Verheerende Folgen des Ukraine-Krieges für Leihmütter

15. März 2022 in Prolife


Wiener Bioethikerin Kummer: Krieg hat Schattenseiten des Baby-Business auf tragische Weise sichtbar gemacht - Agenturen wollen trotz Krieg weitermachen, was Leihmütter in "schreckliches Dilemma" bringt


Wien (kath.net/KAP) Auf die durch den Krieg drastisch verschärfte Situation ukrainischer Leihmütter hat das Wiener Bioethikinstitut IMABE hingewiesen. Der Krieg habe die Schattenseiten des Baby-Business auf tragische Weise sichtbar gemacht, berichtete Geschäftsführerin Susanne Kummer am Montag der Nachrichtenagentur Kathpress. "Leihmutterschaft ist eine neue Spielart von Leibeigenschaft, die eklatant gegen Menschen- und Kinderrechte verstößt, frauenverachtend ist und Kinderhandel bedeutet. Infolge des Krieges berichten internationale Medien vor allem über die Wunscheltern, die um die Sicherheit ihrer Säuglinge am Kriegsschauplatz besorgt sind. Das Schicksal der ukrainischen Leihmütter, die zwischen Krieg und Fremdinteressen zerrieben werden, interessiert jedoch niemanden", so die Ethikerin.

Die Ukraine galt bislang als beliebte und kostengünstige Destination des Reproduktionstourismus: Jährlich 2.000 bis 2.500 Kinder wurden zuletzt von ukrainischen Frauen gegen Bezahlung ausgetragen für andere Paare, die zu 90 Prozent aus dem Ausland bestellten. Die Agentur BioTexCom mit Sitz in Kiew hält 25 Prozent am globalen Markt für Leihmutterschaft, wobei ein Kind für die Auftraggeber zwischen 40.000 und 65.000 Euro kostet, erklärte Kummer unter Verweis auf Erhebungen des "Journal of Public and International Affairs" der Princeton University im Jahr 2020. Ukrainerinnen im Alter zwischen 18 und 35 Jahren, zumeist aus prekären sozialen Verhältnissen, würden mit 8.000 bis 10.000 Euro Honorar - dem Dreifachen eines ukrainischen Jahresgehalts - gelockt, ihren Körper zur Verfügung zu stellen. Das Gros der Einnahmen geht an die Agenturen.
Schon vor dem Krieg war die Situation für Leihmütter eine in vielerlei Hinsicht schwierige: Sobald mit dem fremden Embryo schwanger, seien die betroffenen Frauen in einer Wohnung weit weg von ihren Heimatstädten und unter Aufsicht eines Vorgesetzten versammelt und zur Einhaltung strenger Zeitpläne gezwungen worden. Auch zu möglichen Abtreibungen könnten sie vertraglich verpflichten werden. Die Menschenrechtsgruppe "La Strada" erhielt laut Kummer pro Jahr an die 100 Anrufe von ukrainischen Leihmüttern nach einer Misshandlung. Und auch in Sachen Entlohnung hielt man sich oft nicht an die hohen Versprechungen: Manche Leihmütter berichtet, die Agentur habe ihnen letztlich nur wenige Hundert Euro bezahlt.

Behandlung "wie Tiere"

Angesichts der aktuellen Kriegssituation frage sich niemand, wer sich in zerbombten Häusern und Spitälern um die medizinische Versorgung der Leihmütter kümmere, kritisierte Kummer. Die jungen Frauen würden von den Agenturen teils angehalten, ihr Kind abtreiben zu lassen, während andere aufgrund der dramatischen Kriegssituation Fehlgeburten erlitten, geht aus einem Bericht des britischen "Guardian" (10. März) hervor. De facto hätten die Frauen keinen Anspruch auf Bezahlung oder Entschädigung, da diese laut Vertrag erst bei der Ablieferung eines gesundes Baby abgeliefert ausgezahlt wird. Viele Betroffene würden berichten, man behandle sie wie "Tiere".

Viele Leihmutterschafts-Kunden mit laufenden Verträgen wollten die In-vitro-Fertilisationsprogramme "um jeden Preis fortsetzen", gab die Agentur BioTexCom kürzlich an. Mittlerweile würden etliche Agenturen jedoch keine Mails mehr beantworten und seien für Frauen telefonisch praktisch nicht mehr erreichbar. Um ausländische Eltern zu beruhigen, hatte BioTexCom noch Ende Februar ein Youtube-Video veröffentlicht, in dem ein Bunker mit Nahrung und Schlafplätzen für die Leihmütter gezeigt wurde. Allein bei BioTexCom sollen 200 bis 300 Leihmütter in den kommenden drei Monaten ihre Säuglinge gebären. Allerdings konnten bereits während der Pandemie 1.000 Säuglinge in der Ukraine nicht abgeholt werden.
Scharfe Kritik übte die IMABE-Geschäftsführerin am Vorgehen einer weiteren Wunschbabyklinik, IVMED. Diese hatte mit Stand der Vorwoche bereits 17 Tiefkühltanks mit 12.000 gelagerten Embryonen und Eizellen aus dem Kriegsgebiet in Nachbarländer transportiert, und auf ähnliche Weise sollten auch die Leihmütter verfrachtet werden. Kummer sah die betroffenen Frauen vor ein "schreckliches Dilemma" gestellt. "Entweder ihre eigenen Familien, Partner und Kinder zurückzulassen, um vielleicht doch noch das fremde Kind zur Welt zu bringen und ihr Gehalt zu bekommen - oder im bombardierten Land zurückzubleiben".
Menschenhandel

Ein anderes Dilemma ergibt sich laut Kummer dadurch, dass laut ukrainischem Gesetz beide zahlenden Elternteile nach der Geburt des Kindes durch die Leihmutter physisch anwesend sein müssen, um die notwendigen Formalitäten zu erledigen, damit das Paar als rechtmäßige Eltern des Kindes anerkannt wird. Behördengänge seien in der Ukraine jedoch derzeit unmöglich. Eltern würden darauf pochen, dass ihnen das Kind trotzdem übergeben wird - und es nicht verstehen, warum sie ihre Babys nicht ohne Papiere nach Hause fliegen können, was bei manchen zu aggressivem Verhalten führe. Eine Übergabe ohne Dokumente wäre jedoch "Menschenhandel", wird im vorhin erwähnten "Guardian"-Bericht die auf Leihmutterschaft spezialisierte Kiewer Anwältin Olga Danchenko zitiert.

Viele Eltern würden es wünschen, dass die Leihmütter ins Ausland kommen und dort das Kind gebären, wovor die Agenturen jedoch warnen. Völlig zurecht werde die Herausgabe des Kindes gegen Geld in vielen Staaten - darunter auch Österreich - als Menschenhandel geahndet, betonte Kummer. "Es gibt keinen Kinderhandel für einen guten Zweck", erinnerte Kummer an die UN-Kinderrechtskonvention; auch seien Frauen keine Sklavinnen. Auch angesichts dessen, dass Leihmutterschaft zu einem profitablen Geschäftszweig geworden ist, sei ein internationales Verbot dieser Praxis unbedingt nötig, erneuerte die IMABE-Geschäftsführerin eine bereits oftmals erhobene Forderung.

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