Außerhalb der Filterbubble ist das Vakuum

28. März 2022 in Aktuelles


In der Bubble war die Top- News jüngst die Marienweihe am 25. März. Die katholische Filterbubble hat dies Ereignis allerdings nur an wenigen Stellen durchbrochen. Zwei Mal war es sogar ein Empörungsartikel - Der Montagskick von Peter Winnemöller


Linz-Rom (kath.net)

Auch katholische Journalisten sind Journalisten. Das mag eine banale Feststellung sein, doch sie verliert ihre Banalität, wenn man medienmäßig die katholische Filterbubble verlässt. Natürlich versorgen katholische Nachrichtenportale aller Couleur ihre Leser mit allem, was relevant für sie ist. Relevanz ist der Weg zum Zielpublikum. Ein Interview mit dem Vorsitzenden des Deutschen Guppyzüchterverbandes hier auf kath.net wäre vermutlich ein Flop, fände sich kein katholischer Dreh darin.

In der Bubble war die Top- News jüngst die Marienweihe am 25. März. Die katholische Filterbubble hat dies Ereignis allerdings nur an wenigen Stellen durchbrochen. Zwei Mal war es sogar ein Empörungsartikel. Einerseits befragte ein Magazin aus Hamburg den umstrittenen Dogmatiker Michael Seewald, andererseits echauffierte sich ein Kölner Journalist über Woelkis Marienweihe. In beiden Fällen kontrastierte diese Berichterstattung außerhalb der katholischen Filterbubble in Art und Inhalt die Wirklichkeit und die Bedeutung des wahrlich grandiosen Weiheaktes, zu dem sich der Weltepiskopat mit dem Papst vereinte. Der Gottesmutter vertraut man innerhalb der katholischen Bubble mehr als den säkularen Miesmachern. Also muss uns das nicht stören.

An dieser Stelle könnte man zu dem Schluss gelangen, es wäre wohl besser, katholische Nachrichten verließen die Filterbubble besser erst gar nicht und wir Katholiken lesen einfach nur katholische Zeitungen und Portale und schauen katholische Fernsehsender. Das könnte man tun in einer Gesellschaft, in der die Katholiken mit ihrem Glauben nicht nur dominant, sondern auch relevant wären, denn dann würde in katholischen Medien das Kirchen- und Weltgeschehen umfassend berichtet und eingeordnet. In der Diaspora – in der wir inzwischen europaweit leben – ist die nichtkatholische Umwelt dominant und relevant. Katholiken nehmen hier am besten die Rolle einer kreativen Minderheit ein, das gilt auch für die kirchlichen und säkularen Medienwelten.

Eine kreative Minderheit wird dann und genau dann relevant, wenn sie der Gesellschaft etwas geben kann, was diese nicht hat. Im Falle der Kirche ist dieses vor allem die Wahrheit. Jeder Journalist ist der Wahrheit verpflichtet. Die Suche nach der Wahrheit in einer Welt der Lüge und der Propaganda ist das Kerngeschäft des Journalisten. Doch es ist nicht eine politische Wahrheit, die die Kirche der Welt zu bieten hat, denn sonst wäre die Aussage des Essener Bistumsmanagers Klaus Pfeffer zur Krise der Kirche zu Recht eine Topmeldung. Sie wäre nicht zuletzt deshalb eine Topmeldung, weil ein alter weißer Mann einen völlig überholten Eurozentrismus der Kirche predigt. Weltweit wächst nämlich nicht nur die Zahl der Katholiken, es wächst auch die Zahl der Priester und der Ordensleute. Die Wahrheit, die wir der Welt zu geben haben, liegt nicht in Essen, sie liegt ein gewaltiges Stück daneben.

