„Warum steht jetzt ein Kardinal am Altar mit der sechsfarbenen Homosexuellenflagge?“

6. April 2022 in Aktuelles


„Erst kürzlich haben die polnische und nordische Bischofskonferenz den Kurs des Synodalen Wegs kritisiert. Davon lässt sich Kardinal Marx nicht beeindrucken. Er behauptet: ‚Viele teilen unsere Einschätzung‘“ – Gastkommentar von Hubert Hecker


München (kath.net)
I.    Kardinal Reinhard Marx forderte kürzlich die Aufhebung des Zölibats und feierte einen sogenannten Queer-Gottesdienst. Die Illustrierte „Stern“ gewährte ihm aus diesem Anlass ein Interview.

Warum steht jetzt ein Kardinal am Altar mit der sechsfarbenen Homosexuellenflagge?

Marx gibt auf die Frage eine umwerfende Antwort: „Das ist ja nun eine Entwicklung, die überall stattfindet … in Unternehmen“ etwa, Mainstream eben. Da „wandelt sich auch die Kirche, geht mit der Zeit!“ Er versichert: „Ich fühle mich seit Jahren freier zu sagen, was ich denke. (…) Und ich denke, dass ich das Richtige tue.“

Aber das Gefühl des richtigen Denkens und Tuns entspricht nicht der Lehre der Kirche!?

„Der Katechismus ist nicht in Stein gemeißelt. Man darf auch in Zweifel ziehen, was da drinsteht.“ Die Bischöfe der Welt hätten diese Frage auf der Familiensynode in Rom 2015/16 diskutiert. „Aber es gab Hemmungen, etwas festzuschreiben.“ Tatsächlich wurde im Schlussdokument der römischen Synode für die Kirche verbindlich festgeschrieben: „Es gibt keine Analogie zwischen der Homo-Partnerschaft und dem Schöpfungsplan Gottes zu Ehe und Familie – auch nicht im weitesten Sinne.“

Müssen auch die biblischen Festschreibungen umgeschrieben werden?

Im Schöpfungsbericht heißt es, dass Gott Mann und Frau in gegenseitiger Zuordnung schuf und nur dieser Verbindung den Segen gab. Marx meint, homosexuelle Paarbeziehungen sollten (als Schöpfungsvariante) ebenfalls Gottes Segen erhalten.

Jesus Christus sagt im Evangelium: „Wer eine Geschiedene heiratet, bricht die Ehe“ (Mt 19, vgl. 1 Kor 7). Marx fände es „hilfreich“, wenn die Kirche die zivile Zweitehe von Geschiedenen segnete.

Jesus spricht zur Ehebrecherin: „Gehe hin und sündige nicht mehr!“ Marx verkündet, Sünde liege nur vor bei „Abkehr von Gott, vom Evangelium“ (und nicht bei Übertretung der Gottesgebote). In sexuellen Verbindungen gebe es nur qualitative und weniger qualitätvolle Beziehungen.

Ver- und Gebote sind allerdings nur Leitplanken für die positive Würdigung der biblisch-kirchlichen Lehre zur Ehe: Einheit und Unauflöslichkeit, Liebe und Treue für ein ganzes Leben, Hinordnung auf das Wohl der Ehegatten und die Offenheit für Kinder.

Doch der Münchener Erzbischof hat in Hinsicht auf die katholische Ehelehre nur eine Seitenhieb-Bemerkung übrig: „auf Fortpflanzung beschränkte Sexualität“. Homosexuelle Partnerschaften dagegen glaubt der zölibatäre Prälat als „innige Liebesbeziehungen“ aufhimmeln zu müssen. Was soll man von einem Kardinal halten, der wie ein Lobbyist für die schöpfungstheologisch unmögliche Homo-Ehe plädiert, während er die sakramentale Ehe der Katholiken negativ verzerrend ins Abseits stellt?  

Nach den theologischen Überlegungen führt Kardinal Marx das Argument der politischen Korrektheit an: Das Nicht-Segnen von gleichgeschlechtlichen Paaren sei Diskriminierung. Doch da nach kirchlicher und naturrechtlicher Lehre Ehe und Homopartnerschaft Ungleiches beinhalten, ist die ungleiche Behandlung keinesfalls diskriminierend. Deshalb wird es keinen kirchlich legitimierten, eheanalogen Brautsegen für Homo-Paare geben.

Der Münchener Erzbischof müsste auch wissen, dass die Homo-Lobby das Gleichheits- bzw. Diskriminierungsargument taktisch-eskalierend einsetzt: für die Homo-Ehe (wie inzwischen in der EKD), für ein Recht auf Kinder durch Adoption, künstliche Befruchtung und Leihmutterschaft unter Ausnutzung der Armut ukrainischer Frauen.

II. Im zweiten Interviewteil geht es um Missbrauch in der Kirche. Laut MHG-Studie hat ca. vier Prozent der Geistlichen sexuellen Missbrauch an Minderjährigen begangen, 96 Prozent der Kleriker hat sich diesbezüglich nichts zuschulden kommen lassen. Es wurden für die letzten 60 Jahre 1670 übergriffige Einzeltäter identifiziert. Nach unserer abendländischen Rechtstradition ist Schuld immer persönlich; Verantwortung kann nur eine individuelle Person übernehmen. Das schuldhafte Versagen Einzelner darf nicht auf ein Systemversagen abgeschoben werden; an den Regelverstößen weniger Individuen ist nicht das Regelsystem selbst schuld.

