Ja, das unbefleckte Herz!

29. März 2022 in Weltkirche


Die Immaculata hat sehr viel mit einem Voraus der Gottesmutter zu tun, das im Nachvollzug vielen Getauften zuteil werden wird - Kommentar von Franz Norbert Otterbeck


Köln (kath.net)

Unbefleckt empfangen. Über ein Jahrhundert lang war der Triumph von 1854 ein Identität stiftendes Markenzeichen für echte Katholiken: Das große marianische Dogma, das der sel. Papst Pius IX. definierte. Die Vorbereitung währte Jahrhunderte, in denen die Überzeugung seriöser Theologen heranreifte: Ja, das Herz Mariens ist unbefleckt; sine labe originali concepta. Empfangen ohne die ursprüngliche Wunde, ohne Makel der Erbsünde, das ist sie, die Jungfrau und Gottesmutter, Mutter des Erlösers und unsere Mutter, die Du, o Jesus, im Himmel gekrönt hast. Auch wenn das Dogma, also die gesamte Überzeugung der Kirche, immer dieselbe ist, semper idem, so geschieht doch auch Lehrentwicklung, im Sinn immer tieferer Einsicht. Es existiert aber keine Evolution der "Dogmengeschichte", die uns ein X für ein U vormacht oder eine ältere Überzeugung in ihr Gegenteil verwandelt. Jungfrau heißt Jungfrau und Mutter ist Mutter.

Was ist das Herz? Sitz der Person, auch heute noch. Auch im Zeitalter der Herztransplantation wurde noch kein Mensch gesichtet, der ohne Herzschlag lebt. Es besteht kein Anlass, die Verehrung des heiligsten Herzens Jesu von der realen Personmitte unseres Herrn und Königs aller Welt loszulösen und ins archaisch Symbolische aufzulösen. Auch die Verehrung des sündelosen Herzens Marias behält ihren Platz und ihr Recht in der Mitte der Kirche, bis zur Wiederkunft ihres Herrn am Ende der Tage. Dann werden vor unseren Augen alle Knoten, alle Rätsel gelöst sein, unter tätiger Mitwirkung der Mittlerin aller Gnaden des einzigen Mittlers Gottes, Jesus Christus (vgl. 'Lumen gentium', Kapitel VIII).

Wissenschaft wird uns zu keinem Zeitpunkt erschließen, wie genau der Fall Adams, wann und wo, in Raum und Zeit geschah. Hinweg diskutieren, wozu Jesuiten wie Teilhard und Rahner ansetzten, lässt sich das alltäglich überall greifbare Faktum nicht: Schon die ersten Menschen sündigten. Das Mysterium der Sünde überwältigte Reformatoren wie Calvin und Luther derart, dass sie sich beimaßen, die Wirkungskraft der Erlösung herabzusetzen, auf die Wenigen und auch nur in der Ansehung der sündigen Person seitens Gottes. In unseren Breiten berührt protestantische Theologie das Sündenthema nur noch beiläufig. Man hat fast den Eindruck, als würde dort inzwischen die Unbefleckte Empfängnis aller gelehrt, außer die der Gottesmutter.

Wer sich im 21. Jahrhundert im Priesterseminar permanent befleckt hat, der meidet als junger Kaplan des Predigtthema intuitiv. Dabei hat die Immaculata conceptio gar nichts mit der Enthaltsamkeit und immerwährenden Jungfräulichkeit zu tun, wohl aber mit einem Voraus der Corredemptrix, das im Nachvollzug, weniger privilegiert, vielen Getauften zuteil werden wird. Es geht gar nicht um die Intimsphäre der Christen, wohl aber um ihr himmlisches Ziel, wenn auch der allgemeine Irrtum darüber immer wieder gern von interessierter Seite genährt wird. Der römische Katholizismus, obwohl das Gegenteil gern behauptet wird, zeichnete sich immer schon, sozusagen von Gott her angestiftet, durch ein relativ optimistisches Menschenbild aus: Vielleicht genügt noch die Bekehrung in letzter Stunde, um das ewige Leben zu erlangen. Aber das ist für niemanden gewiss, auch wenn wir zugleich optimistisch bleiben, was die Kraft der Gnadenmittel der Kirche anbetrifft.

Papst Franziskus legte am 25. März die Welt, insbesondere Russland und die Ukraine, abermals der Gottesmutter ans Herz. Hilf Maria, es ist Zeit! Die Marienweihe wirkt auch. Wetten dass? Ein prominenter Redaktionsleiter mit Sitz in Bonn kritisierte den Akt als diplomatisch unausgewogen. Aber wer bin ich zu urteilen, wenn der Papst auf katholische Weise auf Maria vertraut? Die persönliche Lebenshaltung und Lebensgestaltung zwingt manche Deutschkatholiken dazu, die härtesten Schimpfworte nur für Putin zu reservieren. Der russische Präsident ist ein völkerrechtlich strafwürdiger Kriegsverbrecher und darf nicht obsiegen. Aber auch anderswo auf der Welt geschieht immer noch schlimmstes Unrecht, das durch das schwere Unrecht anderer nicht "geheilt" wird. Also war es richtig, bei der Marienweihe den Kreis nicht zu klein zu ziehen.

Das unbefleckte Herz Mariens ist keine Peinlichkeit, keine Kleinigkeit, sondern genau der Ort, wo die göttliche Barmherzigkeit auf staunenswerteste Weise menschliche Zustimmung fand. Es wird triumphieren.


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