Die Kirche kann der Welt außer der Wahrheit auch die Barmherzigkeit und das Leben geben. Kirchliche Krankenhäuser sind in Westeuropa so überflüssig wie ein Kropf, denn längst hat sich die Sorge um die Kranken in der säkularen Welt einen hohen Grad von Selbstverständlichkeit erreicht. Es braucht dennoch kirchliche Kliniken. Es braucht Häuser, in denen ungeborene Kinder vor Abtreibung sicher sind, es braucht Häuser, in denen hochbetagte und schwerstkranke vor der Todesspritze sicher sind. Wenn die Bischöfe von Osnabrück und Hildesheim der Ansicht sind, in ihren Krankenhäusern könne man den assistierten Suizid bekommen, dann geben diese Bischöfe der Welt den Tod und die Unbarmherzigkeit. Das ist verzichtbar, das kann die Welt schon ganz allein. Nicht umsonst hat außerhalb der katholischen Filterbubble niemand etwas von der „Ökumenischen Stellungnahme der katholischen Bischöfe und evangelischen Leitenden Geistlichen in Niedersachsen und Bremen zur Suizidbeihilfe“ gehört. Man wird aber durchaus die Schlagzeile bekommen, wenn ein Patient im Emsland im katholischen Krankenhaus Suizidbeihilfe bekommen hat. Leben und Barmherzigkeit findet man eben nicht dort, wo man Tod aus Gründen des Kommerz toleriert.

Die Kirche kann der Welt so viel mehr geben, als sie es derzeit tut, wenn sie sich ihres innersten Kerns erinnert. Dazu gehört allerdings eine radikale Entflechtung von kirchlichen und weltlichen Strukturen. Ein wesentlicher Teil journalistischer Arbeit ist die Neugierde. Das so ganz andere und unbekannte Neue ist doch viel eher die Nachricht als das alt Bekannte. So wird nämlich in den Medien außerhalb der katholischen Filterbubble immer so getan, als wisse man ohnehin schon alles über die Kirche: Täterorganisation, unterdrückt Frauen, spinnt sich metaphysisch was zurecht, verschwendungssüchtiger Klerus, Laien haben nichts zu melden, die Liste ließe sich verlängern.

Die Kirche könnte der Welt Hoffnung geben. Die Hoffnung heißt, dass es nach all den Dingen, die am Ende doch nur vorletzte Dinge sind, wirklich noch die letzten Dinge kommen. Es gibt die Hoffnung auf ein Leben jenseits der Nöte dieser Welt. Das ist keine Vertröstung, das ist Trost, denn diese Welt wird niemals mehr gut werden. Die Erbsünde hat die Natur so sehr gebrochen, dass Gott selber eingreifen musste und eingegriffen hat. Das nämlich ist das letzte, was die Kirche der Welt geben kann: Gott.

Im Grunde müsste das die Schlagzeilen dominieren. Doch auch die Natur der Medien ist von der Erbsünde gebrochen. Leider sind auch katholische Journalisten davon nicht ausgenommen. So bleibt auch uns nur die tägliche Suche nach Wahrheit und nach Relevanz, doch hoffentlich haben wir immer noch einen anderen Blick darauf parat als ihn säkulare Journalisten haben. Solange Kirchenpolitik innerhalb der katholischen Filterbubble das Heranwachsen der Katholiken zur kreativen Minderheit so sehr behindert und derart nachhaltig weiterhin die Verfilzung der Kirche mit der Welt betrieben wird, müssen auch katholische Journalisten diesem unschönen Faktum die gebotene Relevanz einräumen. Das bietet Schatten aber auch Licht. Nachteil: Wir kommen mit der kreativen Minderheit langsamer voran. Vorteil: Spitzenkleriker aus Essen, Aachen, Osnabrück, Limburg und anderen Orten sorgen dafür, dass es nie langweilig wird.

(Nachbemerkungen:
1. Der Guppy ist einer der beliebtesten Süßwasserzierfische und gehört zu den Lebendgebärenden Zahnkarpfen.
2. Nein, ich habe kein Aquarium.)


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