich beispielsweise habe "von Hitler so rasch überrannt werden können, weil es total unvorbereitet war". Dies sei auch heute zu bedenken und Europa könne sich "nicht von den USA trennen".
Für US-Präsident Joe Biden fand der Kardinal lobende Worte. Zu Recht habe dieser jüngst seine Rede in Warschau mit den Worten Johannes Pauls II. "Habt keine Angst" eingeleitet. Angst sei ein schlechter Ratgeber, man gebe "nach, wo man nicht nachgeben dürfte", und erliege völlig "destruktiven Emotionen", befand Duka. Im Übrigen eröffnet sich aus Sicht des Kardinals derzeit auch ein "Raum für eine große Rehabilitierung Mittel- und Osteuropas"; der gefallene Eiserne Vorhang wirke nämlich nach wie vor "mental in den Köpfen vieler Politiker Westeuropas weiter fort, die Europa in Ost und West aufteilen".

Hinsichtlich der vom Ukraine-Krieg ausgelösten Flüchtlingsbewegungen rät Duka zu "einem gewissen Pragmatismus". Was man den Flüchtlingen heute gebe, würden sie später zurückgeben. Der Kardinal zog zudem einen Vergleich zum Marshallplan nach dem Zweiten Weltkrieg: Dieser sei "nicht nur ein Gewinn für Deutschland und Westeuropa gewesen, sondern auch ein Impuls für die Entwicklung der amerikanischen Industrie und des Handels".

Warten auf Nachfolger in Prag

Zur Lage der Kirche in Tschechien bekräftigte der Prager Erzbischof gegenüber "Lidove noviny", diese sei nicht so dramatisch, wie in Medien dargestellt. In der Erzdiözese Prag habe die Anzahl bekennender Katholiken bei der Volkszählung im Vorjahr sogar zugenommen. Die katholische Kirche habe in der Tschechoslowakei im 20. Jahrhundert einen "statistischen Genozid" durchgemacht, sage Duka. Nach dem Ersten Weltkrieg habe ein Viertel der Katholiken seine Zukunft in der neuen Hussitischen Kirche und in protestantischen Kirchen oder der Glaubenslosigkeit gesehen. Nach dem Zweiten Weltkrieg sei der Kirche durch die Vertreibung der Deutschen ein weiteres Viertel ihrer Mitglieder abhandengekommen.

Duka begann am Wochenende sein dreizehntes Jahr als Erzbischof in der tschechischen Hauptstadt. Schon zum 75. Geburtstag 2018 hatte er dem Papst, wie vom Kirchenrecht vorgesehen, seinen altersbedingten Rücktritt angeboten, den Franziskus bis dato aber nicht angenommen hat. Er könne sagen, dass sein Nachfolger "wahrscheinlich noch nicht ernannt" sei, verfüge aber über Nachrichten, "wonach die zuständige Institution dies bis Ostern weitergeben dürfte", meinte er jetzt im Interview. Irgendwann zum Semesterende - gemeint ist Ende Juni - sollte es so weit sein, führte Duka aus.

Als "wirklichen Erfolg" seiner Amtszeit verbuche er die Lösung der zwei Jahrzehnte lang schwelende Frage der Eigentumsrechte des Veitsdoms und die Heimholung des Leichnams des Bekenner-Kardinals Josef Beran (1888-1969) aus Rom. Unsicher sei er hingegen in der Bewertung der von ihm geführten politischen Verhandlungen über die Rückgabe der von den Kommunisten enteigneten Kirchengüter, sagte Duka. Manch einer denke, "dass die Restitution ein großer Erfolg" gewesen sei. Sie sei aber "um den Preis großer persönlicher Kontroversen und manchmal auch Enttäuschungen" geschehen und mit den restituierten Gütern zu wirtschaften sei "eine sehr schwere Aufgabe".

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Archivfoto Kardinal Duka (c) Tschechische Bischofskonferenz


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