Haltet die Welt an, ich will aussteigen

4. März 2022 in Kommentar


Da kommt ein wenig Aufatmen von Corona und zack, steht die nächste Katastrophe im europäischen Raum: Krieg UND die Kirche in Deutschland beschäftigt sich mit dem syndoalen Weg - BeneDicta am Freitag - Von Linda Noé


Linz (kath.net)

„Haltet die Welt an, ich will aussteigen“. Ich stehe dieser Tage gerade in der Küche und koche für meine Familie das Mittagessen, als mir urplötzlich dieser Satz durch den Kopf schießt, zusammen mit einem Bild von einem vollgekritzelten Schulhefteinband, auf den ich ihn geschrieben hatte. „Linda Noé, 3.c.“  „Tssss“, ich schüttle den Kopf, während ich weiter im Kochtopf rühre. Wo kommt denn DAS jetzt her? Seit drei Jahrzehnten hab ich nicht mehr an diesen typischen Pubertäts-Spruch gedacht. Ja, aber wenn man so drüber nachdenkt- ich rühre weiter gedankenverloren in der Suppe- passt er ja gerade irgendwie. Es ist alles so verrückt, hatte ich erst heute einem Freund geschrieben, und wird immer noch verrückter. Da kommt ein wenig Aufatmen von Corona nach zwei wirklich zähen Jahren, in vielerlei Hinsicht, und zack, steht die nächste Katastrophe im europäischen Raum- Krieg. Und womit beschäftigt sich die katholische Kirche in unseren Breitengraden während alledem? Damit, die Gläubigen zuzurüsten für den Dienst an den Menschen, nicht nur im Wort, sondern auch in Kraft des Heiligen Geistes, damit es Hoffnung für alle gibt in Christus? Nein. Mit dem synodalen Weg. Das muss man einfach so für sich stehen lassen.

Und jetzt also wieder der Beginn der Fastenzeit. Ich denke an meine erste Pilgerfahrt nach Medjugorje kurz vor Ostern, ich war Anfang 20, Studentin, und fand es spannend, diese Idee mit dem Fasten. Ich hatte das vorher nicht gekannt, und ich muss zugeben, ich kam mir auch ein bisschen gut vor, dass ich das so geschafft hatte, diesen Tag bei Wasser und Brot, den Aufstieg auf den Kreuzberg in aller Herrgottsfrüh… so für Gott ein Opfer zu bringen, denn wer aus meinem sonstigen Bekanntenkreis machte das damals schon? So, und heute, zwanzig Jahre später, stehe ich hier, rühre in meiner Suppe, und habe das Gefühl, dass ich Gott nicht mehr wirklich etwas zu geben hätte, wofür ich mir gut vorkommen könnte. Erstens, weil ich inzwischen doch ein bisschen wachsen durfte im Glauben, und zweitens, weil die letzten zwei Jahre so mühselig waren und ich einfach froh bin, wenn ich in aller Schlichtheit jeden Tag versuchen kann mit Jesus zu gehen. So ändern sich die Zeiten.

Genaugenommen weiß ich zu Beginn dieser Fastenzeit auch nicht wirklich, was ich an dieser Stelle „Großartiges“ oder gar „Neuartiges“ schreiben könnte. Es gibt so viele gute Angebote, Betrachtungen, Ideen für die Fastenzeit, gute Prediger, Gemeinschaften. Und: es gibt generell so extrem viel Geschriebenes und Gesprochenes! Endlos, rund um die Uhr könnte man sich „zudröhnen“ mit Inputs. Da haben Sie bestimmt auf meinen noch gewartet.

Aber doch, eins möchte ich, in aller Einfachheit, teilen:  in der Lesung des Aschermittwochs hat mich, trotz wenig Gefühl des Aufbruchs, sondern mehr der Müdigkeit, Matthäus 6,6 sehr angesprochen, und vielleicht reicht das auch für diese Fastenzeit. „Du aber geh in deine Kammer, wenn du betest, und schließ die Tür zu; dann bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist. Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten.“

Jesus sprach sich nicht generell gegen das öffentliche Gebet aus, wie sein eigenes Beispiel (zB Lukas 23,34; Johannes 11,41-42, 12, 26-30 und 17) und die Beispiele vieler großer Heiliger zeigen. Er betonte damit, dass unsere Motivation für das Gebet nicht darin bestehen sollte, Anerkennung von anderen zu erhalten. Stattdessen trägt Jesus seinen Nachfolger auch auf, den Bedürftigen so heimlich wie möglich zu spenden, um selbst die Möglichkeit gemischter Motive zu vermeiden (Matthäus 6,1-4). Auch soll es beim Gebet daraus folgend nicht um irgendein gesellschaftliches Happening gehen, um Gruppenzugehörigkeit, darum, menschlich etwas Wertvolles zu Organisieren oder Ähnliches. Alle möglichen (auch Groß-)Treffen sind wunderbar, aber immer muss alles von innen nach außen kommen, um Kraft zu haben. Dazu ist es absolut notwendig, diese Zeit mit dem Vater, ganz alleine, zu haben. Sie ist durch nichts, absolut nichts, zu ersetzen. Und das ist auch der Grund, weshalb sie so angegriffen ist. Nichts „passiert“ leichter, als diese persönliche Zeit des Gebets zu vernachlässigen. Tausend Dinge sind immer zu tun, und dann „verschiebt“ man (oft ins „heute einmal nicht“) menschlich gesehen verständlich, aber tragisch, die persönliche Gebetszeit leichter als die Termine mit den Mitmenschen.

Wie viel Zeit beten wir, in Einsamkeit, nur vor unserem Vater im Himmel, der im VERBORGENEN ist? Was für ein großartiges Wort… Der Vater, den wir dort auch aufsuchen müssen, der in Seiner Weisheit einen Grund dafür hat, im Verborgenen zu sein?

Mehr denn je schreit uns die Zeit, in der wir leben, entgegen, dass ohne Gott, ohne Seine Kraft, Seine Weisheit, nichts mehr zu machen ist, da können wir noch so gebildet und fortschrittlich sein. Menschliches Bemühen und Goodwill hat ein Ende, auch die menschliche Kraft. Wir haben alle viel gekämpft in den letzten Monaten. Was dran ist, ist das persönliche und kollektive ehrliche Bekenntnis und der Schrei zu Gott: wir brauchen Dich!

Im Gebet, im Verborgenen, mit Gott sein- oder aber aus Seiner Kraft etwas tun, und vielleicht einfach mal weniger plappern und „schreibseln“ („wie die Heiden“). Das ist die Richtung, nach der ich mich sehne in dieser Zeit. Vielleicht teilen wir das ja miteinander.


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