Doch genau diesen inakzeptablen Übertrag von Einzelverantwortung auf Systemschuld vollzieht Kardinal Marx in seinem Interview. Gleich dreimal gibt er dem kirchlichen „System insgesamt“ die Schuld an den Missbrauchstaten von Geistlichen. Zweimal stimmt er dem Interviewthesen zu: „Im kirchlichen Innenleben ist der Wurm drin“ und: „Die Kirche lässt strukturell Kindesmissbrauch zu“; einmal sind es die ‚gefährlichen Machtstrukturen‘. Marx macht in früheren Äußerungen „systemische Ursachen und Gründe“ für Übergriffe von Klerikern verantwortlich, er spricht von der „Mitschuld der Institution“ sowie von „systemischem Versagen“ der Kirche. Diese vielfach wiederholten Begriffe sind die in Stein gemeißelten Formeln der synodalen Neu-Kirche, die auch Bischof Bätzing gegen jede Kritik abschirmt.

Aber weder in der empirischen MHG-Studie noch im juristischen WSW-Gutachten wird die These von der kirchenspezifischen Systemschuld für Missbrauch bestätigt. Obwohl beide Werke den Auftrag hatten, Strukturen der Missbrauchsbegünstigung herauszuarbeiten, konnten sie ihre Hypothesen nicht verifizieren. Über Mutmaßungen hinaus haben sie keine systemischen Missbrauchsursachen feststellen und belegen können. Die vorsichtigen MHG-Formulierungen von möglichen Zusammenhängen verwandelt Kardinal Marx unter der Hand zu Tatsachenbehauptungen. Das sind Desinformationen, aus denen unbegründete Beschuldigungen und Beschimpfungen an die Adresse der Kirche fabriziert werden.

In einem zweiten Anlauf klagt der Münchener Kardinal die Kirchenverantwortlichen an. Die Bistumsleitungen hätten bei ihren Entscheidungen zu Missbrauchstätern ein „System“ aufgebaut, „in dem der Ruf der Kirche immer einen Vorrang hatte“. Es habe „das Interesse“ vorgeherrscht, „primär die Institution und deren Ruf zu schützen“.

Ist Kardinal Marx ein Hellseher, der die Motive und Interessen der anderen Bischöfe von außen erkennen kann? Gutachter haben faktisches Fehlverhalten von Bistumsleitungen festgestellt, gemessen an Rechtsvorschriften und Aufgaben. Aber weder aus den Berichten der Bischöfe Kamphaus, Theißen, Genn oder Overbeck geht hervor, was Marx unterstellt, noch aus MHG-Studie und WSW-Gutachten kann der Kardinal belegen, dass Ruf und Renommée der Kirche primäre Handlungsmotive der Kirchenverantwortlichen gewesen wären. Auch in diesem Fall verbreitet der Münchener Kardinal spekulative Behauptungen und Unterstellungen gegenüber seinen Mitbrüdern. Für sich selbst weist er solches Ansinnen zurück: Ihm gehe es selbstverständlich „nicht um das Renommée der Kirche“.

Zum Schluss wird dem Interviewten vorgehalten, dass viele Bischöfe in Afrika und Südamerika anderes denken – etwa zu Homosexualität, was in dem oben genannten Beschluss der Familiensynode zum Ausdruck kam. Erst kürzlich haben die Polnische (siehe Link) und Nordische (siehe Link) Bischofskonferenz den Kurs des Synodalen Wegs kritisiert. Von diesen Fakten lässt sich Kardinal Marx nicht beeindrucken. Er behauptet einfach das Gegenteil: „Viele teilen unsere Einschätzung.“

Und wie steht der Kardinal zum weltkirchlichen Lehramt des Papstes?

„Die Weltkirche besteht aus Teilkirchen in unterschiedlichen Kulturen. (…) Da gibt es einen lebendigen Diskussionsprozess.“ In den Aussagen scheint die neue Doktrin des Synodalen Wegs durch: die Kirche als ein föderaler Verbund von nationalen Teilkirchen. In der „legitimen Vielfalt des Glaubens“ (synodaler Orientierungstext Kap. 55) habe der Papst die Einheit der Kirche zu repräsentieren. Bei dem weltweiten Dialogprozess müsste er dafür sorgen, „dass dieses Ganze im Gespräch bleibt“.

Das Lehr- und Leitungsamt des Papstes will Kardinal Marx auf die Funktion eines Moderators degradieren – so wie Bischof Bätzing schon jetzt die Moderatorenrolle bei den deutschen Synodalversammlungen spielt.

Oberstudienrat em. Hubert Hecker (siehe Link)hat bereits ein Buch über den Kölner Klinikskandal veröffentlicht.

kath.net-Buchtipp:

Der Kölner Kliniken- / Medienskandal
Eine Fallstudie zu Skandalisierungsprozessen, Schwarmjournalismus und Medienpreisen
Von Hubert Hecker
Taschenbuch, 204 Seiten
2021 Tredition; Heckmedien
ISBN 978-3-00-068482-1
Preis Österreich: 11.40 EUR

 


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