Verkündigung des Herrn – der neue Anfang

25. März 2022 in Aktuelles


Benedikt XVI. – Licht des Glaubens: in der Menschwerdung des Sohnes Gottes erkennen wir die Anfänge der Kirche. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Hochfestes der Verkündigung des Herrn. Neun Monate vor dem Geburtsfest des Herrn wird Papst Franziskus einen besonderen Akt vollziehen: er wird die Menschheit, Russland und die Ukraine dem unbeflecktem Herzen Mariens weihen. Franziskus erfüllt damit den Auftrag den die Gottesmutter vor rund 100 Jahren den kleinen einfachen Seherkindern in Fatima gegeben hat. Franziskus nimmt damit demütig die „metaphysische Wette“ gleichsam im Stil eines Blaise Pascal an. Keiner seiner Vorgänger, weder Benedikt XV. noch Pius XI., Pius XII., Johannes XXIII, Paul VI., Johannes Paul I., Johannes Paul II. oder Benedikt XVI., hat dies explizit getan. Nach acht Päpsten tut es Franziskus, verbunden mit einem Aufruf an alle Bischöfe und Priester der Kirche, ihm zu folgen, mit einem intensiven Weihegebet, mit dem er die von Gott abgefallene Menschheit unter dem Mantel der Gottesmutter und Königin des Friedens zurückführen will.

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Evangelium vom Donnerstag der dritten Woche der Fastenzeit (Lk 1,26-28):

Im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott in eine Stadt in Galiläa namens Nazaret zu einer Jungfrau gesandt. Sie war mit einem Mann namens Josef verlobt, der aus dem Haus David stammte. Der Name der Jungfrau war Maria. Der Engel trat bei ihr ein und sagte: Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir. Sie erschrak über die Anrede und überlegte, was dieser Gruß zu bedeuten habe. Da sagte der Engel zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden. Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn wirst du gebären; dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden. Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben. Er wird über das Haus Jakob in Ewigkeit herrschen und seine Herrschaft wird kein Ende haben. Maria sagte zu dem Engel: Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne? Der Engel antwortete ihr: Heiliger Geist wird über dich kommen und Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden. Siehe, auch Elisabet, deine Verwandte, hat noch in ihrem Alter einen Sohn empfangen; obwohl sie als unfruchtbar gilt, ist sie schon im sechsten Monat. Denn für Gott ist nichts unmöglich. Da sagte Maria: Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast. Danach verließ sie der Engel

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Benedikt XVI., Predigt zur Eucharistiefeier mit den neu kreierten Kardinälen am Hochfest der Verkündigung des Herrn, 25. März 2006:

Es ist für mich ein Grund zu großer Freude, nach dem gestrigen Konsistorium dieser Konzelebration mit den neuen Kardinälen vorzustehen, und ich sehe es als ein Zeichen der Vorsehung an, daß diese am liturgischen Hochfest der Verkündigung des Herrn stattfindet – und bei dem Sonnenschein, den der Herr uns schenkt.

In der Menschwerdung des Sohnes Gottes erkennen wir die Anfänge der Kirche. Alles kommt von dort her. Jede geschichtliche Verwirklichung der Kirche und auch jede ihrer Institutionen muß sich auf jene Urquelle zurückbesinnen. Sie muß sich zurückbesinnen auf Christus, fleischgewordenes Wort Gottes. Er ist es, den wir immer feiern: der Immanuel, der Gott-mit-uns, durch den sich der Heilswille des Vaters erfüllt hat. Und dennoch (gerade heute betrachten wir diesen Aspekt des Geheimnisses) fließt die göttliche Quelle durch einen privilegierten Kanal: die Jungfrau Maria. Mit einem ausdrucksstarken Bild spricht der hl. Bernhard diesbezüglich von »aquaeductus« (vgl. Sermo in Nativitate B. V. Mariae: PL 183,437–448). Wenn wir die Menschwerdung des Sohnes feiern, ehren wir immer auch die Mutter. An sie erging die Verkündigung des Engels; sie nahm sie an, und als sie aus tiefstem Herzen antwortete: »Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast« (Lk 1,38), begann in jenem Augenblick das ewige Wort sein Dasein als Mensch in der Zeit.

Von Generation zu Generation bleibt das Staunen über dieses unfaßbare Geheimnis lebendig. Der hl. Augustinus stellt sich vor, daß er sich an den Engel der Verkündigung wenden und ihn fragen würde: »Sag mir, Engel, warum ist das an Maria geschehen?« Die Antwort, so der Bote, ist in den Grußworten enthalten: »Sei gegrüßt, die du voll der Gnade bist« (vgl. Sermo 291,6). In der Tat, als der Engel »bei ihr eintritt«, nennt er sie nicht mit ihrem irdischen Namen Maria, sondern mit ihrem göttlichen, so wie Gott sie seit jeher sieht und bezeichnet: »Voll der Gnade – gratia plena«, im griechischen Original κεχαριτωµενη, »Begnadete«, und die Gnade ist nichts anderes als die Liebe Gottes, so daß wir dieses Wort schließlich mit die von Gott »geliebte « übersetzen könnten (vgl. Lk 1,28). Origines hält fest, daß niemals ein Mensch mit einem solchen Ehrentitel bedacht worden sei und daß dieser an keiner anderen Stelle der ganzen Heiligen Schrift vorkomme (vgl. In Lucam 6,7). Der Titel ist in passiver Form ausgedrückt, aber diese »Passivität« Mariens, die von jeher und für immer die vom Herrn »geliebte« ist, schließt ihre freie Zustimmung, ihre persönliche und eigene Antwort ein: Im Geliebtsein, im Empfangen der Gabe Gottes, ist Maria ganz aktiv, weil sie die Flut der Liebe Gottes, die sich in sie ergießt, in persönlicher Bereitschaft aufnimmt. Auch darin ist sie vollkommene Jüngerin ihres Sohnes, der durch den Gehorsam gegenüber dem Vater seine eigene Freiheit ganz verwirklicht und eben auf diese Weise seine Freiheit ausübt, indem er gehorcht. In der Zweiten Lesung haben wir die wunderbare Stelle gehört, wo der Verfasser des Hebräerbriefes den 40. Psalm im Licht der Menschwerdung Christi auslegt: »Darum spricht Christus bei seinem Eintritt in die Welt: … Ja, ich komme, um deinen Willen, Gott, zu tun« (Hebr 10,5–7). Angesichts des Geheimnisses dieses zweifachen »Siehe, hier bin ich« – des »Siehe, hier bin ich« des Sohnes und des »Siehe, hier bin ich« der Mutter, die sich ineinander widerspiegeln und ein einziges Amen zum Liebeswillen Gottes bilden – verweilen wir in Staunen und beten voll Dankbarkeit an.

Was ist es doch für ein großes Geschenk, Brüder, daß wir diese eindrucksvolle Feier am Hochfest der Verkündigung des Herrn begehen dürfen! Wieviel Licht können wir aus diesem Geheimnis für unser Leben als Amtsträger der Kirche schöpfen! Besonders ihr, liebe neue Kardinäle: Welche Stütze werdet ihr für eure Sendung als herausragender »Senat« des Nachfolgers Petri haben können! Dieses von der Vorsehung bestimmte zeitliche Zusammentreffen hilft uns, das heutige Ereignis, in dem das petrinische Prinzip der Kirche besonders hervortritt, im Licht des anderen, des marianischen Prinzips zu betrachten, das noch ursprünglicher und fundamentaler ist. Die Bedeutung des marianischen Prinzips in der Kirche wurde nach dem Konzil von meinem geliebten Vorgänger Papst Johannes Paul II. in Übereinstimmung mit seinem Wahlspruch »Totus tuus« besonders hervorgehoben. In seinem spirituellen Ansatz und in seinem unermüdlichen Dienst wurde die Gegenwart Mariens als Mutter und Königin der Kirche vor den Augen aller offenbar. Mehr denn je spürte er diese mütterliche Gegenwart beim Attentat vom 13. Mai 1981 hier auf dem Petersplatz. Er wünschte, daß zur Erinnerung an jenes tragische Geschehen eine Mosaikdarstellung der allerseligsten Jungfrau vom Apostolischen Palast herab den Petersplatz beherrschen sollte, um die Höhepunkte und den gewöhnlichen Verlauf seines langen Pontifikats zu begleiten, das gerade vor einem Jahr in seine letzte, schmerzensreiche und zugleich triumphale, wahrhaft österliche Phase eintrat. Die Ikone der Verkündigung läßt uns besser als jede andere ganz klar wahrnehmen, wie alles in der Kirche auf jenes Geheimnis der Annahme des göttlichen Wortes zurückgeht, wo durch das Wirken des Heiligen Geistes der Bund zwischen Gott und der Menschheit in vollkommener Weise besiegelt worden ist. Alles in der Kirche, jede Einrichtung und jeder Dienst, auch der des Petrus und seiner Nachfolger, ist unter dem Mantel der Jungfrau »hineingenommen« in die Gnadenfülle ihres »Ja« zum Willen Gottes. Es handelt sich um ein Band, das in uns allen natürlich einen starken gefühlsmäßigen Widerhall findet, dem aber vor allem eine objektive Wertigkeit zukommt. Zwischen Maria und der Kirche besteht in der Tat eine Konnaturalität, die das Zweite Vatikanische Konzil mit der glücklichen Entscheidung, den Traktat über die allerseligste Jungfrau an den Schluß der Konstitution über die Kirche Lumen gentium zu stellen, nachdrücklich unterstrichen hat.

Das Thema der Verbindung zwischen dem petrinischen und dem marianischen Prinzip können wir auch im Symbol des Ringes, den ich euch gleich überreichen werde, wiederentdecken. Der Ring ist immer ein hochzeitliches Symbol. Fast alle von euch haben ihn bereits am Tag ihrer Bischofsweihe erhalten als Ausdruck der Treue und des Auftrags, die heilige Kirche, Braut Christi, zu hüten (vgl. Ritus der Bischofsweihe). Der Ring, den ich euch heute als Zeichen der Kardinalswürde überreiche, soll diesen Auftrag bekräftigen und verstärken, wieder ausgehend von einer Hochzeitsgabe, die euch vor allem daran erinnert, innig mit Christus vereint zu sein, um die Sendung eines »Bräutigams der Kirche« zu erfüllen. Den Ring zu erhalten bedeutet also für euch gleichsam, euer »Ja«, euer »Hier bin ich« zu erneuern, das gleichzeitig dem Herrn, der euch erwählt und eingesetzt hat, und seiner heiligen Kirche gilt, der mit bräutlicher Liebe zu dienen ihr gerufen seid. Die beiden Dimensionen der Kirche, die marianische und die petrinische, treffen sich also in dem, was die Erfüllung beider ausmacht, das heißt im höchsten Wert der Liebe: der »größten« Gnadengabe, dem »besten von allen Wegen«, wie der Apostel Paulus schreibt (vgl. 1 Kor 12,31; 13,13).

Alles in dieser Welt vergeht. Ewig bleibt nur die Liebe. Darum, Brüder, wollen wir die Gnade der Fastenzeit nutzen und uns bemühen, dafür zu sorgen, daß alles in unserem persönlichen Leben wie auch in unserer kirchlichen Tätigkeit, in die wir eingefügt sind, von der Liebe bestimmt werde und zur Liebe hinstrebe. Auch dazu erleuchtet uns das Geheimnis, das wir heute feiern. Denn nachdem sie die Botschaft des Engels empfangen hatte, war die erste Tat Mariens, daß sie zum Haus ihrer Base Elisabet »eilte«, um ihr zu dienen (vgl. Lk 1,39). Die Jungfrau Maria handelte aus echter, demütiger und mutiger Liebe, vom Glauben an das Wort Gottes und vom inneren Antrieb des Heiligen Geistes geführt. Wer liebt, vergißt sich selbst und stellt sich in den Dienst des Nächsten. Das ist das Bild, das Modell der Kirche! Jede kirchliche Gemeinschaft ist wie die Mutter Christi dazu aufgerufen, in voller Bereitschaft das Geheimnis Gottes anzunehmen, der kommt, um in ihr zu wohnen, und sie auf Wege der Liebe führt. Das ist der Weg, auf dem ich mein Pontifikat beginnen wollte, indem ich mit der ersten Enzyklika alle dazu eingeladen habe, die Kirche in der Liebe aufzubauen, als »Gemeinschaft der Liebe« (vgl. Enyzklika Deus caritas est, Zweiter Teil). Bei der Verfolgung dieses Zieles, verehrte Brüder Kardinäle, ist mir eure geistliche und tätige Nähe große Hilfe und Trost. Und dafür danke ich euch, während ich euch alle, Priester, Diakone, Ordensleute und Laien, einlade, euch in der Anrufung des Heiligen Geistes zu vereinigen, damit das Kardinalskollegium immer mehr von glühender pastoraler Liebe beseelt sei, um der ganzen Kirche zu helfen, die Liebe Christi in die Welt auszustrahlen – zum Lob und zur Ehre der Allerheiligsten Dreifaltigkeit. Amen!

 


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